AKtion Juni 2022

2 Meinung und Politik 

Juni 2022

Rechtlich ginge es: Grundstückskauf nur bei Bedarf Gutachten von Univ.-Prof. Dr. Peter Bußjäger im Auftrag der AK zeigt deutlich: Land könnte den Missbrauch von Grund und Boden eindämmen

Leitartikel Ein hart erkämpfter Erfolg der AK Die Abschaffung der Kalten Progression ist ein Erfolg für die Vorarlber- ger Arbeiterkammer insbesondere für Präsident Hubert Hämmerle. Er hat – hartnäckig, wie kaum ein anderer – seit seiner Wahl zum AK-Prä- sidenten diese Forderung auf seiner Agenda trotz vieler Rückschläge konsequent vorangetrieben. , Mehr Fairness im Steuersystem statt schleichende Erhöhung der Steuereinnahmen! Rainer Keckeis Direktor der AK Vorarlberg Die weitgehende Abschaffung dieser schleichenden Steuererhöhung wurde von Politiker:innen aller Parteien oft versprochen und gleich oft nicht eingehalten. Dass es jetzt, im Zuge des Pakets gegen die Auswir- kungen der enormen Inflation, dazu kam, ist auch dem Vorarlberger Finanzminister Magnus Brunner zu verdanken. Die Bundesregierung hat damit vieles richtig gemacht und mit der Abschaffung der Kalten Progression auch dafür gesorgt, dass die Arbeitnehmer:innen langfristig entlastet bzw. nicht durch schleichen- de Steuererhöhungen auf ihre Einkommen belastet werden. Das ist gut so, und dass es damit schwieriger wird, jeweils vor Nationalratswahlen mit einer groß angekündigten Steuerreform Stimmung für die jeweils regierenden Parteien zu machen, ist auch kein Schaden. Denn bei dieser angeblichen Zurückzahlung jener Steuern, die von den Arbeit- nehmer:innen über die Kalte Progression zusätzlich in den Bundes- haushalt flossen, wurden fast immer auch noch Steuergeschenke an Unternehmer:innen und Bauern mitfinanziert. Wenn damit Schluss ist, dann kann vielleicht schon in wenigen Jahren auch über eine echte Steuerreform geredet werden, die in die Struktur des Steueraufkom- mens eingreift. Der sich durch die Kalte Progression bisher automatisch ergebende Verteilungsspielraum ist ja nicht mehr vorhanden.

BEDARF. Vorarlberg zählt zu den wirtschaftlich stärksten Regionen Europas. Hohe Gewinne aus unter- nehmerischer Tätigkeit und niedri- ge Ertragszinsen für Finanzanlagen haben in den vergangenen 15 Jahren die Nachfrage nach alternativen In- vestitionsmöglichkeiten steigen las- sen. Grundstücke sowie Wohnun- gen stehen ganz oben auf der Liste der Begehrlichkeiten. Leidtragende sind die Arbeitnehmer:innen. Sie können sich mit ihrer Hände Arbeit Eigentum längst nicht mehr finan- zieren. Das Land der „Hüslebauer“ ist zum Land der Mieter:innen ge- worden. Das Grundbedürfnis Woh- nen lässt sich nur noch unter massi- ven Abhängigkeiten abdecken. Land blieb untätig Die Politik hat diese Entwicklung nicht verschuldet. „Allerdings ist der Landespolitik der Vorwurf zu machen, wenig bis gar nichts dage- gen unternommen zu haben“, betont

AK-Dir. Keckeis (l.): „Wohnen ist ein Grundbedürfnis: Ich muss wohnen, so wie ich mich ernähren muss.“

Schwierigkeiten von vornherein ab- gelehnt“, so Keckeis. Deshalb beauf- tragte die AK Vorarlberg Univ.-Prof. Dr. Peter Bußjäger, in einem Gutach- ten den tatsächlichen gesetzlichen Spielraum des Landes Vorarlberg in Fragen des Grundverkehrs und der Raumordnung auszuloten. Im Er- gebnis bringt der Verfassungsjurist klar zum Ausdruck, dass das Land

setz leistbares Wohnen als Raum- ordnungsziel festschreiben, was bis heute nicht geschehen ist. Dann stünde der Einführung eines Ge- nehmigungsmodells nichts mehr im Wege, zumal andere Instrumen- te offenkundig nicht annähernd dieselbe Wirkung erzielen können. So reicht der Spielraum des Lan- desgesetzgebers nicht aus, um eine Leerstandabgabe so hoch einzu- führen, dass sie wirklich Wirkung hätte. Der Salzburger Entwurf sieht höchstens 780 Euro im Jahr vor, das bezahlen die Eigentümer:innen aus der Portokassa. Im Übrigen lässt sich das Raum- ordnungsrecht der Studie zufolge nur bedingt verschärfen. Strengere Restriktionen wären laut Bußjäger allerdings im Bereich der Ferien- wohnungen noch denkbar. Kauf nur bei Bedarf genehmigen Das Genehmigungsmodell dagegen hätte Kraft. Die AK fordert deshalb, dass unbebaute und bebaute Grund- stücke künftig nur mehr dann ge- kauft werden dürfen, wenn auch tat- sächlich ein Bedarf für die Deckung eines Wohnbedürfnisses nachge-

, Man kann sicherlich Instrumente

▸ E-Mail: direktion@ak-vorarlberg.at

Gastkommentar Mensch = Feuerwehr

gegen größere Baulandhortungen ein- führen. Das ist absolut möglich. Univ.-Prof. Dr. Peter Bußjäger Gutachter

Unter dieses Motto haben wir unsere Aktivitäten bei der Feuerwehr gestellt. Es geht um den Menschen und seine Begeisterung für das Ehrenamt. Ist die Feuerwehr noch zeitgemäß? Was bringt die Zu- kunft? Gibt es noch Menschen, die sich ehrenamtlich einbringen? In all den Jahren hat sich die Feuerwehr analog zu unserer Gesell- schaft weiterentwickelt. Die Industrialisierung hat auch die Arbeit und die Bedeutung maßgebend verändert. Was trotz Veränderung gleich geblieben ist, ist der Mensch. Als Feuerwehrmitglieder leben wir in einem Spannungsfeld zwischen Beruf und freiwilligem Ehren- amt. Es bedarf eines enormen Zeitaufwands, um beide Teile zufrie- denstellend zu bewältigen, denn oft sehen wir beide in Konkurrenz. , Seit über 160 Jahren gibt es die jetzige Form der Feuerwehr, die heute noch ihre Gültigkeit hat. Herbert Österle Landesfeuerwehrinspektor Ist das wirklich so? Bei einer genauen Betrachtung stellen wir fest, dass das nicht zwangsläufig so sein muss. Ein engagiertes und gut ausgebildetes Feuerwehrmitglied kann Gefahren besser einschät- zen, bei Notfällen Erste Hilfe leisten, kann Führung übernehmen, drückt sich nicht vor Verantwortung, und vorbeugender Brand- schutz ist eine Selbstverständlichkeit. Viele Firmen in unserem Land haben das bereits erkannt und schätzen gerade deshalb die Kompetenzen der Feuerwehrleute. Es geht sogar so weit, dass ein Feuerwehrmitglied bei der Einstellung bevorzugt wird. Diese Betriebe sind auch bereit, Feuerwehrleute für Einsätze freizustellen und die Einsatzstunden gut zu schreiben. Auch die Ausbildung beim Landesfeuerwehrverband wird von vielen Betrieben als wertvoll empfunden und die Ausbildungszeit als Arbeitszeit anerkannt. Dass die Jugendarbeit der Feuerwehr geschätzt wird, wurde während der Pandemie deutlich, denn wir konnten einen überdurchschnittlichen Zuwachs an Neuzugängen verzeichnen. Ein gemeinsamer Weg ist die Voraussetzung für den Erhalt unserer Sicherheit und unseres Wohlstands. ▸ Info: Vorarlbergs Feuerwehren haben ihre virtuelle Zentrale hier: https://www.lfv-vorarlberg.at/

sehr wohl weitgehende Möglich- keiten hat, den Grundverkehr mit unbebauten und bebauten Grund- stücken einzuschränken bzw. mit der von der AK geforderten Bedarfs- prüfung Spekulationsgeschäfte mit Grund und Boden als Finanzanlage gänzlich zu unterbinden. Als Erstes ein Raumordnungsziel Als Erstes müsste das Land Buß- jäger zufolge im Raumplanungsge-

AK-Direktor Rainer Keckeis. Auch der zaghafte Versuch, im Grundver- kehrs- und Raumplanungsgesetz ge- genzusteuern, ist 2019 gescheitert, weil damit letztlich wiederum nur die Finanzinvestoren und Wohn- bauträger privilegiert wurden. Die Forderungen der AK wurden nur teilweise eingearbeitet, „erhebliche Eingriffe in das Grundverkehrsrecht hat das Land mit dem Hinweis auf europa- und verfassungsrechtliche

OLIGARCHEN. „Mir sind Fälle be- kannt, in denen Investor:innen noch vor Baubescheid ganze Wohn- anlagen aufkaufen und dann daraus private Mietwohnanlagen machen. Sie können sich die Preisentwick- lung in solchen Anlagen vorstellen.“ , Mir sind Fälle bekannt, in denen In- vestoren noch vor Baubescheid ganze Wohnanlagen aufkaufen. Dipl.-Ing. Markus Aberer Initiative vau | hoch | drei Ländle-Oligarchen im Kaufrausch und nach Absprache mit der Stand- ortgemeinde an gemeinnützige Wohnbauträger oder Gewerbebe- triebe weiter. „Ein fertiges Konzept liegt seit Monaten im Landhaus“, be- teuert Aberer. „In Tirol arbeitet ein solcher Bodenfonds seit 25 Jahren anlagen gebaut und erhalten wer- den. „Andere Bundesländer haben diese Beiträge längst eingeführt und wurden vom Verfassungsgerichts- hof bestätigt.“ Auch die Einführung eines Ka- nalerhaltungsbeitrags für gewidmete und nicht bebaute Grundstücke ist auf landesgesetzlicher Basis möglich. Vorkaufsrecht für Kommunen Aberer fordert darüber hinaus, dass Gemeinden land- und forstwirt- schaftliche Grundstücke ohne Be- willigung erwerben können. „Die Gemeinde benötigt solche Reserven für Tausch von Grundstücken aller Art.“ Bei Grundstücken, die für die Entwicklung der Dorf- und Stadt- zentren von besonderer Bedeutung sind, sollte den Gemeinden ein Vor- kaufsrecht zukommen. Dipl.-Ing. Markus Aberer fordert sei- tens der Initiative vau | hoch | drei das Land deshalb u. a. auf, endlich einen Vorarlberger Bodenfonds zu errichten. Dieser Fond kauft Grund- stücke und gibt sie bedarfsorientiert (!) höchst erfolgreich.“ Einen jähr- lichen Erschließungsbeitrag durch die Grundeigentümer nennt Aberer „ein Gebot der Fairness“: Schließlich müssen Kinderbetreuungseinrich- tungen, Schulen, Sport- und Grün-

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