Politik und Arbeit 3
April 2021
Als Covid-19 noch nicht den Takt vorgab … Inzwischen su- chen Arbeitslose online, etwa unter www.ams.at/allejobs. JOB-BAROMETER DER AKUNDDES AMS VORARLBERG
Weiter weisen die Zahlen in die richtige Richtung. In der Woche 12. bis 19. April 2021 ist die Zahl der Arbeitslosen in Vorarlberg gegen- über der Vorwoche um 86 Personen auf 13.153 gesunken. In Schulungen sind derzeit 2471 Frauen und Männer, um 28 mehr als in der Woche davor.
Langzeitarbeitslose werden die größte Herausforderung
Vorarlbergs AK-Präsidenten Wilhelm Sieß (1921–1934) Anton Linder (1946–1956) Karl Graf (1956–1967) Heinrich Grassner (1967–1969) Bertram Jäger (1969–1987) Josef Fink (1987–2006) Hubert Hämmerle (seit 2006)
QUALIFIZIERUNG. Am 16. April hat dasAMS seine neue Job-Such- maschine online freigeschaltet. „Sie durchsucht alle beim AMS gemeldeten Stellen und im Inter- net verfügbare Stellenangebote gleichzeitig“, betont BernhardBe- reuter. Mit „alle jobs“ finde man auf einen Klick alle aktuellen Stellenangebote in ganz Öster- reich. Auch Stellenangebote aus Deutschland von der Bundes- agentur für Arbeit im grenzna- hen Raum sind darunter, sagt der AMS-Landesgeschäftsführer. Nach Kompetenzen suchen Angezeigt werden verfügbare Stellen nach Standort, Beruf, Un- ternehmen oder Kompetenzen. AuchLehrstellen sindunterwww. ams.at/allejobs oder mit der ent- sprechenden App sichtbar. Gibt man etwa Bregenz ein, wirft die Website 3513 Jobangebote aus. Wird zusätzlich noch der Be- rufswunsch „Verkäuferin“ an- gegeben, sind es noch 16 freie Stellen. Manche sind chancenlos Dass österreichweit dennoch an die 190.000 Langzeitarbeitslo- se nicht fündig werden, bereitet dem AMS neben der Frage der Qualifizierungen am meisten Kopfzerbrechen. „Wenn dieWirt- schaft wieder anzieht“, ist Bereu- ter überzeugt, „kommt ein Teil derjenigen, die ab Beginn der Pandemie imMärz 2020 ihre Ar- beit verlorenhaben, wieder inBe- schäftigung.“ Für jene, die bereits vor Covid-19 auf Jobsuche waren, „sind dagegen die Chancen am Arbeitsmarkt noch einmal deut- lich gesunken“. Was tun?
„Modelle wie die Lohnkos- tenförderungen haben wir.“ Das AMS bezahlt laut Bereuter drei Monate lang hundert Prozent des Lohns plus Lohnnebenkosten, wenn Unternehmen Menschen mit Einschränkungen einstellen. Weitere Monate der Übernah- me von bis zu zwei Dritteln der Kosten sind Verhandlungssache. Bereuter appelliert an die soziale Verantwortung der Unterneh- men, die Langzeitarbeitslosen
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Kundmachung der ersten Arbeiterkammerwahlen vom 22. Jänner 1921.
später die zweite Urlaubswoche für ältere Arbeitnehmer zu umgehen“, erinnert Pichler daran, dass große Firmen durchaus Mitarbeiter vor Er- reichen des Anspruchs kündigten und umgehend wieder einstellten, damit sie die zweite Urlaubswoche nie antreten konnten. „Ab 1924/25 kursierten unter den Firmenchefs schwarze Listen mit den Namen derer, die als Gewerkschaftsfunk- tionäre auffällig geworden waren.“ Einmal gekündigt, sollten sie kei- nen Jobmehr finden. Aber es nützte alles nichts. Das Rad ließ sich nicht mehr zurück- drehen.Was vor 100 Jahrenbegann, ist bis heute in Österreich kräftig amLeben.
Jahr steigt das Preisniveau etwa im gleichen Ausmaß an wie in den sieben vorangegangenen Jahren zusammen. 1925 kostet am Feldkir- cher Wochenmarkt ein Kilo Butter besagte 62.000 Kronen, für ein Ei bezahlt man 2700, für ein Kilo Kar- toffeln 2400 Kronen. Dies war auch die Zeit einer großen Entfremdung. „Je weiter sich die österreichische Republik von den Tagen 1918/19 entfernt hat, umso unwilliger gebärdeten sich die Unternehmer, die Sozialgeset- ze dieser Jahre anzuerkennen.“ Die Angst vor dem Bolschewismus ging um, auch in Vorarlberg. Den etwa 5000 aus Russland heimgekehrten Soldaten schlug Misstrauen entgegen. „Der all- gegenwärtige Antisemitismus war eine Pest in dieser Ersten Repub- lik.“ Den Super-GAU in der Vorstel- lung eines Christlichsozialen der 1920er-Jahre beschreibt Meinrad Pichler so: „Ein jüdischer Bolsche- wik aus Wien, der den Vorarlber- gern etwas wegnehmen will …“ Und so mischen sich von allen Seiten hässliche Töne in den ersten AK-Wahlkampf, den letztendlich die Sozialdemokraten für sich ent- scheiden. Der Eisenbahnangestellte Wilhelm Sieß wird erster AK-Präsi- dent. Ein Sekretär, ein Hilfsbeamter und eine Stenotypistin stehen ihm zur Seite. Die AK wird in Feldkirch angesiedelt, weil dort schon die Handelskammer steht. Die AK zieht in die Neustadt – mit einem Tisch, ein paar Sesseln und einer geliehe- nen Schreibmaschine. So fing alles
an. Wenn in diesen schicksalshaf- ten Jahren das Betriebsrätegesetz, das Arbeiterkammergesetz und das „Gesetz über die Errichtung von Ei- nigungsämtern und über kollektive Arbeitsverträge“ Gestalt anneh- men, ist das kein Zufall. Das Glück der großen Sozialreform ist außer- gewöhnlichen Politikern wie dem Andelsbucher Christlichsozialen JodokFinkunddemSozialdemokra- ten Ferdinand Hanusch in Wien zu verdanken. Sie dachten über die en- gen ideologischen Grenzen hinweg. Das Urlaubsrecht des modernen So- zialstaats etwa geht auf das Arbei- ter-Urlaubsgesetz von 1919 zurück. „Und was haben Vorarlberger Unter- nehmer nicht alles erfunden, um
Die Unter- nehmer haben
auch eine gewisse so- ziale Verantwortung, der sie gerecht werden sollten.
Bernhard Bereuter AMS-Geschäftsführer
bewusst auch Chancen bieten sollten.Wennsie in ihremBetrieb diese Anforderung nicht erfüllen können, „dann könnten sie ja in Form eines Ausgleichs Beschäfti- gungsmodelle unterstützen“. Aber Bereuter ist auch klar, dass das nicht reichen wird. Des- halb ist die öffentliche Hand ge- fordert, einem Teil der Langzeit- arbeitslosen wieder Arbeit und damit Lebenssinn zu vermitteln. Wie dieses Kind dann heißen wird – „Aktion 20.000“ oder so ähnlich–, darübermögen sichdie Parteiideologen streiten.
14-Stunden-Tage „Bis in die 1880er-Jahre gab es in Vorarlberg keine Arbeitszeitbe- schränkungen für Erwachsene. 13- bis 14-stündige Arbeitstage von Montag bis Samstag waren die Regel. Ein erster Schritt war die Einführung des 11-Stunden-Tages unter Protest heimischer Fabri- kanten im Rahmen der Gewerbeordnung von 1885. In der stark fa- milienbetrieblich strukturierten Maschinenstickerei galten weniger strenge Bestimmungen, zumal dort eine Kontrolle ohnehin kaum möglich war. Die Einführung des 10-Stunden-Tages in der Vorarlber- ger Industrie um 1906 bis 1908 erfolgte unter massivemDruck der organisierten Arbeiterschaft. Zahlreiche Unternehmen willigten erst nach Streiks oder Streikdrohungen ein. Im Zeichen der erstark- ten Sozialdemokratie stand die gesetzliche Festlegung des acht- stündigen Arbeitstages im Jahr 1918. Gegenüber 1836 hatte sich die wöchentliche Arbeitszeit damit von 84 auf 48 Stunden verringert. In der Praxis kam es jedoch oft zu Überschreitungen, insbesondere in der Stickereibranche.“ ▸ Die Geschichte der AK Vorarlberg finden Interessierte – aufbe- reitet von Dr. Gerhard Wanner – auf der Website ak-vorarlberg.at unter demMenüpunkt „Über uns“. Der Textauszug über die Arbeits- zeit wurde der „Wirtschaftsgeschichte von 1870 bis zur Jahrtausend- wende“ von Dr. Christian Feurstein entnommen.
Eine Kooperation von AK Vorarlberg und AMS Vorarlberg
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