AKtion November 2022

2 Meinung und Politik 

November 2022

LEITARTIKEL Das Wohnproblem lösen

Wohnen ist ein Grundbedürfnis. Keinen ordentlichen Wohnraum zu haben, bedeutet gesellschaftliche Ausgrenzung und verursacht gesundheitliche Risiken. Davon sind wir in Vorarlberg zum Glück noch weit entfernt. Leider aber steigt auch bei uns die Zahl jener, die sich keine ordentlichen Wohnungen mehr leisten können. Hingegen ist für eine sehr große Gruppe arbeitender Menschen die Unmöglichkeit, Wohnungseigentum erwerben zu können, zur Wirklichkeit geworden. Für viele Menschen ist es schon so weit gekommen, dass ihr Vollzeitjob allein nicht mehr reicht, die monat- lichen Mietkosten ohne öffentliche Unterstützung stemmen zu können. , Der Wohnbereich darf kein Spielfeld für hoch rentable Geldanlagen sein. Rainer Keckeis Direktor der AK Vorarlberg Diese Entwicklung gibt vielen politischen Verantwortlichen zu denken und muss jetzt Anlass sein, das Thema Wohnen umfas- send neu zu betrachten. So haben wir von der AK mit einer Studie bereits das Thema Grunderwerb bzw. Beschränkungen desselben auf jene Menschen, die ein Wohnbedürfnis haben, angestoßen und sind mit den Verantwortlichen im Lande in einem regen Austausch über vernünftige, nicht diskriminierende Einschränkungen. Wir stehen auf dem Standpunkt, dass der Wohnbereich kein Spielfeld für hoch rentable Geldanlagen sein darf. Das rechtfertigt staatliche Eingriffe und bedingt gleichzeitig auch mehr Enga- gement im Bereich des gemeinnützigen Wohnbaus oder in der Förderung von alternativen, z. B. genossenschaftlich organisierten Wohnformen. Das klingt radikaler, als es in Wirklichkeit ist.Aber den Wohnungsmarkt nur privaten Investor:innen zu überlassen, wird die Situation noch verschlimmern und die Abhängigkeit der arbeitenden Menschen zusätzlich erhöhen. Und das wollen wir nicht.

Seine letzte Rede in der Vollversammlung hielt der scheidende AK-Präsident Hubert Hämmerle kurz: „Bernhard Heinzle ist der Präsident der Zukunft“, streute er dem Nachfolger Rosen.

Weil er als AK-Präsident auch oft seinen Senf dazu- gegeben hat, übergab der gebürtige Lustenauer Hubert Hämmerle allen Kammerrät:innen zum Abschied au- genzwinkernd ein Gläschen Lustenauer Senf.

Für das kommende Jahr bewilligten die Ar- beitnehmervertreter:innen der AK Vorarl- berg einstimmig Einnahmen und Ausgaben von 28,3 Millionen Euro.

▸ E-Mail: direktion@ak-vorarlberg.at

GEWÄHLT. Selbst Alt-Präsident Bertram Jäger ließ es sich mit 93 Jahren nicht nehmen, diese Vollver- sammlung aufmerksam zu verfol- gen, ging doch an diesem Tag eine Ära zu Ende: Nach 16 Jahren legte Hubert Hämmerle (61) die AK-Prä- sidentschaft in jüngere Hände. „Hal- tet zusammen“, rief er den Kammer- rät:innen zu. Aber dazu bedurfte es gar keiner gesonderten Aufforde- rung. Bernhard Heinzle kann auf eine breite Unterstützung aus allen Frak- tionen zählen. 54 der 69 anwesen-

wir seit mehr als zwei Jahren.“ Das Land habe Änderungswünsche vor- gebracht. „Sie wurden eingearbei- tet.“ Aber noch immer dämmert da kein Beschluss am Horizont. „Das geht mir alles zu langsam!“ Es gibt an diesem denkwürdi- gen Tag abseits des Wechsels im Präsidium nur ein Thema: Weil die Teuerung bei Sprit, Energie, Lebens- mitteln und Mieten den Arbeitneh- mer:innen und Konsument:innen zunehmend die Luft abschnürt, for- dern alle Kammerrät:innen der AK außer jene der FPÖ ein „Schutzpa-

den Kammerrät:innen geben ihm ihre Stimme, fünf enthalten sich. In seinen Augen sind die Tage der Krise „die beste Zeit“, an die Spit- ze der AK zu treten, „denn wir bieten und haben Lösungen“. Wenn die Politik oftmals zu langsam agiert, werde die AK „den Druck erhöhen“. Denn das Wohl der arbeitenden Menschen steht an erster Stelle. „Es duldet keinen Aufschub.“ Die Ge- spräche der letzten Tage haben ihm das gezeigt: „Was ist mit eurem Mo- dell für pflegende Angehörige?“, ist er gefragt worden. „Dafür kämpfen

GASTKOMMENTAR Kinder mit Perspektive

Krisen verschärfen bestehende Ungleichheiten. Und die gibt es leider auch bei uns nicht erst seit drei Jahren. Leidtragende sind vor allem Kinder. Jedes fünfte Kind in Vorarlberg wächst in prekären familiären Verhältnissen auf. Alleinerziehende und Elternteile mit psychischer oder chronischer Erkrankung stehen vor weit größeren Herausforderungen, ihren Kindern ein gesundes Aufwachsen zu ermöglichen. Auch fehlende soziale Beziehungen und materielle Sorgen setzen Familien zu. An der Grenze der Erschöpfung können vielfach belastete Eltern ihrer Erziehungsverantwortung oft nicht gerecht werden. Die Folgen für Kinder sind nachhaltig und reduzie- ren ihre Gesundheits- und Bildungschancen gravierend. , Jedes fünfte Kind in Vorarlberg wächst in prekären familiären Verhältnissen auf. Alexandra Wucher GF des Vorarlberger Kinderdorfs Gut belegt ist jedoch auch, dass sich Unterstützung von klein auf langfristig positiv auf die Entwicklung von Kindern, ihre Lebens- qualität und Gesundheit bis ins Erwachsenenalter auswirkt. Gerade in schwierigen Situationen werden andere zur wichtigen Ressource: Großeltern, Freund:innen, Trainer:innen, Lehrpersonen, Pflegeeltern oder auch Nachbar:innen können richtungsweisend sein. Ein chancenreicher Lebensraum für Kinder bedeutet, dass jedes durch eine verlässliche Bezugsperson unterstützte Kind neben Entfaltungsmöglichkeiten auch Orientierung und Ermu- tigung für den eigenen Lebensweg erhält. Wir alle können dazu beitragen, uns im persönlichen Umfeld aktiv für das Wohl der Kinder einzusetzen – damit auch in Kindern, die viel zu bewältigen haben, das Vertrauen entsteht: Ich kann etwas aus meinem Leben machen. Aus dieser positiven Erfahrung „erwachsen“ die nächsten Perspektivengeber:innen, die den Zusammenhalt unserer Gesell- schaft sichern.

Drei Präsidenten: Bernhard Heinzle (l.) wurde am 3. November neu gewählt, Bertram Jäger ist exakt vor 53 Jahren zum ersten christlich-sozialen AK-Präsidenten gewählt worden. Hubert Hämmerle be- kleidete zuletzt 16 Jahre lang diese Funktion und wählte dieses Datum ganz bewusst für die Übergabe.

▸ Mehr Info unter https://www.vorarlberger-kinderdorf.at

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