Politik 15
Juni 2021
Die Lehren aus der Covid-Krise ziehen
Fast hat es den An- schein, als fände der Spuk mit 1. Juli weitge- hend ein Ende. Aber welche Lehren ziehen wir aus der Covid-19- Pandemie, bevor uns der sommerliche Trubel überrollt?
LEHREN. Lisa-Marie Fassl ist Grün- derin von Female Founders, einer der am schnellsten wachsenden Communities in Europa. Seit einem Monat ist sie im Wirtschaftsminis- terium für die Förderung von Start- ups zuständig. In einer Podiums- diskussion entfuhr ihr der Satz, den viele denken: „Die Krise wird vorbei- gehen, undwirwerdenwieder nichts gelernt haben.“ Das ist ein bitterer Befund. Aber stimmt er auch? Ha- ben wir aus all den existenziellen Er-
fahrungen wirklich nichts gelernt? Die AKtion bat die im Vorarlberger Arbeitnehmerparlament vertrete- nen politischen Gruppierungen, für uns ihre Lehren aus der Pandemie zu ziehen. Denn so wie die Regie- rungen angehalten sind, das Krisen- management zu evaluieren und sich auf ein nächstes Mal vorzubereiten, haben auch Arbeitnehmervertreter die Pflicht, über das Erlebte nachzu- denken. Schließlich tragen Arbeit- nehmer ja auch das Gros der Kosten.
Endlich wieder Alltag? Doch die Covid-19-Krise kann nicht sang- und klanglos zu Ende gehen, ohne dass Lehren daraus gezogen werden.
Liste AK-Präsident Hubert Hämmerle – FCG.ÖAAB
Liste Manuela Auer – FSG
Die Sozialpartnerschaft zeigte ihr wahres Können
Sozialstaat stärken, niemanden zurücklassen!
ihr wahres Können – binnen Tagen wurden tragfähige Lösungen erarbeitet. Gleich- zeitig wurde offenbar, dass es bei flexibleren Arbeitszeiten und beim Homeoffice künf- tig noch mehr Innovationen brauchen wird. Und noch etwas zeigt die Pandemie: Die verursachten Staatsschulden liegen groß- teils auf den Schultern der arbeitenden Menschen, wäh- rend Reiche auch in der Kri- se reicher wurden. Es wäre
deshalb höchste Zeit für eine Millionärssteuer. Zudem braucht es jetzt maximale Transparenz darüber, wel- che Unternehmen (zu Recht) welche Förderungen erhalten haben. Schließlich handelt es sich um öffentliches Geld. Klein- und Kleinstunter- nehmer schließlich müssen – analog zur Arbeitslosenver- sicherung – künftig abgesi- chert werden. ▸ E-Mail: bernhard.heinzle@ gpa.at
fen bekommen haben, sind es die ArbeitnehmerInnen, die oft unverschuldet ihren Job verloren haben und dadurch in die Armut abzurutschen drohen. Die besten Garanten für ein solidarisches Miteinander sind der weitere Ausbau unse- res Sozialstaatsmodells und eine gut funktionierende So- zialpartnerschaft. Ein gutes Beispiel dafür ist das Corona- Kurzarbeitsmodell, das hun- derttausende Arbeitsplätze
gesichert hat. Was wir jetzt aber brauchen, ist die längst fällige Erhöhung des Arbeits- losengeldes. Wenn Familien aufgrund von Jobverlust mo- natelang mit der Hälfte des Gehalts über die Runden kommen müssen, stimmt das solidarische Gefüge unserer Gesellschaft nicht mehr. Ich bin überzeugt, dass nur ein starker Sozialstaat Garant für soziale Stabilität ist. ▸ E-Mail: manuelaauer@ manuelaauer.at
Bernhard Heinzle
Manuela Auer
BEWÄHRT. Für uns Arbeit- nehmerinnen undArbeitneh- mer, aber auch für Politik und Wirtschaft gibt es eine zentra- le Lehre aus der Coronakrise: Die Sozialpartnerschaft funk- tioniert und zeigte von Kurz- arbeit bis zum Homeoffice
AUSBAU. Die Coronapande- mie hat gezeigt, dass jene, die sich am lautesten bemerkbar machen oder über die „rich- tigen“ Netzwerke verfügen, besser durch die Krise kom- men. Während Unternehmen millionenschwere Staatshil-
Liste Freiheitliche + Parteifreie Arbeitnehmer – FA
Liste Heimat aller Kulturen – HaK
Statt Lockdown vernünftige Schutzmaßnahmen!
steht es jedem frei, die Kosten für die PCR-Tests zu bezah- len und sich auf den Weg zu machen. Jene, die „Urlaub“ im herkömmlichen Sinn ma- chen können, haben noch die Wahl zwischen Strandurlaub am Mittelmeer und Strand- urlaub am Bodensee. Jene, die ihre Eltern und Geschwis- ter in fernen Ländern haben, müssen über 100 Euro pro Test bezahlen, um sie sehen zu können. Bei einer Fami- lie mit 4–5 Köpfen kommt da Endlich wieder „Reisefreiheit“
können. Denn klar muss sein: Wir können uns als Land kei- nen neuerlichen Lockdown über Monate hinweg leisten, weil die Gefahr eines über- lasteten Gesundheitssystems droht. Zudem muss die Politik von Anfang an Maßnahmen setzen, die verhältnismäßig sind und durch die auch all- fällige Kollateralschäden möglichst gering gehalten werden. Es kann jedenfalls nicht mehr sein, dass mehr
oder weniger die gesamte Wirtschaft an die Wand ge- fahren wird und dadurch vie- le Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer massive finan- zielle Einbußen haben, weil sie ihren Arbeitsplatz verlie- ren oder monatelang in Kurz- arbeit gehenmüssen. Also: JA zu vernünftigen Schutzmaß- nahmen, aber NEIN zur Wie- derholung des schwarz-grü- nen Dauer-Lockdowns! ▸ E-Mail: michael.koschat@ fpoe-satteins.at
hin und zurück ganz schön was zusammen. Was wir also aus dieser Pandemie lernen können, ist wieder mal Em- pathie! Wenn behauptet wird, Menschen aus dem Balkan oder der Türkei haben das Vi- rus mit eingeschleppt, dann muss man sich vor Augen halten, dass diese Menschen nicht verreisen, um sich die Sonne auf den Bauch scheinen
Michael Koschat
Volkan Meral
GEEIGNET. Um in Zukunft besser auf eine solche Krise vorbereitet zu sein, muss von der Politik sichergestellt wer- den, dass die Intensivkapazi- täten im Gesundheitsbereich rasch ausgebaut und nach Bedarf hochgefahren werden
TEUER. Reisen tun die einen aus geschäftlichen Gründen, die anderen, um Erholung zu finden, wieder andere, um ihre Liebsten wiederzusehen. Auch wenn immer noch be- stimmte Maßnahmen gel- ten, um verreisen zu dürfen,
zu lassen. ▸ E-Mail: info@hak-online.at
Liste NBZ – Neue Bewegung für die Zukunft
Liste Gemeinsam – Grüne und Unabhängige
Pandemie und Klima: Krisen als Chance nutzen!
Fordernde Zeiten brauchen Mut für frische Ideen
empathische Führungskultur wurde zum echten Wettbe- werbsvorteil und eine krisen- feste Arbeitskultur überle- bensnotwendig. Corona erwies sich als Prüfstand für New-Work-Mo- delle, die Unternehmen lern- ten schnell und installierten Online-Meetings und Webi- nare, jedoch war sehr rasch klar: Erfolgsentscheidend ist dabei weniger die Technik als die Veränderung sozia- ler Verhaltensformen. Jeder
noch größere Herausforde- rung, die Klimakrise, nicht vergessen werden. Der Weg aus beiden Krisen kann kein Weiter-wie-bisher sein. Die Krise ist die Chance zur zu- kunftstauglichen Umgestal- tung unserer Wirtschaft. Wir sind die erste Generation, die den Klimawandel spürt, und die letzte, die noch etwas da- gegen tun kann. Wir müssen in Verantwortung für unsere Kinder und Enkel rasch han- deln. Jene Volkswirtschaf-
ten, die den Wandel zu einer nachhaltigen Wirtschaft am schnellsten bewältigen, wer- den am Ende die niedrigsten Kosten dafür tragen und im globalen Wettbewerb vorne liegen. Es ist Zeit für eine ge- meinsame Kraftanstrengung von Regierung und Sozial- partnern, vonWirtschaft und Gesellschaft: ökologische Steuerreform, Verkehrswen- de, Sanierungsoffensive etc. ▸ E-Mail: sadettin.demir@ gemeinsam-ug.at
braucht den anderen, nur so kann die Existenz gesichert und gehalten werden. Wir brauchen in vielen Bereichen neue Arbeitsmodelle. Die real-digitale Arbeitswelt wird uns auch künftig fordern und daran erinnern und führt uns vor Augen, dass die Zeiten der Einzelkämpfer vorbei sind. Einem Unternehmen geht es nur dann gut, wenn es auch der großenGruppe gut geht. ▸ E-Mail: info@nbz-online.at
Adnan Dincer
Sadettin Demir
SPIELRAUM. Wir wissen nicht, wie die Zukunft nach Corona aussehen wird – aber genau das verleiht uns auch einen Spielraum, um die Ar- beitswelt zu verändern. Die Anwesenheitspflicht in vielen Bereichen wurde aufgelöst,
KLIMAKRISE. Illusorisch, an das Ende der Pandemie zu glauben. Sie macht hier Sommerpause, ist global aber noch voll imGange. Wir brau- chen Solidarität mit dem Sü- den und einen globalen Impf turbo. Neben Corona darf die
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