Politik und Arbeit 3
Oktober 2021
im Jahr 2020 für Ihre Mitglieder geleistet
Insolvenzbereich. Über 700 Mal war dabei der Gang zu Gericht nötig. Die Expertinnen und Experten der AK nahmen zu mehr als 170 Gesetzen und Verordnun- gen Stellung und vertraten auch hier die Anliegen der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer – für eine gerechte Arbeitswelt. Im Rahmen der von der AK Vorarlberg koordinierten
Aktion Bildungszuschuss floss fast eine Million Euro an mehr als 700 Arbeitnehmer. Mehr als 47.000 kompetente Beratungen bilanziert der AK-Konsumentenschutz 2020. Durch schriftliche Inter- vention konnten mehr als 1,1 Millionen Euro an finanziellem Erfolg verzeichn et werden.
AK: Sorge um das Wohl der Patienten ÖGK verkommt zum zentralistischen Ver- waltungs-Moloch – AK-Hämmerle: „Unsere Befürchtungen werden traurige Wahrheit.“
FATAL. Was wurde bei der Zu- sammenlegung der Gebiets- krankenkassen zur Österrei- chischen Gesundheitskasse (ÖGK) nicht alles versprochen: schlankere Strukturen, eine Patientenmilliarde und und und. Die tatsächliche Bilanz der Fusion ist dagegen er- nüchternd: „Statt 99 Millionen an Einsparungen bei Perso- nal- und Sachaufwand verur- sachten die neuen zentralen Führungsstrukturen eine Kostensteigerung von 67 Mil- lionen Euro“, kritisiert AK-Prä- sident Hubert Hämmerle. „Die ÖGK entwickelt sich außerdem immer mehr zu einem trägen Verwaltungsmoloch in Wien, so wie wir es von Anfang an be- fürchtet haben.“ Nichts als Überschriften Für Hämmerle ist die ver- sprochene Patientenmilliarde Geschichte: „Aber sie war von Anfang an nicht mehr als eine Überschrift, eine Schlagzeile, halt das bekannte Regierungs- Marketing!“ Das, was wirklich funktio- niert hat, ist die vonTürkis-Blau angepeilte Machtverschiebung in der ÖGK. „Die Arbeitneh- merseite wurde in der Selbst- verwaltung ihrer eigenen Krankenversicherung gezielt geschwächt. Aber das war ja auch der Sinn der Übung“, ist Hämmerle überzeugt. Außer- dem sieht der AK-Präsident durch den wach-
in Wien ein Langzeitproblem für die Versicherten im Ländle. Das neue System sei zu schwer- fällig, ziehe immer mehr Kompetenzen in die Bundes- zentrale ab und könne nicht ausreichend auf lokale Bedürf- nisse reagieren. Das sieht auch ÖGK-Landesstellenleiter Man- fred Brunner so. Verschärft werde dieses Problem durch den Umstand, dass es in der neuen ÖGK keine relevanten Mitbestimmungsmöglichkei- ten der Ländervertreter gebe. Zentralismus in Reinkultur „Es ist kein Zufall, dass jene vier früheren Spitzenbeamten, die die Regierung in Sachen Kassenreform beraten haben, jetzt mit maximaler Macht- fülle ausgestattet an der Spitze derWiener Generaldirektionen der Sozialversicherungsträ- ger sitzen“, stellt der AK-Präsi- dent verärgert fest. In der ÖGK herrsche seit der Fusion ein zentralistischer Führungsstil. Wichtige Ansprechpartner für die Versicherten, für die Ver- tragspartner und die Dienst- geber vor Ort seien entweder abgeschafft oder zu Erfüllungs- gehilfen oft realitätsferner Vor- gaben degradiert worden. „Alle unsere Befürchtun- gen werden nun Realität“, sagt Hämmerle, der die Rückkehr zu einem regionalen Weg for- dert: „Das Beste im Interesse der Versicherten wären die von uns schon vor Jahren vor- geschlagenen Landes-Gesund- heits-Servicezentren mit einer straff organisierten Dachorga- nisation.“ Diese könnten gezielt und schnell auf Erfordernisse im Land reagieren und es wür- de wieder im Land entschie- den, was mit den erwirtschaf- teten Versicherungsbeiträgen passiert.
ANDREAGABRIEL (47), FRÜHER LKW-FAHRERIN
Da ist kaum ein Beruf, den Andrea Gabriel noch nicht ausgeübt hat: Einzelhandelskauffrau war die Göfner Bauerstoch- ter schon, und Lkw-Fahrerin, hat sich später zur Dachdeckerin ausbilden lassen und in einem großen Restaurant das Catering organisiert. „Irgendwann hab ich mich gefragt, ob ich wirklich bis zum Schluss die schweren Männerberufe ausüben will.“ In der Zeit hat sich die Mutter zweier Töchter daran erinnert, wie sehr sie die Pflege ihrer Tante erfüllt hat. Andrea begleitete sie bis zum Tod. Heute schnuppert sie mit 47 Jahren im Sozialzentrum Nenzing. „Wenn du mit Betag- ten arbeitest, wirst du froh um alles, was du hast“, erzählt sie. „Es erfüllt mich total!“ Ein Spiele-Nachmittag trug ihr so viel Dankbarkeit ein. Als sie mit den Bewohnern „die ganzen alten Lieder“ gesungen hat, „war das einfach eine Freude“. Andrea hat ihrenWeg für den Rest ihres Arbeitslebens gefunden. Alles hängt jetzt amGeld. Andrea Gabriel bezieht der- zeit 60 Prozent Arbeitslosenunterstützung. Der erste Ausbildungslehrgang zur Pflegefachassistenz beginnt am 1. April 2022. „Jetzt suchen wir Wege, um die Zeit zu überbrücken und dass sie danach einen der rund 70 Ausbildungsplätze er- gattert“, sagt Reingard Feßler, die besonders beeindruckt, dass Andrea Gabriel sich sehr für Palliativpflege interessiert. Warum? „Die letzten Stunden im Leben eines Menschen sollte man doch so schön wie möglich machen, oder nicht?“
Mit 43 noch die Schulbank drücken? Ja, geht denn das? Es war Judith Peter „immer bewusst, dass es körperlich, psy- chisch und geistig sehr herausfordernd wird“. Aber die 43-jährige Hohenemserin empfindet es auch als „Ehre, in die Welten der Bewohner einsteigen zu dürfen und ihr Ver- trauen geschenkt zu bekommen“. Judith war 20 Jahre lang Kellnerin. Vor sechs Jahrenwechselte sie in den Stockdienst am LKH Feldkirch. „Weil das so bereichernd ist“, wollte sie mehr. Seit einem Jahr lässt sie sich über die Implacement- Stiftung der connexia zur Fach-Sozialbetreuerin für Alten- arbeit ausbildenund sammelt imLustenauer Seniorenheim Schützengarten praktische Erfahrung. Klar: Da sind „diese enorm vielen Dokumentationen, um jeden Schritt abzusi- chern“, die Zeitfenster, an die sie sich halten muss. „Aber dann gibt es diese wunderbarenMomente, wenn gesungen, gelacht, getanzt, gescherzt wird und wenn dir jemand sein Herz ausschüttet.“ KurzumMomente, „diemitWorten nicht zu beschreiben sind, aber so tief gehen, dass sie dich immer wieder spüren lassen: Was für eine wunderbare Arbeit!“ Ihr Beruf macht Judith Peter (er)lebenshungrig. Denn täglich erfährt sie, wie wichtig Biografie-Arbeit ist und so- mit auch, dass im Alter die Vergangenheit ganz viel dazu beiträgt, wie es uns geht. JUDITHPETER (43), FRÜHER INDERGASTRONOMIE
senden Verwal- tungsmoloch
Hämmerle: „Das Beste wären Landes- Gesundheits-Zentren mit einer straffen Dachorganisation.“
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