AKtion März 2021

Politik und Arbeit 5

März 2021

Arbeitsglück mit Ablaufdatum

ane-Bildungs­ rrierefrei ungen vor Ort b Ende April .

CHANCENMARKT. „In Vorarl- berg ist inzwischen jeder fünfte Arbeitslose langzeitbeschäfti- gungslos“, rechnet AK-Präsident Hubert Hämmerle vor. Die AK schlägt deshalb einen „Chancen- Markt“ vor, der den Betroffenen dauerhafte Perspektiven bieten könnte. Menschen wie Heid- run Hartlieb würden sich nichts sehnlicher wünschen. Seit Jahren ohne Chance Sie ist einvonNatur aus fröhlicher Mensch. Die gebürtige Kärntne- rin (58) hat drei Kinder großgezo- gen und erfreut sich heute an den vier Enkeln. Und sie hat ihr Le- ben lang gearbeitet. „Das war mir auch unseren Kindern gegenüber wichtig.“ Sie wollte ein Beispiel geben. Aber 2014 ging das nicht mehr. Die gelernte kaufmännische Angestellte hat im Büro, als Ver- treterin und dann im mobilen Hilfsdienst gearbeitet. Die Sor- gen ihrer Klienten nahm sie im Kopf mit nach Hause. 2014 stürzte Heidrun in Burnout und Depressi- on. So endete ihr beruflicher Wer- degang. Seither ist sie arbeitslos. Sie hat keine Chance, denn mehr als 20 Stunden sind ihr ge- sundheitlich nicht möglich, das steht so in ihrem ärztlichen At- test. Jemand wie Heidrun Hart- lieb findet am ersten Arbeits- markt keine Anstellungmehr. Sie hat dennoch weitergesucht. Beim AMS erfuhr sie 2016 von den so- zialen Unternehmen der Integra, und „eine Woche später durfte ich schon wieder arbeiten“. Das erzählt sie mit überbordendem Stolz. Heidrun arbeitet dort heute in der Produktion. Aber ihr Glück trägt ein Ablaufdatum. Jede Menge Wiederkehrer Bis zu ihrer Pension darf die In- tegra sie immer nur 365 Tage lang beschäftigen, dann muss Heid- run wieder für ein Jahr in die Ar- beitslosigkeit, ehe sie erneut für maximal ein Jahr bei der Integra einsteigen darf. Joelle Kepp aus

Heidrun darf immer ein Jahr bei der Integra arbeiten, dannmuss sie wieder in die Arbeitslosigkeit. In „Arbeitsjahren“ fühlt sie sich „einfach wertvoller“.

Aber Heidrun arbeitet nicht nur wegen des Geldes gerne. „Ich fühl mich einfach wertvoller, wenn ich arbeiten gehen kann“, sagt sie. „Ich krieg am Ende des Monats einen Zahltag und hab was getan dafür.“ Dieses Gefühl und diese Si- cherheit brauchen Langzeit- arbeitslose unbefristet. Davon ist AK-Präsident Hämmerle über- zeugt. Deshalb hat die AK die Idee eines ChancenMarktes zur Debatte gestellt. Gedacht wäre er für jene Personen, die nach einem Jahr in einem sozialökonomi- schen Betrieb immer noch kei- nen Arbeitsplatz haben und älter als 40 Jahre sind. Notstandshilfe oder Mindestsicherung würden dem Betrieb als Grundsubvention zur Verfügung gestellt. Die zu- gewiesenen Mitarbeiter würden für sinnerfüllende Tätigkeit nach Kollektivvertrag entlohnt, zahlten Sozialversicherungsbeiträge und Steuern. Sie übernähmen Aufga- ben, die von heimischen Firmen nicht angeboten oder ins Ausland verlagert werden. Und sie blieben nach Bedarf bis zur Pension ange- stellt. Heidrun würde das helfen.

dem Personalservice der Integra skizziert die Spielregeln, an die sich sozialökonomische Betriebe halten müssen. „60 Prozent unse- rer rund 1500 Klienten sind sol- che Wiederkehrer.“ Was heißt das finanziell? In ihren guten Jahren bei der In- tegra verdient Heidrun 655 Euro im Monat, als Arbeitslose trägt sie im darauffolgenden Jahr erst 480 Euro monatlich nach Hause, später dann in der Notstandshilfe 390 Euro. Leben kann sie davon nicht. Zum Glück hat sie ihren Mann, der gegenwärtig in Kurz- arbeit ist. AK-Präsident Hämmerle: Menschen wie Heidrun brau- chen dauerhafte Perspektiven.

▸ AK-Live-Talk: Am 4. März waren auf unserem Kanal youtube.com/AKVorarlberg von der Integra Joelle Kepp (Personal), Patrick Breuss (Bildung) und Heidrun Hartlieb zu Gast.

Powered by