AKtion November 2022

6 Soziales und Arbeit 

November 2022

„Lasst euch nicht dreinreden! Sabino Juriattis ArbeitsLebensGeschichte hat erstaunliche Wendungen genommen – „Folgt eurem Herzen“, rät er anderen

ARBEITSLEBEN. In seiner Schul- zeit hat Sabino alles andere lieber getan, als zu lernen. Golf spielen zum Beispiel. Trotzdem entscheidet er sich gegen eine Golfkarriere und macht stattdessen eine Lehre zum Einzelhandelskaufmann im Holz- fachhandel. 15 Jahre später drückt Sabino wieder die Schulbank. Die Ausbildung zum Diplom-Sozialbe- treuer absolviert er mit Auszeich- nung. Bei den ArbeitsLebensGe- schichten in der Schaffarei erzählt er, warum für ihn der Praxisbezug beim Lernen so wichtig ist, was er an der Arbeit mit Menschen mit Beein- trächtigungen schätzt und ob sich sein Ausbildungsmarathon bezahlt gemacht hat. Schule ist seine Sache nicht. Schon in der Sporthauptschule weiß Sabino mit dem, was er hier lernen soll, nichts anzufangen – vom Sport einmal abgesehen. Auch in der Handelsschule glänzt er mit einem Rekord an Fehlstunden statt mit Leistung. Was seine Eltern damals nicht wissen: Wenn Sabino mor- gens das Haus verlässt, geht er statt in die Schule schnurstracks auf den Golfplatz. Kein Wunder, dass er mit einem Fuß bereits im Österreich-Ka- der steht. Irgendwann stellt sein Va- ter ihn jedoch vor die Wahl: Entwe- der, wird er Profi oder er macht eine Ausbildung. Sabino entscheidet sich für Letzteres und beginnt eine Leh- re zum Einzelhandelskaufmann im Holzfachhandel. Eine Entschei- dung, die sich über 13 Jahre lang als goldrichtig erweisen sollte. Tolle Zeit im Holzfachhandel Noch heute schwärmt er von sei- nem damaligen Chef, der ihn auf seinem Weg begleitete, ihn forderte, ihm aber auch sehr viel Vertrauen schenkte. „Ich durfte alles auspro- bieren und habe so ziemlich überall mitgemischt“, erinnert sich Sabino. Auch als Mentor für einen Mitarbei- ter mit integrativem Arbeitsplatz nimmt sich der inzwischen Mitte- 20-Jährige gerne Zeit, bindet ihn in den Arbeitsalltag ein und bringt ihm vieles bei. Er merkt: Die Arbeit mit Menschen mit Förderbedarf entschleunigt auch ihn. Alles läuft wunderbar – bis sein bisheriger Chef in den Ruhestand geht. Mit dem

Sabino Juriatti weiß nur zu gut: „Wer weiß, was man an einer Supermarktkassa oder als Einzelhandelskaufmann verdient, merkt schnell: Der Sozialbereich ist sehr gut bezahlt.“

neuen Chef gibt es Differenzen, bis es zum Bruch kommt. Sabino kündigt – relativ unreflektiert, wie er heute sagt. Denn damals, um 2015 herum, hat er mit seiner heutigen Frau be- reits einen einjährigen Sohn und ist gerade dabei, ein Haus zu bauen. Im Sozialbereich Männer gefragt Auf den Gedanken, in den Sozial- bereich zu wechseln, bringt ihn ein Freund, der zu dieser Zeit bei der Caritas arbeitet. Er solle doch zu ihnen kommen, im Sozialbereich suche man immer Männer. Der Ge- danke gefällt Sabino und er bewirbt sich an der Kathi-Lampert-Schule für die Ausbildung zum Diplom-So- zialbetreuer. Dort allerdings dauert das Aufnahmeverfahren lange, also macht Sabino einen Abstecher in die Lagerlogistik. Dieses Jahr sichert die Finanzierung seiner Ausbildung. Als Über 30-Jähriger erhält Sabino Unterstützung von der Connexia- Emplacement-Stiftung, die zweite Bildungswege fördert. „Anders hätte ich mir die Ausbildung nicht leisten können“, ist er sich bewusst. Finan- zieller Spielraum bleibt der kleinen Familie keiner. Zweifel hat Sabino jedoch nie. Schließlich schafft er als einer von 30 Bewerber:innen die Aufnahme und beginnt im Herbst 2017 mit der berufsbegleitenden

Frau war in Karenz und ich habe kaum was verdient.“ Wenn seine Frau in dieser Zeit beruflich nicht zurückgesteckt hätte, wäre es nicht möglich gewesen, gleich nochmal eine Ausbildung anzuhängen. Während der 38-Jährige mit der Studienberechtigungsprüfung und dem traditionellen Schulsetting noch immer seine Mühe hat, fühlt er sich in der Erwachsenenbildung sehr wohl. „Ich kann Dinge nur dann gut aufnehmen, wenn sie mich interessieren und ich sie wirklich brauchen kann“, sagt er. Zum Zeit- punkt der ArbeitsLebensGeschichte im Oktober 2022 hat Sabino die Stu- dienberechtigungsprüfung jedoch längst geschafft. Den Aufbaulehr- gang wird er im kommenden Jän- ner abschließen. Mit Anfang 2023 übernimmt er zudem die Leitung

der Caritas-Projekte „Zäwas“ und „Gschickt & Gschwind“ in Bludenz. Fachlich hat sich der zweite Bil- dungsweg gelohnt. Doch wie sieht das finanziell aus? Sabino findet klare Worte: „Wer weiß, was man an einer Supermarktkassa oder als Einzelhandelskaufmann verdient, merkt schnell: Der Sozialbereich ist sehr gut bezahlt.“ Für den zwei- fachen Familienvater ist klar: Er ist genau dort, wo er hingehört, und er würde das Risiko immer wieder ein- gehen, das eine Umschulung mit sich bringt. „Folgt eurem Herzen“, lautet sein Rat an alle, die vor einer ähnlichen Entscheidung stehen, „wenn ich auf alles das gehört hätte, was man mir gesagt hat, wäre ich heute nicht da, wo ich bin – und ich bin wahnsinnig stolz darauf, wo ich jetzt bin.“

Ausbildung. Parallel dazu arbeitet er an drei Tagen bei der Caritas. „Das war super, weil ich immer direkt umsetzen konnte, was ich gelernt habe“, sagt Sabino. Die Ausbildung schließt er mit ausgezeichnetem Erfolg ab. Doch das ist erst der An- fang – die Studienberechtigungs- prüfung und der Aufbaulehrgang zum Sozial-Pädagogen sollen folgen. „Kaum was verdient“ „Für uns als Familie war die Aus- bildungszeit schon ziemlich hart“, erinnert Sabino sich. Das junge Paar hat inzwischen geheiratet und ein zweites Kind bekommen. „Meine Sabino Juriatti: „Für uns als Fa- milie war die Ausbildungszeit schon ziemlich hart.“

Vom IT-Consultant zum HTL-Lehrer Geschichten wie die von Markus Kornfehl sind eine Bestärkung, seine Karriere und auch sein Umfeld aktiv zu gestalten, große Sprünge zu wagen und auch kleine Schritte wertzuschätzen. Markus Kornfehl hat lange als IT-Consultant und später als Geschäftsbereichsleiter für Biomasse-Feue- rungen gearbeitet. Heute unterrichtet er an der HTL Dornbirn und wirkt im Bildungsministerium an der Modernisierung des Bildungssystems mit.

▸ Veranstaltung Seine ArbeitsLebensGeschichte erzählt Markus Kornfehl am 30. November um 20 Uhr in der Schaffarei. Die Teilnahme ist kostenlos, eine Anmeldung erforderlich.

Einen Antrag stellen lohnt sich! Pflegende in Pension erwirken durch Selbstversicherung eine höhere Rente

VORTEIL. Damit Personen, die nicht berufstätig sind, aber nahe Angehörige pflegen, am Ende nicht weniger Pension bekommen, müs- sen sie bei der Pensionsversicherung eine Weiterversicherung für die Zei- ten, in denen sie die nahen Angehö- rigen pflegen, beantragen. Der oder die Angehörige muss Pflegegeld zu- mindest der Stufe 3 beziehen. Wenn dieser Antrag gestellt wird, erwirbt die pflegende Person Versicherungs- monate und erhöht damit ihr Pensi- onskonto. Die Kosten trägt der Bund! Auch Personen, die Teilzeit ar- beiten, weil sie eine:n Angehörige:n pflegen, sollten aktiv werden, rät

Franz Beck von der AK. Denn wird auf Kosten des Bundes eine Selbst- versicherung für die Zeiten der Pfle- ge naher Angehöriger beantragt, kommt es zu einer zusätzlichen Erhöhung des Pensionskontos. Ein Jahr Pflege erhöht die spätere Pensi- on monatlich um rund 30 Euro. Bei 25 Jahren Pensionsbezug macht das mehr als 10.000 Euro aus. Wichtig ist aber, dass die Versicherung bean- tragt wird! Bereits vor zwei Jahren hat der Verwaltungsgerichtshof festgestellt, dass sowohl eine Selbstversiche- rung für Zeiten der Pflege naher An- gehöriger als auch eine Selbstversi-

cherung für Zeiten der Pflege eines behinderten Kindes auch dann noch möglich sind, wenn sich die pflegen- de Person schon in Pension befindet. Durch diese Entscheidung können Pensionist:innen noch weitere Ver- sicherungsmonate erwerben, wenn sie eine:n Angehörige:n pflegen. Aufgrund einer Gesetzeslücke führten diese zusätzlichen Versi- cherungsmonate bisher zu keiner Erhöhung der Pension. Diese Lücke wurde aber vom Obersten Gerichts- hof (OGH) geschlossen. Das Höchst- gericht hat in einer aktuellen Ent- scheidung festgestellt, dass sich die Pflege naher Angehöriger während

Pflegende in Pension können ihre Lage verbessern.

in Pension. „Die wenigsten wissen, dass die Pflegetätigkeit ihre Pension zusätzlich erhöht, wenn ein Antrag gestellt wird“, bedauert Franz Beck von der Sozialrechtsabteilung der AK: „Also, worauf warten Sie noch?“

des Bezugs einer Alterspension ebenso pensionserhöhend auswir- ken muss, wie wenn bei Bezug einer Alterspension gearbeitet wird. Mehr als die Hälfte der etwa 947.000 pflegenden Angehörigen in Österreich befinden sich selbst

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