AKtion Juni 2022

Arbeit und Soziales 9

Juni 2022

Der AK-Kraftwagen brachte im Juni feinstes Streetfood und ein Gewinnspiel in die Firmen. Stärken konnten sich unsere Mitglieder dabei

gleich auch mit den Services der Arbeiterkammer. AK-Prä- sident Hubert Hämmerle betont: „Wer viel schafft, braucht auch mal Pause. Das gehört genauso zum Arbeitsalltag wie der Erfolg und das Produkt.“ Mehr dazu im AK-Blog. 4,4 Millionen Euro für Nachhilfe AK hat’s erhoben: In Vorarlberg nahmen 7400 Schüler:innen privat bezahlte Unterstützung in Anspruch.

BEDARF. Jedes sechste Vorarl- berger Schulkind hat im Schuljahr 2021/2022 bezahlte Nachhilfe ge- braucht. Die Eltern von 7200 weite- ren Kindern konnten sich das gar nicht leisten. Kunststück: Im zu Ende gehenden Schuljahr flossen in Vorarlberg 4,4 Millionen Euro in be- zahlte Nachhilfe, um 1,4 Millionen oder 46 Prozent mehr als im Schul- jahr zuvor. Die aktuelle Nachhilfe- erhebung der AK dokumentiert ge- waltige Belastungen. 580 Euro pro Kind Das Institut für empirische Sozial- forschung (IFES) hat im Auftrag der AK das große Nachhilfemonitoring durchgeführt. „Die Kosten für be- zahlte Nachhilfe betragen in diesem Schuljahr in Vorarlberg mehr als vier Millionen Euro“, erläutert Sarah Isele, Bildungsexpertin der AK Vorarlberg. Dieser enorme Anstieg gegenüber 2020 (drei Millionen Euro) ist auf die höheren Kosten bezahlter Nachhilfe zurückzuführen: Durchschnittlich geben die Eltern pro Kind 580 Euro aus! Ein Drittel (32 Prozent) der Be- fragten ist durch Nachhilfe finanziell spürbar bis sehr stark belastet – vor allem jene mit Haushaltseinkommen unter 3000 Euro. „Viele Eltern kön- nen sich erst gar keine Nachhilfe für ihre Kinder leisten“, weiß Sarah Isele, die auch betont, dass sich 78 Prozent der Eltern mehr Lernförderung wün- Lernhilfe der AK Wann? Die nächsten Termine finden in den Sommerferien von 11. Juli bis 9. September 2022 statt. Was? Lernbegleitung in Deutsch, Englisch und Mathe- matik im Einzelsetting Für wen? Schüler:innen der Mittelschule und AHS Unter- stufe (5.–8. Schulstufe) Termine/Ablauf? Die Lern- begleitung findet in Form von Einzelstunden statt. Diese werden individuell vereinbart und es finden nach Möglichkeit mehrere Termine pro Woche statt. Die Anmeldung ist online für mehrere Fächer möglich. Wo? AK Vorarl- berg, Widnau 2–4,

schen: „Kein Wunder, dass zwei Drit- tel (67 Prozent) der Eltern kostenfreie Ganztagsschulen als sinnvoll und notwendig betrachten.“ Lernrückstände ausgleichen Bei der bezahlten Nachhilfe geht es nicht mehr nur darum, eine negati- ve Note zu verhindern (20 Prozent). 30 Prozent der Schüler:innen erhiel- ten Nachhilfe, um Lernrückstände aufzuholen. Die Eltern geben an, dass fast jedes zweite Kind während der Pandemie weniger gelernt hat. Als Hauptgründe dafür wurden der eingeschränkte Schulbetrieb und die geringere Lernmotivation ge- nannt. Bei jedem vierten Kind waren psychische Probleme die Gründe. Unangefochten auf Platz eins der Nachhilfefächer liegt Mathe- matik. Zwei Drittel der Kinder (65 Prozent), die Nachhilfe benötigen, brauchen in diesem Fach Unterstüt- zung. 31 Prozent erhalten Nachhilfe in Deutsch, 32 Prozent in einer an- deren Sprache. Bezahlte Nachhilfe wird jeweils etwa bei einem Drittel bei Lehrkräften oder Studierenden (36 bzw. 37 Prozent) sowie bei Lern- instituten (27 Prozent) absolviert. Eltern stark gefordert Zwei Drittel aller Schulkinder brau- chen ihre Eltern zum Lernen. Müt- ter oder Väter kontrollieren nach der Arbeit die Hausübungen, sie lernen mit ihren Kindern für Prüfungen und Schularbeiten. Mit mehr als der Hälfte der Schüler:innen (55 Pro- zent) lernen die Eltern mindestens einmal oder mehrmals in der Wo- che. 22 Prozent der Eltern lernen sogar so gut wie täglich mit ihren Kindern, in der Volksschule sind es mehr als die Hälfte (45 Prozent). Durch das Coronavirus haben sich die Regeln geändert, unter de- nen Schule stattfindet. Die Eltern fanden sich nicht nur als Lernhilfe wieder, sondern agierten auch als Krisenmanager, wenn für mehrere Kinder nur ein PC zur Verfügung stand oder die Internetleitung zu langsam war. 20 Prozent der Eltern tun sich schwer damit, ihren Kin- dern bei Hausaufgaben zu helfen. Immer noch übernehmen über- wiegend Frauen – und zwar zu 75 Prozent – die (unbezahlte) Lern- betreuung der Kinder und Jugend- lichen und nehmen damit die

Fünf Forderungen der AK ● Ausbau von Ganztagsschulen mit verschränktem Unterricht und Qualitätskriterien. Die Entwicklungen müssen sich an den Kompeten- zen orientieren, die unsere Kinder auf dem Weg zum Erwachsenwerden benötigen. Dafür brauchen Pädagog:innen mehr Zeit und Raum. ● Eine indexbasierte Mittelverteilung in der Schulfinanzierung soll sicherstellen, dass alle Kinder bestmögliche Chancen erhalten, unabhängig vom sozialen Status ihrer Familien. ● Schulkosten in Zeiten der Teuerung sofort drastisch reduzieren : Es braucht zu Schulbeginn ein Budget für Schulmaterialien, das Lehrer:in- nen unbürokratisch verwenden können, um Kinder und Jugendliche mit den notwendigen Materialien auszustatten. ● Entlastungen für armutsgefährdete Familien und Alleinerziehen- de: Dabei ist auch eine Anhebung und Ausweitung der Schüler:innenbei- hilfe unerlässlich. ● Aufwertung der Elementarpädagogik und frühen Bildungsjahre. Je besser die pädagogische Qualität im Kindergarten und dann in der Volksschule ist, desto größer sind die Bildungschancen der Kinder und damit später auch die Chancen am Arbeitsmarkt und die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben.

auch die Eltern so, sofern die Quali- tät passt. „Sie gaben der Nachmit- tagsbetreuung in Vorarlberg sehr gute Noten“, sagt Sarah Isele. „Die Qualität der schulischen Förderung spielt beim Nachhilfebedarf eine we- sentliche Rolle und kann nur im Zu- sammenspiel mit dem Unterricht ge- steigert werden.“ Deshalb fordert die studierte Bildungswissenschaftlerin den Ausbau ganztägiger schulischer Angebote, die mehr als nur Betreu- ung sind, nämlich Ganztagsbildung, bei der Unterricht, Freizeit, individu- elle Förderung und Stärkung sozialer Kompetenzen über den Tag verteilt stattfinden. „Und da gehört auch ein gesunder Mittagstisch dazu.“ Die- se Forderungen kommen auch aus mehr als jedem zweiten Haushalt

Mehrfachbelastung der eigenen Berufstätigkeit und der Schulzeit der eigenen Kinder auf sich. „Viel zu oft werden Frauen zwischen den Ansprüchen ihrer eigenen Berufs- tätigkeit und dem Schulerfolg ihrer Kinder aufgerieben. Schulen so zu organisieren, dass Kinder und Ju- gendliche dort gut lernen können, ist damit auch eine Frage der Verein- barkeit und Chancengerechtigkeit für Frauen“, mahnt Sarah Isele ein. Nachmittags gut betreut Einen sehr positiven Effekt zur Ein- dämmung der Nachhilfe hat in ganz Österreich die schulische Nach- mittagsbetreuung – entweder im Rahmen der Ganztagsschule oder in einer anderen Form. Das sehen

– unabhängig vom Bildungshinter- grund der Eltern. Besonders hervorzuheben ist, dass externe Nachhilfe vor allem jene Eltern für ihre Kinder benö- tigen, die selbst keinen höheren Schulabschluss haben und sich da- mit auch schwerer tun, den Kindern in schulischen Belangen zur Seite zu stehen. „Das ist zugleich auch jene Gruppe von Eltern, die für externe Nachhilfe nicht sehr große finan- zielle Ressourcen oder gar keine zur Verfügung hat“, so Isele. „Qualitative Schulentwicklung muss die individuellen Vorausset- zungen und Bedürfnisse unserer Kinder berücksichtigen. Dement- sprechend brauchen wir differen- zierte Maßnahmen der Unterstüt- zung. Leistungsstarke und eben auch leistungsschwächere Kinder benötigen die für ihre individuel- le Leistungsentwicklung adäquate Förderung“, plädiert Isele für eine nachhaltige Investitionsoffensive für die Schule, die Lehrer:innen, Schüler:innen und Eltern entlastet. Sarah Isele: „Viel zu oft werden Frauen zwischen ihrer eigenen Berufstätigkeit und dem Schul- erfolg ihrer Kinder aufgerieben.“

Vorarlberg: Nachhilfeschüler:innen 2022 2020 Anzahl der Schüler:innen (gesamt) ca. 48.100 ca. 48.000 Bezahlte Nachhilfe ca. 7.400 ca. 6.200 Private unbezahlte Nachhilfe ca. 4.000 ca. 3.400 Schulische Gratisnachhilfe ca. 2.200 ca. 1.900 Keine bezahlte Nachhilfe, hätte aber gerne eine gehabt ca. 7.200 ca. 2.900

Gesamtbedarf (unter Berücksichtigung der Überschneidungen)

ca. 13.800

ca. 12.500

Nachhilfekosten in Mill. Euro 2022 2020

▸ AK-Nachhilfe-Moni- toring Hier die wich- tigsten Daten, Fakten und Forderungen aus der Studie.

6800 Feldkirch Kosten? keine

2018

Gesamt

102,7

86 3,0

101 3,9

Vorarlberg

4,4

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