AKtion November 2021

Politik 15

November 2021

Auf direktem Weg in die Zwei-Klassen-Medizin

MISSSTAND. Der unglei- che Wettbewerb zwischen Wahlärzt:innen und Kas- senärzt:innen ist in Öster- reich Gesetz. Die Folge: Im- mer mehr Kassenarztstellen bleiben unbesetzt. Bleibt die Entwicklung ungebremst, können sich bald nur noch Wohlhabende einenArzt leis- ten. Dann wachen wir eines Tages mitten in der Zwei- Klassen-Medizin auf. ÖGK- Landesstel lenvorsitzender

Manfred Brunner erlebt jetzt schon die Folgen: „Vertrags- ärzt:innen bleiben alleine auf Aufgaben sitzen, die für ein gut funktionierendes Ge- sundheitssystem unabding- bar sind.“ Mehrheit will Änderung Eine brandneue Meinungs- umfragederAKvonDr. Edwin Berndt zeigt deutlich, dass die überwiegende Mehrheit der Vorarlberg diese Entwick-

lung auch nicht gutheißt. Da- rin verlangen 77 Prozent der Befragten eine Obergrenze der Honorare für Privatärz- te. Dass sie für die gleichen Leistungen nicht mehr er- halten dürfen, ist eine Frage der Gerechtigkeit. 71 Prozent befürworten eine massivere Einbindung der Wahlärzte in das Gesundheitssystem. 72 Prozent fänden es nur an- gemessen, wenn Wahl- und Privatärzte bei nicht besetz-

baren Kassenstellen zu einer Mitarbeit im Kassensystem bewogenwürden. Dennwenn Kassenstellen leerbleiben, verlängern sich die Warte- zeiten und die ärztliche Ver- sorgung verschlechtert sich zusehends. Auch fänden es 72 Prozent der Befragten richtig, wenn Ärzte nach Absolvierung ih- res Studiums dazu verpflich- tet würden, eine gewisse Zeit im öffentlichen Gesundheits-

Können sich bald nur mehr gut Betuchte Arztbesuche leisten? Das darf nicht sein, darin sind sich alle einig.

einziger Appell an den Ge- meinsinn. Wir fragten die politischen Gruppierungen in der AK-Vollversammlung nach ihrer Meinung.

system tätig zu sein. Schließ- lich kostet die Ausbildung an den Universitäten den Steuer- zahler viel Geld. So liest sich die ganze Umfrage wie ein

Liste AK-Präsident Hubert Hämmerle – FCG.ÖAAB

Liste Manuela Auer – FSG

Wahlärzte: Versicherte wollen Honorarobergrenze

Kassenstellen müssen attraktiver gemacht werden

erhalten ihr Honorar direkt von den Krankenkassen. Für Wahl- oder Privatärzte gilt das nicht. Sie können von ih- ren Patient:innen so viel ver- langen, wie sie wollen. Weil Wahlärzte mehr verdienen, wird es immer schwerer, offe- ne Kassenstellen zu besetzen. Dieser völlig ungleiche Wett- bewerb sorgt zusehends für Kritik. Laut einer AK-Um- frage sind 77 Prozent der Be- fragten der Meinung, dass es für medizinische Leistungen

behandeln lassen. Wahlärz- te können zudem ihre Tarife selbst gestalten, was zu hohen Kosten führen kann. Die Politik hat jahrelang nicht reagiert. Fakt ist, es braucht mehr Kassenstellen und der Beruf des Kassenarz- tes muss attraktiver werden. Ein Landarztzuschlag könnte die ungleichen Verdienst- möglichkeiten ausgleichen. Die mit öffentlichen Mitteln ausgebildeten Wahlärzt:innen sollten zudem etwa über eine

auch bei Wahlärzten eine ge- setzliche Obergrenze, so wie bei Notaren und Rechtsan- wälten, geben sollte. Ebenfalls über 70 Pro- zent der Versicherten fänden es angebracht, wenn Wahl- ärzte Wochenend- und Be- reitschaftsdienste leisten. Unsere Forderung: Wahlärzte müssen stärker in das öffent- liche Gesundheitssystem ein- gebunden werden. ▸ E-Mail: bernhard.heinzle@ gpa.at

Kontingentlösung stärker in die öffentliche Versorgung geholt werden. Ein Anreiz könnte der Ausbau von Ge- meinschaftspraxen und Pri- märversorgungszentren sein. An den Universitäten könnten zudem Schwerpunkte gesetzt werden, wenn es in gewissen Bereichen Ärzt:innen braucht. Es besteht dringender Hand- lungsbedarf, da Pensionierun- gen das Problemverschärfen. ▸ E-Mail: manuelaauer@ manuelaauer.at

Bernhard Heinzle

Manuela Auer

ZWEI KLASSEN. Das Ver- tragsarztsystem mit dem Sachleistungsprinzip für alle ist ein Herzstück in der me- dizinischen Versorgung der Menschen. Vertragsärzt:in- nen stehen den Versicherten kostenlos zur Verfügung und

ZU TEUER. Während die Zahl der Kassenärzt:innen in den letzten Jahren nur gering zugenommen hat, ist die Zahl der Wahlärzt:innen explo- diert. Die Patient:innen kön- nen in dringenden Fällen oft nichtmehr wählen, wo sie sich

Liste Freiheitliche + Parteifreie Arbeitnehmer – FA

Liste Heimat aller Kulturen – HaK

Ärztliche Versorgung in Vorarlberg sicherstellen

Zweiklassige Gesundheits- versorgung ist zweitklassig

Aufgrund der ungleichen Rahmenbedingungen zwi- schen Kassen- und Wahlärz- ten wird dieser Personalman- gel vor allem im öffentlichen Gesundheitssystem noch zusätzlich verschärft. Immer mehr Kassenstellen bleiben unbesetzt und viele Patienten müssen mittlerweile teurere Wahlärzte in Anspruch neh- men. VieleMenschen können sich jedoch keinen Wahlarzt leisten. Diesem Missstand muss endlich mit wirksamen

Maßnahmen entgegenge- wirkt werden. Dazu braucht es eine stärkere Einbindung der Wahlärzte ins öffentliche Gesundheitssystem und eine gerechte Angleichung zwi- schen Kassenarzt und Wahl- arzt, sowohlwasdieAufgaben als auch was die Kostenerstat- tung betrifft. Ansonsten wird die Entwicklung in Richtung Zwei-Klassen-Medizin immer weitergehen. ▸ E-Mail: michael.koschat@ fpoe-satteins.at

lich das Ergebnis einer fehl- geführten Gesundheitspoli- tik ist. Wenn nur die Wohlha- benden eine gute Versorgung bekommen und die sozial schwächere Schicht der Ge- sellschaft teilweise Monate auf eine Diagnose bzw. The- rapie warten muss, ist das auf Dauer nicht hinnehmbar. Die Politik ist gefordert, die Besetzung der Kassenärzte voranzutreiben, indem Vo- raussetzungen geschaffen

werden, die mehr Ärzte da- von überzeugen, die Tätigkeit als Kassenarzt fortzusetzen. Sollte da kein Umbruch in den nächsten Jahren statt- finden, befürchten wir, dass sich die Zwei-Klassen-Gesell- schaft weiter verbreitet und der soziale Frieden damit ge- fährdet wird! ▸ E-Mail: info@hak-online.at

Michael Koschat

Volkan Meral

UNGLEICH. Der Ärzteman- gel entwickelt sich in Vorarl- berg immer mehr zum Pro­ blemund sorgt dafür, dass die ärztliche Versorgung heute oft nicht mehr in der Weise gesichert ist, wie das noch vor wenigen Jahren der Fall war.

UNSOZIAL. Hatten wir vor dem Jahr 2000 noch 4476 Wahlärzte, sind es heute über 10.200, wohingegen die Zahl der Kassenärzte im gleichen Zeitraum von 6923 auf 7174 gestiegen ist. Eine ungleiche Entwicklung, die offensicht-

Liste NBZ – Neue Bewegung für die Zukunft

Liste Gemeinsam – Grüne und Unabhängige

AK-Forderungen gegen Klassenmedizin

Freie Auswahl für den Patienten ohne Selbstbehalt!

müssen dringend im Kassen- ärztebereich Maßnahmen gesetzt werden. Die Unattrak- tivität dieser Stellen wie zu wenig Gehalt, zu viel bürokra- tischeArbeit, ein zuhoher An- drang an Patienten, nahezu gleichbleibender Leistungs- katalog und allgemein zu vie- le Einschränkungen durch die Kassen führt dazu, das die Ärzt:innen in den Wahlarzt- bereich wechseln, diese wer- den auch von den Patienten bevorzugt, da sie schneller zu

Klassenmedizin stoßen auf Ablehnung. Die Entwicklung geht aber leider schleichend in die falsche Richtung. So auch, wenn die Rahmenbe- dingungen dazu führen, dass es immer mehr Wahl- und immer weniger Vertrags- ärzt:innen gibt. Dies gefähr- det dieVersorgungssicherheit (z. B. Wochenend- und Not- dienste) und führt zu deutli- chenMehrkosten für die Pati- ent:innen. Es kann nicht sein, dass sich nur noch Besserver-

dienende eine medizinische Behandlung leisten können! Die AK-Forderungen nach einer gesetzlichen Tarifober- grenze, die Verpflichtung auch von Wahlärzt:innen für öffentliche Gesundheitsauf- gaben und die zeitlich be- fristete Verpflichtung von jungen Ärzt:innen für das öf- fentliche Gesundheitswesen sind Schritte in die richtige Richtung.! ▸ E-Mail: sadettin.demir@ gemeinsam-ug.at

einem Termin kommen und ausführlich über ihre Krank- heit reden können und nicht abserviert werden wie bei den Kassenärzten, jedoch kön- nen sich viele den Selbstbe- halt nicht mehr leisten. Wir müssen dringend gesetzliche Maßnahmen setzen und die Überarbeitung des Kassenärz- tesystems realisieren, damit die Kassenstellen wieder at- traktiv werden! ▸ E-Mail: info@nbz-online.at

Adnan Dincer

Sadettin Demir

DRINGEND. Die Schere zwi- schen den Wahl- und Kassen- ärzt:innen geht seit Jahren im- mer mehr auseinander, und wenn wir nicht umgehend eine Reform des Gesundheits- systems realisieren, wird es zu einem Kollaps kommen. Hier

FÜR ALLE! Es gibt kaum ein Thema mit so großem Konsens: Jede:r soll den glei- chen Zugang zum Gesund- heitssystem haben sowie die bestmögliche Behandlung und Versorgung erhalten. Alle Tendenzen in Richtung

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