treffpunkt 02/22

WIR BRAUCHEN: Ausbau des öffentlichen Verkehrs!

VERKEHR

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„Bis vor gut zwei Jahren gab es hier noch eine Regionalbahn.“ Philipp Herndl, Betriebsratsvorsitzender in der Klinik Pirawarth

M it dem Bus fahre ich im Kreis und bin zwei Stunden unter- wegs, mit dem Auto brauche ich circa fünfzehn Minuten“, sagt Josef Exler. Der 57-Jährige lebt in Kronberg und arbeitet als Koch in der Reha-Klinik Pirawarth. Das sind nur zwölf Kilome- ter, aber: „Von Kronberg müsste ich den Bus nach Schleinbach nehmen. Von dort geht’s mit dem Zug nach Wolkers- dorf und weiter nach Bad Pirawarth.“ KaumÖffis Der Parkplatz vor der Reha-Klinik ist voll. „Unsere rund 420 Mitarbei- ter*innen kommen aus allen Richtun- gen, auch aus Nachbarländern“, sagt Betriebsrat Philipp Herndl, „fast alle fahren mit dem Auto.“ An der Bushalte- stelle halten die von Wien kommenden Busse. Aber: „Der Fahrplan geht sich nicht mit unseren Arbeitszeiten aus.“ Reinigungs-, Service- und Küchenper- sonal fangen zeitig an, auch die Thera- pien starten amMorgen. „Außerdem sind wir ein Sieben-Tage-Betrieb.“ Sous-Chef Exler steht von halb sieben

bis 15 Uhr in der Küche, auch an Wo- chenenden.

MARKUS WIESER: „Land und Bund sind gefordert!“

Wer hier lebt, pendelt „Wer in Niederösterreich lebt, pen- delt“, sagt Thomas Kronister. Der Ver- kehrsexperte der AK kennt die Zahlen der letzten 30 Jahre: „2019 haben von über 600.000 wohnhaft Beschäftigten 420.000 ihren Wohn- und Arbeitsort in Niederösterreich. 300.000 Beschäf- tigte pendeln über die Bezirksgrenze. 185.000 fahren in ein anderes Bun- desland, vor allem nach Wien. Nur 21 Prozent wohnen und arbeiten im gleichen Ort“.1 „Für den Arbeitsweg nehmen 66 Prozent der Beschäftigten das Auto. 22 Prozent der Pendler*innen sind mit dem öffentlichen Verkehr un- terwegs und 12 Prozent fahren mit dem Rad oder gehen zu Fuß.2 Der mittlere Arbeitsweg für die Beschäftigten in NÖ ist 35 km lang. Allerdings sind 35 Pro- zent der Arbeitswege kürzer als zehn Kilometer.“3 Teures Auto Andrea Bauer pendelt mit dem Auto von Wien nach Bad Pirawarth. 40 Ki- lometer in eine Richtung. Die 49-Jäh- rige arbeitet als Neuropsychologin in der Reha-Klinik und würde sofort auf Öffis umsteigen: „Die Kosten fürs Auto steigen. Jetzt sind es die Spritpreise, davor war’s das Parkpickerl.“ Auch bei ihr scheitert es an den passenden Busfahrzeiten. Studie: Hier hapert’s „Damit Pendler*innen auf die Öffis umsteigen, muss das Angebot passen“,

Öffi-Ausbau – aber rasch!

Ein Blick auf die Spritpreise stellt viele vor die Frage: Kann ich mir das Autofahren noch leisten? Wie komme ich an den Arbeitsplatz? Mehr als ein Drittel der niederösterreichi­ schen Beschäftigten hat keinen oder kaum Zugang zu öffentli­ chem Verkehr, sie sind auf das Auto angewiesen. Wenn man den Pendler*innen aber immer wieder ausrichtet, sie mögen auf Öffis umsteigen, muss es auch das Angebot dafür geben. Doch statt des versprochenen Ausbaus kommt es zu regionalen Rückschritten, Verzögerungen und Stilllegun­ gen von Regionalbahnen. Es ist hoch an der Zeit, den Ausbau des öffentlichen Verkehrs zu realisieren. Das Land und der Bund sind gefordert, für die Versorgungs­ sicherheit und den Klimaschutz die notwendigen Schritte zu setzen.

AK-VERKEHRSSTUDIE: Öffentlicher Verkehr klimafit Eine Studie der TU Wien im Auftrag der AK Niederösterreich: Was ist möglich und notwendig, um den öffentlichen Verkehr in Niederösterreich auszubauen. noe.arbeiterkammer.at/verkehrsstudie

MARKUS WIESER AK Niederösterreich-Präsident ÖGB NÖ-Vorsitzender

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