Politik 15
März 2022
Jede*r Vierte will den Job wechseln Arbeitsklimaindex zeigt: „Wenn Unternehmen klagen, dass sie keine geeigne- ten Fachkräfte finden, müssen sie die Gründe dafür im eigenen Haus suchen.“
JOBWECHSEL. In den USA ha- ben seit Ausbruch der Pandemie 30 Millionen Beschäftigte ihre Jobs ge- kündigt. Auch in Österreich denken immer mehr Menschen über eine berufliche Veränderung nach. Das zeigt die aktuelle Auswertung des Arbeitsklimaindex der AK. Gründe sind schlechte Arbeitsbedingungen, geringe Entlohnung, fehlende Wert-
schätzung und hohes Infektions- risiko. Waren es 2015 noch durch- schnittlich 16 Prozent und kurz vor der Corona-Pandemie 20 Prozent, so sagen jetzt schon 26 Prozent der Be- schäftigten in Österreich, dass sie in eine andere Firma wechseln oder einen ganz anderen Beruf ausüben wollen. Besonders hoch ist der An- teil der Wechselwilligen unter Aka-
demiker:innen und jungen Arbeit- nehmer:innen. Stark gestiegen ist er in den vergangenen beiden Jahren im Verkehrs-/Nachrichtenwesen, im Unterrichtswesen, im Gesund- heits- und Sozialbereich sowie im Handel, also in einigen der system- relevanten Berufe, die mehrheitlich von Frauen ausgeübt werden.
Die Corona-Pandemie hat viele bewogen, ihre Situation zu über- denken. Am Ende stand oder steht die Kündigung.
Liste AK-Präsident Hubert Hämmerle – FCG.ÖAAB
Liste Manuela Auer – FSG
Zufriedenheit: Von Arbeitszeit bis Lohn – es gibt viel zu tun
Arbeitsbedingungen verbessern!
schließlich wirkte wie ein Brennglas, in vielen Bran- chen kam es zu einer weite- ren Arbeitsverdichtung. Vor allem im Tourismus und in der Pflege hängten viele Arbeitnehmer:innen ihren Job an den Nagel, such- ten sich Alternativen mit bes- serer Bezahlung, attraktive- ren Arbeitszeiten oder mehr Wertschätzung. Kontrapro- duktiv auf die Zufriedenheit der arbeitenden Menschen wirkten sich in dieser Situ-
für die hohe Unzufriedenheit sind unregelmäßige Arbeits- zeiten, viele Überstunden, die schwere Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben und mangelnde Bezahlung. Ähnlich schwierige Rahmen- bedingungen gibt es in der Pflege, im Transportwesen und im Handel. Immer mehr Fachkräfte wandern deshalb ab. Unternehmen wären gut beraten, anstatt ständig über fehlende Fachkräfte zu jam- mern, endlich die Arbeits-
ation auch die in den letz- ten Jahren geübte Praxis der Lohnzurückhaltung sowie die explodierenden Lebens- haltungskosten, vor allem für das Wohnen, aus. Die Arbeitnehmer:innen verdienen einen höheren Anteil am wirtschaftlichen Erfolg, das beweist auch das aktuelle Standort-Rating der AK. VonArbeitszeit bis Lohn– es gibt viel zu tun. ▸ E-Mail: bernhard.heinzle@ gpa.at
bedingungen zu verbessern, faire Löhne und Gehälter zu zahlen und mehr in die Aus- bildung von Lehrlingen zu in- vestieren. Ein genereller Min- destlohn in Höhe von 1800 Euro könnte zudem helfen, unbeliebte Niedriglohn-Bran- chen aufzuwerten. Betriebe mit guten Rahmenbedingun- gen haben weniger Fluktua- tion und tun sich leichter bei der Personalsuche. ▸ E-Mail: manuelaauer@ manuelaauer.at
Bernhard Heinzle
Manuela Auer
UNZUFRIEDEN. Es war auch schon vor Corona deutlich er- kennbar:Diepsychischenund körperlichen Belastungen am Arbeitsplatz nahmen – auch durch die Einführung des 12-Stunden-Tages – kon- tinuierlich zu. Die Pandemie
UNFAIR. In keiner anderen Branche ist die Arbeitsunzu- friedenheit so hoch wie im Tourismus und in der Gas- ronomie. Die Branche steht beispielgebend für den wach- senden Unmut der Arbeit- nehmer:innen. Die Gründe
Liste Freiheitliche + Parteifreie Arbeitnehmer – FA
Liste Heimat aller Kulturen – HaK
Leistung muss sich lohnen: mehr Netto vom Brutto
Lebenserhaltungskosten und steigende Unsicherheiten
schaffen. Vor allemgeht es da- bei umgerechte Bezahlung. In diesem Zusammenhang liegt der Ball aber in erster Linie bei der Politik. Denn die viel zu hohe Steuerbelastung in Österreich hat zur Folge, dass von dem, was der/die Unter- nehmer:in brutto bezahlt, am Ende zu wenig netto bei den Arbeitnehmer:innen in der Geldtasche ankommt. Des- halb muss es endlich zu einer deutlichen Senkung der Steu- ern auf Arbeit kommen. Dazu
und im körpernahen Dienst- leistungsbereich führten die Coronamaßnahmen mit den plötzlichen Schließungen auch zu Existenzängsten bei Arbeitnehmer:innen. Weder Politiker:innen noch Arbeit- geber:innen waren in der Lage zu sagen, wie es weitergehen wird. Diese Ungewissheit führte dazu, dass viele in eine sicherere Branche wechseln wollten und auch dement- sprechende Umschulungs- maßnahmen in Anspruch
gehört auch die Abschaffung der kalten Progression, die von der Politik schon längst versprochen ist, aber von der türkis-grünen Regierung nicht umgesetzt wird. Für uns ist klar: Leistung muss sich wieder lohnen. Wer arbeiten geht und bereit ist Leistung zu bringen, dem muss es in Vorarlberg möglich sein, mit seinem Einkommen ein gutes Leben führen zu können. ▸ E-Mail: michael.koschat@ fpoe-satteins.at
genommen haben. Die zweite Gruppe, dievomWiederanlauf der Wirtschaft profitiert, sind die qualifizierten Menschen, die jetzt die Chance sehen, ei- nen Wechsel durchzuführen. Die Gründe sind vielfältig. Für einige ist die neueMöglichkeit des Homeoffice und der da- durch verbundenen Freiheit ein Hauptgrund, während an- dere auf der Suche nach neuen Herausforderungen sind. ▸ E-Mail: info@hak-online.at
Michael Koschat
Volkan Meral
STEUERN RUNTER. Klar ist: Aufgrund des Arbeitskräfte- mangels in vielen Bereichen sind die Unternehmen noch mehr als in der Vergangenheit gefordert, gute Arbeitsbedin- gungen für ihre Mitarbeite- rinnen und Mitarbeiter zu
UNGEWISSHEIT. Die Pan- demie hat das Leben vieler Menschen enorm beeinflusst. Die einen kämpften mit Exis- tenzängsten, während für andere neue Werte in den Mittelpunkt gerückt sind. Gerade in der Gastronomie
Liste NBZ – Neue Bewegung für die Zukunft
Liste Gemeinsam – Grüne und Unabhängige
Nicht jammern, sondern Bedingungen verbessern
Wertschätzung bringt Zufriedenheit
An ihnenherrschtMangel. Ar- beitgeber:innen müssen ihren guten, fleißigen und loyalen Mitarbeiter:innen auch etwas bieten, damit sie loyal und fleißig bleiben. Sie jammern zwar, dass sie keine Fach- kräfte bekommen, suchen die Fehler aber zuallerletzt bei sich selbst. Die Pandemie hat Probleme wie durch eine Lupe sichtbar gemacht. Mangelnde Wertschätzung und schlechte Arbeitsbedingungen wurden schonungslos offengelegt.
Die Unzufriedenheit und der Wechselwille steigen. Die Be- dingungen sind im neuen Job oft aber auch nicht wirklich besser. Das Fluktuationska- russell läuft. Gewerkschaften müssen wesentlich kämpfe- rischer Maßnahmen einfor- dern und absichern: bessere Rahmenbedingungen, faire Löhne und Gehälter, Wert- schätzung, betriebliche So- zialpartnerschaft. ▸ E-Mail: sadettin.demir@ gemeinsam-ug.at
klimas beitragen können, jedoch darf nicht vergessen werden, dass dies nicht die einzigen Gründe für eine Un- zufriedenheit sind. Das Betriebsklima eines Unternehmens ist so indivi- duell wie die Mitarbeiter:in- nen. Die Ursachen sind jedoch oft ähnlich und hängen in der Regel mit einer unzureichen- den Kommunikationskultur zusammen. Eine eindeutige und offene Kommunika- tion ist der Schlüssel zu einer
funktionierenden sozialen Interaktion innerhalb der Fir- ma. Die Arbeitnehmer:innen sollten als Individuen angese- hen werden und nicht als Ro- boter, genauso sind die Wert- schätzung und eine gerechte Bezahlung der Leistung wich- tige Eckpfeiler der Zufrieden- heit. Vergessen wir nicht: So- bald sich Mitarbeiter:innen unwohl fühlen, sinkt die Lust und Freude an der Arbeit. ▸ E-Mail: info@nbz-online.at
Adnan Dincer
Sadettin Demir
BETRIEBSKLIMA. In einer sich dynamisch verändern- den Welt sind neue Arbeits- zeitmodelle gefragt, die Ar- beitnehmer:innen wollen flexibler sein. Hier müssen neue Modelle her, die zu einer Verbesserung des Betriebs-
AUFWACHEN! Viele Arbeit- geber:innen glauben, Arbeits- bedingungen diktieren zu können, weil die Beschäftig- ten eh froh sein müssen, dass sie einen Job haben. Für viele Kolleg:innen trifft das leider zu. Nicht aber für Fachkräfte.
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