Standort-Rating 2024 AK Vorarlberg

Zahlen, Daten und Fakten rund um den Arbeitsstandort Vorarlberg

Arbeiterkammer Vorarlberg

Spotlight Fachkräfte

Standort-Rating 20 24

Arbeitsstandort Vorarlberg

3

3

FRÜHE BILDUNG IN VORARLBERG

In den vergangenen Jahren hat sich die Taktzahl der diversen Krisen spürbar erhöht. Energiekrise und Rekordinflation hatten vielfältige Auswirkungen auf den Standort Vorarlberg - besonders aber auf die Menschen, die diesen so besonders machen - und zeigten die Bedeutung der Sozialpartnerschaft sehr deutlich. Daneben gibt es weiterhin strukturelle Herausforderungen wie die steigende Unleistbarkeit im Bereich Wohnen, den Fach- kräftemangel, die speziell durch Personalmangel bedingte Gefährdung der Gesundheitsversorgung oder mangelnde Verteilungsgerechtigkeit. Um den Arbeitsstandort Vorarl­ berg attraktiv und zukunftsfähig zu gestalten und zu halten, ist auch die politische Mitbestimmung der Arbeit­ nehmer:innen notwendig. Als Grundlage braucht es Fakten. Zukunft gemeinsam gestalten.

Vorwort

Seit der ersten Ausgabe des Standort-Ratings 2019 der AK Vorarlberg hat sich vieles verändert – manches zum Besseren, anderes zum Schlechteren. Geblieben sind Ziel- setzung und Perspektive dieser Publikation: Sie soll vor allem Anregung für die Landespolitik sein, den Standort Vorarlberg nicht nur auf die Sicht der Unternehmer:innen zu reduzieren, sondern die arbeitenden Menschen in den Mittelpunkt zu stellen. Denn der Standort Vorarlberg lebt von guten Fachkräften. Das zeigt sich in Zeiten wie diesen, in denen Firmen händeringend nach Personal suchen, mehr als deutlich. Klimakrise, Armutsgefährdung, Fach- kräftemangel oder leistbares Wohnen werden sich allein mit steigenden Exportzahlen und Wirtschaftswachstum nicht bewältigen lassen. Das AK Standort-Rating zeigt Daten und Fakten auf, bietet aber auch Erklärungsansätze für manche brennenden Probleme. So steht der Arbeitskräftemangel in scharfem Gegensatz zur Verteilung der Lohneinkommen und unternehmerischen Gewinnen. Diese sogenannte „Lohnquote“ hinkt im Ländle leider immer noch deutlich hinter anderen Bundesländern her, obwohl hierzulande die Stundenproduktivität absolut top in Österreich ist. Ähnliches zeigt sich beim Thema Wohnen: Vorarl- berg wird zum Land der Mieter:innen, Eigentum ist un- leistbar geworden, die Preise für Grund und Boden haben sich in sieben Jahren mehr als verdoppelt. Aber auch die Mietkosten sind explodiert, dabei ist der gemeinnützige Wohnungsmarkt in Vorarlberg deutlich unterrepräsen- tiert, die meisten arbeitenden Menschen sind damit den Marktpreisen ausgeliefert. Die Folgen: Unsere Arbeits- kräfte sind von den Wohnkosten schwer belastet, und als Arbeitsstandort wird Vorarlberg dadurch zunehmend un- attraktiv.

Aufholbedarf gibt es nach wie vor in den Bereichen Kinderbetreuung, Langzeitarbeitslosigkeit oder Bildung. Noch immer haben mehr als 16 Prozent der Vorarlber- ger:innen maximal einen Pflichtschulabschluss als höchste abgeschlossene Ausbildung. Viel Luft nach oben gibt es auch bei der Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Betreuungs- und Pflegepflichten bzw. andere familiäre Gründe erlauben es Frauen auch weiterhin nur, einer Teilzeitbeschäftigung nachzugehen. Hinzukommt die zunehmende Gefährdung unserer – im internationalen Vergleich so angesehenen – Gesundheitsversorgung: Der enorme Personalbedarf erstreckt sich von den Ärzten und Ärztinnen bis zum Pflegepersonal. Mit dem aktuellen Standort-Rating wollen wir aufzeigen, wo die Hauptakteur:innen des Vorarlberger Wirtschaftserfolgs, nämlich die arbeitenden Menschen, stehen – welchen Anteil am Erfolg sie haben und wie es mit ihrer sozialen Situation ausschaut. Ihre Teilhabe und politische Mitbestimmung ist zentral für den Arbeits- standort Vorarlberg.

Bernhard Heinzle AK Präsident

2

STANDORT–RATING 2024

Einleitung

Es kann wieder richtig gut werden Resilienz des Standorts Vorarlberg

Meldungen aus dem Ländle sind zur Zeit nur schwer mit dem Bild von Vorarlberg als dem Musterschüler Österreichs zu vereinbaren. Vorarlberg ist nicht so robust, wie wir gemeint haben. Das einstige Vorzeigebundesland scheint ins Straucheln gekommen zu sein und hat ernst- hafte Leistungsschwächen vorzuweisen: Lebenshaltungs- kosten und Produktionsbedingungen, Flächenverfügbar- keit, Gesundheitssystem, Bildung – alles mangelhaft. Zuerst Corona, dann die Inflation, gefolgt von Lieferengpässen – sie alle waren ein Stresstest für den Standort Vorarlberg und haben die Sollbruchstellen und politischen Versäumnisse der letzten Jahre deutlich gemacht: →  Corona hat das Gesundheitssystem unter Druck ge- bracht und wir wissen nun, es reicht nicht! Die Krise hat deutlich gezeigt, systemrelevante Berufe sind zu schlecht bezahlt, und es gibt zu wenig Pflegekräfte und Ärzt:innen, um alle mit Gesundheitsleistungen zu ver- sorgen. →  Die Inflation hat gezeigt, wie die Grundversorgung mit Energie, Lebensmitteln und Wohnraum schnell zum Problem wird, wenn die Rahmenbedingungen nicht passen. Die Preisexplosion in allen Lebensbereichen hat deutlich gemacht, wie bedeutsam es für einen starken Standort ist, rasche Eingriffe in die Preise für die Gesamtwirtschaft und die Bevölkerung durchzu- setzen. →  Lieferschwierigkeiten haben große heimische Betriebe, die der Grundstein des Vorarlberger Wirt- schaftsstandorts sind, als Ganzes unter Druck ge- bracht. Resilient waren vor allem eigentümergeführte Unternehmen, die auf die Flexibilität der Belegschaft und flexible Arbeitszeitmodelle setzen konnten auf- grund von jahrzehntelang gelebtem Zusammenhalt in guten und schlechten Zeiten. →  Der Fachkräftemangel hat die großen Schwächen im Ausbildungssystem und bei der Kinderbetreuung zu Tage gebracht sowie auf den immer noch eklatanten Gender-Pay-Gap hingewiesen. Das offenbart Ver- säumnisse in der Bildungspolitik und beim Ausbau der Kinderbetreuung und in der Umsetzung von gu- ten Rahmenbedingungen für eine Teilhabe aller am Arbeitsmarkt.

→  Die jüngst ins Spiel gebrachte Kindergrundsicherung ist nun ein Versuch, ein Heftpflaster auf eine alte Wunde zu kleben. Denn Kinderarmut und Erwerbs­ armut in Vorarlberg sind – wie auch die obigen Probleme – politische Versäumnisse der letzten Jahr- zehnte. Die Wirtschaft ist ebenso wenig wie die Regie- rung in der Lage, die Probleme zu lösen. Damit in Vorarl- berg alles rund läuft, gehört eine Menge dazu, vor allem Rahmenbedingungen, die die Politik schaffen kann. Wenn sie das nicht tut, dann merkt das die Bevölkerung in guten Zeiten kaum, aber in schlechten kommen die Bruchstellen zu Tage und das Land schlittert von einer Krise in die nächste. Nun wären wir nicht die Arbeiterkammer, wenn wir es bei der Diagnose der schwierigen Standortbedingungen beließen. Wir haben selbstverständlich nach Lösungen gesucht – und diese mit Forderungen im Innenteil dieser Ausgabe des Standort-Ratings 2024 untermauert. Ich würde mir wünschen, dass die Regierungs­ parteien mehr auf die Forderungen der Arbeitnehmer:in- nen und Sozialpartner hören. Denn die Erfolge von gestern sind durch den großen Einsatz der Arbeitnehmer:innen im Lande entstanden und werden auch im Zukunfts­ konzept eine Rolle spielen. Wer Vorarlberg und Österreich wieder bei den Ersten sehen will und im Superwahljahr 2024 um Stimmen der Bevölkerung rittert, für den lohnt es sich, die Arbeitnehmerinteressen wieder verstärkt ins Visier zu nehmen.

Eva King AK Direktorin

VORWORT/EINLEITUNG

3

Inhalt

STANDORT–RATING 2024

1 2 3 4 5 6 7

Executive Summary Indikatoren-Dashboard

7

10 12

Daten und Methode

Spotlight 2024

15 16

Spotlight 2024: Fachkräfte

Themenfeld Arbeit

33 34 42 48

Einkommen

Arbeitsbedingungen

Arbeitsmarkt

Themenfeld Leben

55 56 62 68

Wohnen

Familie & Beruf

Demografie

Themenfeld Sozialleistungen

75 76 82 90

Erstausbildung

Gesundheit & Pflege Soziale Absicherung

Themenfeld Zukunft

97 98

Digitalisierung Qualifizierung Umwelt & Klima

104 108

Forderungen der AK Vorarlberg

113

Abbildungsverzeichnis Tabellenverzeichnis Literaturverzeichnis

120 123 124

INHALTSVERZEICHNIS

5

1

STANDORT–RATING 2024

Executive Summary

Executive Summary

7

Executive Summary

Das ist die vierte Ausgabe des Standort-Ratings der Arbeiter­ kammer Vorarlberg. Einiges hat sich seit der ersten Publika- tion Anfang 2019 getan, manches zum Besseren, manches zum Schlechteren entwickelt. Die Corona-Pandemie hat ihre Spuren hinterlassen – Energiekrise, Rekordinflation und Arbeitskräfteknappheit sind dazugekommen. Zielsetzung und Perspektive dieser Publikation sind dieselben geblieben.

Der Wirtschaftsstandort Vorarlberg lebt von guten Fachkräften, das wird in Debatten um die Qualität des Standorts leider oft vergessen. Herausforderungen wie Klimakrise, Arbeitslosigkeit und Armutsgefährdung, Fachkräftebedarf oder kaum verfügbares leistbares Wohnen werden sich mit steigenden Exportzahlen und Wirtschaftswachstum alleine nicht bewältigen lassen. Die Perspektive muss um soziale Komponenten erweitert und die wahren Leistungsträger:innen müssen in den Mittelpunkt der Debatte gestellt werden – die Vorarlberger Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen. Welche Probleme gilt es zu lösen, um die Qualität des Arbeitsstandorts Vor- arlberg für sie zu verbessern? Im vorliegenden Bericht sollen daher Kennzahlen für und aus dem Blickwinkel von Arbeitnehmer:innen präsentiert werden, welche die Arbeit, das Leben, die angebotenen Leistungen und Zukunftsperspektiven in Vorarlberg vermessen. Etwaige Verbesserungen oder Verschlechterungen können dadurch identifiziert und die Aufmerksamkeit kann frühzeitig auf diese Trends gelenkt werden. Dazu wurden die wichtigsten Themen- felder identifiziert (Arbeit, Leben, Sozialleistungen, Zu- kunft) und in jeweils drei Unterpunkte eingeteilt. Jeder der Unterpunkte wurde anhand eines Schlüsselindikators und weiterer Kontextindikatoren vermessen. Die zentralen Ergebnisse stellen die Werte der Schlüsselindikatoren dar, sie werden im Indikatoren- Dashboard auf den Seiten 10 und 11 zusammengefasst und im Bundesländervergleich per Netzgrafik darge- stellt. Auf Seite 12 findet sich eine Erklärung zu Daten und Methode.

8

STANDORT–RATING 2024

Die wichtigsten Erkenntnisse des Standort- Ratings 2024 – Arbeitsstandort Vorarlberg

dem Österreichdurchschnitt von knapp 24 Prozent und an letzter Stelle im Bundesländervergleich. Der Rest der Mieter:innen ist den Marktpreisen ausgeliefert, die in den letzten elf Jahren explodiert sind. Die durchschnittlichen Häuser- (+91 Prozent) und Wohnungspreise (+81 Prozent) sind in den letzten sieben Jahren (2015–2022) in keinem anderen Bundesland so stark gestiegen wie in Vorarlberg. Mietpreise sind nur in Salzburg höher und sowohl laut Erhebungen der Statistik Austria als auch laut unserer AK Wohnumfrage 2023 sind 20 bis 35 Prozent aller Haus- halte durch die Wohnkosten stark belastet. Mehr als ein Drittel der Befragten (n=2.000) gab an, sich die aktuelle Teuerung nicht oder nicht mehr lange leisten zu können. Nur 49,9 Prozent der betreuten Kinder sind in einer Einrichtung, die es den Eltern erlaubt, einer Vollzeit­ beschäftigung nachzugehen. Das ist zwar eine Verbesse- rung gegenüber dem Jahr 2016 um mehr als 15 Prozent- punkte, bedeutet aber immer noch den erst vierten Platz im Bundesländervergleich. Die Konsequenz ist, dass die Gründe für Frauen, einer Teilzeitbeschäftigung nachzu- gehen, weiterhin bei fast 43 Prozent Betreuungs- oder Pflegepflichten und bei über 6 Prozent andere persön- liche oder familiäre Gründe sind. Wenig überraschend also haben 69 Prozent der teilzeitbeschäftigten Frauen ein Kind, während es bei vollzeitbeschäftigten Frauen nur 35 Prozent sind. Die Erhöhung der Frauenerwerbs- tätigkeit, vor allem in Vollzeitbeschäftigungen, würde in besseren Einkommensverläufen resultieren und vor Prekarität und Altersarmut schützen. Eine nachhaltige Arbeitsmarktintegration von Frauen, Älteren und Zuwan- der:innen ist für den Sozialstaat und damit für den Wohl- stand von zentraler Bedeutung. Im Jahr 2022 hatten immer noch 16,3 Prozent der Vorarlberger:innen im erwerbsfähigen Alter maximal einen Pflichtschulabschluss als höchste abgeschlossene Ausbildung. Im Vergleich zu 2017 entspricht das einer Ver- besserung von mehr als einem Prozentpunkt. Das ist der zweithöchste Anteil im Bundesländervergleich und eine ernstzunehme Herausforderung für die steigenden An- sprüche am Arbeitsmarkt. Hochtechnologie und Digitali- sierung erfordern lebenslanges Lernen und benötigen ein durchlässiges Bildungssystem, das den Weg von Lehre bis Studium ermöglicht. Gleichzeitig ist der Anteil der Lehr- linge in „Lehre mit Matura“ in Vorarlberg mit 4,1 Prozent nach wie vor der niedrigste in Österreich. Nur 2,4 Prozent der unselbstständig Erwerbstätigen mit maximal Pflicht- schulabschluss haben im Jahr 2020 an einer beruflichen Aus- und Weiterbildungsmaßnahme teilgenommen.

Arbeitslosigkeit, Konjunkturschwankungen und Fach- kräftemangel zur selben Zeit? Im diesjährigen Spotlight werden die Herausforderungen für den Vorarlberger Arbeitsmarkt im Kontext von Digitalisierung, demografi- schem Wandel und sozial-ökologischer Transformation behandelt. Der Anteil von Personen über 64 Jahren wird laut Prognose von 18 Prozent im Jahr 2023 auf 28 Prozent im Jahr 2070 steigen, und bereits 2030 wird es mehr über 65-Jährige als unter 19-Jährige geben. Gleichzeitig haben sich seit 2008 die offenen Stellen in den besonders nach- gefragten Berufen um das Drei- bis Siebenfache vermehrt und offene Stellen brauchen länger, um besetzt zu werden. Die Arbeitslosenquote ist im Bundesländervergleich an vierter Stelle mit 5,2 Prozent im Jahr 2023 und die Lang- zeitbeschäftigungslosigkeit nimmt ab. Hier kann noch einiges an Beschäftigungspotenzial erschlossen werden. Das wird vor allem bei den unterdurchschnittlichen Er- werbsquoten der Frauen und der älteren Männer im Bun- desvergleich deutlich. Hier kann bei den Frauen, die in Vorarlberg zu 54 Prozent in Teilzeit beschäftigt sind, und bei den älteren Arbeitnehmer:innen (z. B.: Erwerbsquote von 82 Prozent der 55- bis 59-jährigen Männer in Vorarl- berg versus 88 Prozent im Österreichdurchschnitt) noch Potenzial erschlossen werden. Die Teilnahme an formaler Weiterbildung (7 Prozent im Jahresdurchschnitt 2022) ist jedoch im Bundesländervergleich die niedrigste, und die Lehrlinge im ersten Lehrjahr sind seit Jahren rückläufig (minus 10 Prozent im Vergleich zu 2014). In Vorarlberg ist die Verteilung von Lohneinkom- men und unternehmerischen Gewinnen (Lohnquote) un- gleicher als in anderen Bundesländern verteilt. Im Jahr 2021 waren es etwa 44 Cent pro erwirtschaftetem Euro (2015 waren es 43 Cent, 2020 kurzfristig sogar 47 Cent), die in Lohneinkommen fließen, aber im Vergleich dazu: In der Steiermark sind es knapp über 52 Cent, im Österreich- durchschnitt 50 Cent. In Anbetracht der herausragenden Stundenproduktivität (1. Platz im Bundesländervergleich) des Wirtschaftsstandorts Vorarlberg von durchschnitt- lich knapp 64 Euro realem Bruttoregionalprodukt pro Stunde haben sich die Beschäftigten einen fairen Anteil am Wachstum verdient. Stattdessen sind die Arbeitneh- mer:innen in Vorarlberg mit unterdurchschnittlichen Reallohnzuwächsen und dem höchsten Gender-Pay-Gap im Bundesländervergleich konfrontiert. Der öffentliche oder auch gemeinnützige Woh- nungsmarkt, bestehend aus Gemeindewohnungen und Genossenschaftswohnungen, macht in Vorarlberg nur knapp 13 Prozent aus und liegt damit deutlich unter

Executive Summary

9

Indikatoren-Dashboard Arbeit

Leben

Einkommen

Demografie

Arbeitsbedingungen

Arbeitsmarkt

Wohnen

Familie & Beruf

Rang Vorarlbergs im Bundesländervergleich

Einkommen Die (Brutto-)Lohnquote (Arbeitnehmer:innenentgelt pro BRP-Einheit) lag 2021 bei 44 Prozent und damit bundes- weit an letzter Stelle. Sie hat sich im Vergleich zu 2015 um einen Prozentpunkt erhöht und ist jetzt etwa auf dem­ selben Niveau wie vor zwanzig Jahren. Arbeitsbedingungen Von allen geleisteten Überstunden in Vorarlberg sind im Jahr 2022 über ein Viertel (25,6 Prozent) unbezahlt. Das entspricht dem sechsten Platz im Bundesländervergleich. Arbeitsmarkt Die Erwerbsquote der 15- bis 64-jährigen war im Bundes­ ländervergleich im Jahr 2023 mit 74,5 Prozent die dritt- niedrigste hinter Niederösterreich und Burgenland. Das entspricht einem Wachstum von knapp drei Prozent- punkten seit 2015.

Demografie In Vorarlberg kommen im Jahr 2022 29,8 Personen in der Gruppe 65 Jahre und älter auf 100 Personen im Alter von 20 bis 64 Jahren. Das ist nach wie vor der zweitniedrigste Wert aller Bundesländer. Familie & Beruf Der Anteil der betreuten Kinder in VIF-konformer Betreuung (0- bis 5-Jährige) lag 2023 in Vorarlberg bei 49,9 Prozent. Bundesweit ist dies der vierte Platz. Im Jahr 2018 waren es erst 34 Prozent, das entspricht einem Wachstum von über 15 Prozentpunkten. Wohnen Die durchschnittliche Bruttomiete betrug in Vorarlberg im Jahr 2022 inklusive Betriebskosten 10,2€ pro Qua­ dratmeter (2017: 8,8€). Im Österreich-Vergleich ist das der zweithöchste Wert. Der Österreich-Durchschnitt liegt bei 8,7€. Die Häuserpreise in Vorarlberg sind mehr als doppelt so hoch wie im Österreich-Durchschnitt.

Sorgenkind-Indikator Langzeitbeschäftigungslosigkeit

Sorgenkind-Indikator Leistbares Wohnen

Der Arbeitsmarkt hat sich 2021 und 2022 grundsätzlich gut erholt, die Arbeitslosenzahlen sind stark gesunken und Betriebe suchen händeringend nach Arbeitskräften. Der Anteil der Langzeitbeschäftigungslosen an den arbeitslosen Personen in Vorarlberg liegt im Jänner 2024 immer noch bei 15,5 Prozent, wie zuletzt im Jahr 2018.

Die durchschnittlichen Häuser- (+91 Prozent) und Wohnungspreise (+81 Prozent) sind in den letzten sieben Jahren (2015–2022) in keinem anderen Bundesland so stark gestiegen wie in Vorarlberg. Mietpreise sind nur in Salzburg höher, und der Anteil von Gemeinde- und Genossenschaftswohnungen an allen Hauptwohnsitzen ist in keinem Bundesland geringer als in Vorarlberg.

10

STANDORT–RATING 2024

Leistungen

Zukunft

Erstausbildung

Umwelt & Klima

Soziale Absicherung

Gesundheit & Pflege

Digitalisierung

Qualifizierung

Erstausbildung Der Anteil der Personen zwischen 25 und 64 Jahren, die maximal über einen Pflichtschulabschluss verfügen, betrug im Jahr 2022 immer noch 16,3 Prozent. Dies ist weiterhin österreichweit der zweithöchste Wert. Aller- dings waren es im Jahr 2017 noch 18,6 Prozent. Gesundheit & Pflege Im Jahr 2021 betrug die Lebenserwartung bei Geburt durchschnittlich 82,7 Jahre, der zweitbeste Wert im Bundesländervergleich. Ausgehend von 83,3 im Jahr 2019 ist das ein Rückgang, der hauptsächlich der Pandemie geschuldet ist. Soziale Absicherung Im Jahr 2022 waren rund 22 Prozent der Bevölkerung Vorarlbergs laut Eurostat von Armut oder sozialer Aus- grenzung bedroht, weiterhin Platz 8 im Bundesländer­ vergleich. Im Vergleich zu 2016 ist dies ein leichter Rück- gang.

Umwelt & Klima Die Pro-Kopf-Treibhausgasemissionen betrugen 2021 in Vorarlberg 5,1 Tonnen CO 2 -Äquivalent pro Einwohner:in. Dies ist der zweitniedrigste Wert aller Bundesländer und ein Rückgang verglichen mit den 5,3 Tonnen im Jahr 2019. Digitalisierung Der Anteil der Bevölkerung im Alter zwischen 25 und 64 Jahren mit einem Abschluss im IKT-Bereich lag im Jahr 2021 bei nur 0,5 Prozent. Das ist gemeinsam mit Tirol und Salzburg der letzte Platz. Der Anteil der Beschäftigung im Bereich der wissensintensiven Dienstleistungen war 2022 mit 33 Prozent immer noch der niedrigste. Qualifizierung Im Jahr 2020 haben nur 2,4 Prozent der unselbstständig Erwerbstätigen mit maximal Pflichtschulabschluss an einer beruflichen Aus- und Weiterbildungsmaßnahme teilgenommen. Das ist der vierte Platz im Bundesländer- vergleich. Ein Rückgang ist im ersten Corona-Jahr in allen Bundesländern erkennbar.

Sorgenkind-Indikator Lehre mit Matura

Sorgenkind-Indikator Heimarbeit bzw. „Homeoffice“

Der Anteil der Lehrlinge in „Lehre mit Matura“ ist in Vor- arlberg mit 4,1 Prozent nach wie vor der niedrigste in Österreich. Der Österreich-Schnitt liegt bei 10 Prozent; in Salzburg waren es 2021 knapp 18 Prozent.

Der Anteil der unselbstständig Beschäftigten mit Möglich- keit zur Heimarbeit ist zwar durch die Corona-Krise im Jahr 2022 auf über 20 Prozent gestiegen, ist aber immer noch der drittniedrigste Wert im Bundesländervergleich. Die Verbreitung unterscheidet sich zusätzlich sehr stark nach höchstem Bildungsabschluss.

Executive Summary

11

Daten und Methode

Pro Themenfeld werden drei Unterpunkte diskutiert, die jeweils durch einen Schlüsselindikator und weitere Kontextindikatoren vermessen werden. Dabei gibt es Unterschiede in den Anforderungen an die Indikatoren. Bei der Wahl der Schlüsselindikatoren wurde nach Möglichkeit darauf geachtet, Zahlen zu verwenden, die regelmäßig und zugänglich durch eine offizielle Quelle publiziert werden, um eine transparente Analyse und in weiterer Folge eine kontinuierliche Betrachtung der Ent- wicklung zu gewährleisten. Eine weitere Anforderung ist die Aussagekraft und Signifikanz der Daten auf regiona- ler Ebene (ausreichende Stichprobengröße & Sampling). Durch ergänzende Kontextindikatoren, nach Verfügbar- keit und Relevanz für die jeweils aktuelle Ausgabe des Standort-Ratings ausgewählt, können die Unterpunkte in größerem Detail untersucht und gezielte Interpretationen sowie Forderungen empirisch untermauert werden. Indikatoren-Dashboard Die Bewertung der Schlüsselindikatoren findet anhand eines Netzdiagramms im Indikatoren-Dashboard statt, wobei die Platzierung im Bundesländervergleich als Ergebnis herangezogen wird. Dabei ist je nach politisch oder ökonomisch gewünschter Zielgröße des Indikators

mal der höchste Wert auf Platz eins, während in manchen Fällen der niedrigste Wert das beste Ergebnis darstellt. Die Netzgrafik eines Themenfeldes bildet ein Dreieck, wobei sich die Ergebnisse der Unterpunkte in der jewei- ligen Ecke zwischen dem inneren Punkt (Platz 1) und der äußersten Ecke (Platz 9) bewegen können. Je kleiner das so gebildete Dreieck, umso besser ist das Ergebnis. Vergleichbarkeit mit vorherigen Ausgaben Das Indikatoren-Dashboard dient nicht nur dem Bundes- ländervergleich, sondern soll auch wie in den vorherigen Ausgaben des Standort-Ratings eine Darstellung der Ent- wicklung der Schlüsselindikatoren über die Zeit ermög- lichen. Seit der ersten Ausgabe 2019 ist in der Ausgabe 2022 ein weiteres Themenfeld (Zukunft) dazugekommen und zwei Unterkapitel haben sich geändert. Im Jahr 2023 blieb die Struktur erhalten, aber in der aktuellen Ausgabe 2024 ist es aufgrund von Zeitreihenbrüchen, angepass- ten Unterkapiteln und neuen Schlüsselindikatoren nicht sinnvoll, einen Vergleich der Netzgrafiken mit vorheri- gen Ausgaben vorzunehmen. Ein Mix aus Querschnitts­ analysen und Zeitreihen erlaubt dennoch einen Einblick in die Entwicklung der wichtigsten Indikatoren der jewei- ligen Themenfelder.

Themenfeld Arbeit

Schlüsselindikatoren

Definition/Berechnung

Datenquelle

Arbeitnehmer:innenentgelt in Euro je BRP-Einheit („Brutto-Lohnquote“)

Statistik Austria, VGR

Arbeitnehmer:innenentgelt je BRP-Einheit

Anteil der unbezahlten Überstunden an den geleisteten Überstunden (Arbeits- volumen unbezahlter Überstunden / Arbeitsvolumen aller Überstunden) Anteil der unselbstständig und selbst- ständig Beschäftigten und der Arbeitslosen (auf Registerdatenbasis; 15 - 64 Jahre) an der Wohnbevölkerung (15 - 64 Jahre)

Statistik Austria, Mikrozensus

unbezahlte Überstunden

Arbeitsmarkt­ informationssystem (amis)

Erwerbsquote

12

STANDORT–RATING 2024

Themenfeld Leben

Schlüsselindikatoren

Definition/Berechnung

Datenquelle

durchschnittliche monatliche Bruttomiete inkl. Betriebskosten pro m² in Euro

Mietkosten

Statistik Austria

betreute Kinder (0- bis 5-Jährige) in VIF-konformen Einrichtungen im Verhältnis zu allen betreuten Kindern

Kinderbetreuung VIF-konform

Statistik Austria

Zahl der Menschen im Alter ab 65 im Verhältnis zur Zahl der Menschen im Alter von 20 bis 64 ergibt die sogenannte Altenquote bzw. demografische Abhängigkeitsquote

demografische Abhängigkeitsquote

Statistik Austria

Themenfeld Sozialleistungen

Definition/Berechnung

Schlüsselindikatoren

Datenquelle

Bevölkerung nach Bildungsabschluss; Bereiche (primär, sekundär und tertiär) in % der 25- bis 64-Jährigen

Eurostat ([edat_lfse_04])

Bildungsabschluss

Lebenserwartung nach Alter, Geschlecht und NUTS-2-Regionen

Eurostat [demo_r_mlifexp]

Lebenserwartung

von Armut oder sozialer Ausgrenzung bedrohte Bevölkerung (in % der Gesamtbevölkerung)

Eurostat [ilc_peps11n__custom_9471824]

Armutsgefährdung

Themenfeld Zukunft

Schlüsselindikatoren

Definition/Berechnung

Datenquelle

höchste abgeschlossene Ausbildung im IKT-Bereich

Statistik Austria, Bildungsstandregister

Digitalisierung

Teilnahme an beruflichen Aus- und Weiter­ bildungsmaßnahmen nach Bildungsabschluss

Statistik Austria, Mikrozensus

Qualifizierung

Pro-Kopf-Treibhausgas-Emissionen (Tonnen CO 2 -Äq./Einwohner:in)

Umweltbundesamt

Umwelt & Klima

Executive Summary

13

2

STANDORT–RATING 2024

Spotlight Fachkräfte

SPOTLIGHT 2024

Spotlight 2024: Fachkräfte – Herausforderungen für den Arbeitsmarkt Vorarlberg

Arbeitslosigkeit, Konjunkturschwankungen und Fachkräfte- mangel zur selben Zeit? Was steckt hinter den anhaltenden Rufen nach Fachkräften und dem oft betonten Mangel an solchen? Im diesjährigen Spotlight werden die Heraus- forderungen für den Vorarlberger Arbeitsmarkt im Kontext von Digitalisierung, demografischem Wandel und sozial- ökologischer Transformation behandelt. Wir präsentieren Zahlen, vermessen die Herausforderungen und schaffen damit die Basis für informierte Diskussion und evidenz­ basierte Lösungen. Vorarlberg altert stärker, als es wächst – worauf können wir uns einstellen? Wie hat sich die Nachfrage nach Arbeitskräften entwickelt, was sind die Anforderungen, und kann der Bedarf gedeckt werden? Welches Angebot an Erwerbstätigen und Arbeitslosen steht dem gegenüber, und gibt es Potenziale, die Erwerbsbeteiligung auszuweiten? Werden die Vorarl- berger:innen für die sich immer schneller ändernden Anfor- derungen ausgebildet? Wie groß sind die Bereitschaft und Teilnahme an Qualifizierungsmaßnahmen, und zahlen sich all diese Anforderungen und Bemühungen für die Arbeitneh- mer:innen aus?

16

STANDORT–RATING 2024

Abbildung 2.1: Altersverteilung der Bevölkerung in Vorarlberg in Prozent, 1960-2070

O–19 Jahre 2O–64 Jahre 65 und mehr Jahre

100 %

9 %

9 %

11 %

11 %

12 %

90 %

18 %

18 %

22 %

27 %

28 %

80 %

70 %

54 %

56 %

55 %

61 %

60 %

61 %

61 %

60 %

57 %

53 %

51 %

50 %

40 %

30 %

37 %

36 %

35 %

28 %

20 %

26 %

21 %

1960

21 %

21 %

20 %

20 %

10 %

0 %

1960

1970

1980

1990

2000

2020

2023

2030

2050

2070

Quelle: Statistik Austria, Bevölkerungsprognose 2023, eigene Berechnungen

Demografischer Wandel

Vorarlberg altert stärker, als es wächst. Bereits 2030 wird es mehr über 65-Jährige als unter 19-Jährige geben. Die Bevöl- kerungsprognose der Statistik Austria schätzt, dass der An- teil von Personen im (aktuell) erwerbsfähigen Alter (20 – 64) an der Bevölkerung einen Rückgang von 60 Prozent im Jahr 2023 auf 51 Prozent im Jahr 2070 erfahren wird. Der An- teil der Personen im Alter von 0 bis 19 Jahren stagniert bei etwa 20 Prozent. Der Anteil von Personen über 64 Jahren wird laut Prognose von 18 Prozent im Jahr 2023 auf 28 Pro- zent im Jahr 2070 steigen. Im Jahr 2023 gibt es in Vorarlberg 246.667 Perso- nen zwischen 20 und 64 Jahren, im Jahr 2070 239.294 Personen. 74.810 Personen sind 2023 in Vorarlberg älter als 64 Jahre, und bis 2070 sollen das 132.818 Personen sein.

Fest steht, dass diese Herausforderungen auch Chancen für Verbesserungen für ein gutes Leben für alle dar- stellen. Mit attraktiven Arbeitsbedingungen können wir ältere Arbeitnehmer:innen gesund und in Beschäftigung halten, hier muss vor allem in den sogenannten system- relevanten Berufen noch viel verbessert werden. Ein Sozi- alstaat, der nicht nur auffängt, sondern durch flächen- deckende Elementarpädagogik, Kinderbetreuung und Pflege-Infrastruktur unterstützt und ermutigt, könnte enorme Erwerbspotenziale erschließen. Eine bedarfs- gerechte Aus- und Weiterbildung könnte es allen Arbeit- nehmer:innen ermöglichen, die Qualifizierungsanforde- rungen der Zukunft als Chance zu sehen.

Spotlight Fachkräfte

17

Tabelle 2.1: Bevölkerungsentwicklung nach Altersgruppen in Vorarlberg absolut und relativ, ab 1960, mit Prognose bis 2070

absolut

in %

Jahr

0-19 Jahre

0-19 Jahre

20-64 Jahre

65 und mehr Jahre

gesamt

20-64 Jahre

65 und mehr Jahre

1960

79.550

124.411

19.356

223.317

36 %

56 %

9 %

1970

101.087

146.413

25.310

272.810

37 %

54 %

9 %

1980

105.207

166.070

32.437

303.714

35 %

55 %

11 %

1990

93.040

198.575

34.979

326.594

28 %

61 %

11 %

2000

92.188

214.369

42.700

349.257

26 %

61 %

12 %

2020

85.068

242.870

70.505

398.443

21 %

61 %

18 %

2023

86.265

246.667

74.810

407.742

21 %

60 %

18 %

2030

87.522

242.760

92.132

422.414

21 %

57 %

22 %

2050

90.527

239.762

123.338

453.627

20 %

53 %

27 %

2070

94.454

239.294

132.818

466.566

20 %

51 %

28 %

Quelle: Statistik Austria, Bevölkerungsprognose 2023, eigene Berechnungen

18

STANDORT–RATING 2024

Abbildung 2.2: Bestand an offenen Stellen im Jahresdurchschnitt für Berufsobergruppen mit hoher Nachfrage in Vorarlberg, 2008-2023

Handel Gesundheit Bau

Fremdenverkehr Techniker:innen Lehr-/Kulturberufe

Metall-Elektroberufe Hilfsberufe

Büroberufe Verkehr

1.000

900

800

700

600

500

400

300

200

100

0

2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017 2018 2019 2020 2021 2022 2023

Quelle: Statistik Austria

Offene Stellen

Das Arbeitsmarktinformationssystem des AMS erlaubt einen Einblick in die Entwicklung der offenen Stellen, die beim AMS gemeldet sind. In Abbildung 2.2 ist gut zu erken- nen, wie sich die Nachfrage nach einzelnen Berufsober- gruppen seit 2008 entwickelt hat. Die offenen Stellen im Jahresdurchschnitt haben sich demnach z. B. im Handel mehr als verfünffacht, im Fremdenverkehr verdreifacht,

bei den Büroberufen fast verfünffacht und bei der in Vor- arlberg der größten Branche zuordenbaren Berufsgruppe, den Metall-Elektroberufen, ebenfalls verdoppelt. Beson- ders imposant ist der Anstieg bei den Gesundheitsberufen auf das Siebenfache und bei den Lehr-/Kulturberufen um das über Neunfache.

Spotlight Fachkräfte

19

Abbildung 2.3: Abgeschlossene Laufzeit von offenen Stellen in Tagen für Berufsobergruppen mit größter Nachfrage in Vorarlberg, im Bundesvergleich, 2008-2023

Vorarlberg

2008 – 2022 2023

100

88

90

81

80

70

62

59

60

53

50

42

40

35

30

30

30

20

16

10

0

Handel

Fremdenverkehr

Büroberufe

Gesundheit

Metall- Elektroberufe

Was bedeutet dieser Anstieg für die Laufzeit 1 von offenen Stellen – also die Dauer zwischen Zugang und Abgang einer offenen Stelle? Abbildung 2.3 veranschaulicht die Dauer in Tagen für die fünf Berufsgruppen mit der größ- ten Nachfrage in Vorarlberg. Demnach betrug die soge- nannte „abgeschlossene Laufzeit“ einer offenen Stelle im Handel in Vorarlberg im Jahr 2008 noch 30 Tage und im Jahr 2023 durchschnittlich 81 Tage. Im Österreichdurch- schnitt liegt dieser Wert im Jahr 2023 bei 77 Tagen.

1 Definition „abgeschlossene Laufzeit“: Die abgeschlossene Laufzeit einer offenen Stelle wird in Tagen angegeben und ist jene Zeitspanne, die zwischen dem gewünschten Eintrittsdatum und dem Abgangszeitpunkt einer offenen Stelle liegt. Sie kann somit nur für Abgänge offener Stellen ermittelt werden. Quelle: Amis - Arbeitsmarktinformationssystem

20

STANDORT–RATING 2024

Österreich

2008 – 2022 2023

100

93

93

90

77

80

67

70

60

56

54

48

50

38

40

30

30

25

20

10

0

Handel

Fremdenverkehr

Büroberufe

Gesundheit

Metall- Elektroberufe

Quelle: Amis; AMS-Daten, eigene Berechnungen

Spotlight Fachkräfte

21

Abbildung 2.4: Stellenandrang nach Ausbildung in Vorarlberg im Jahresdurchschnitt 2023

Verhältnis (Stellenandrangsziffer)

Vorgemerkte Arbeitslose ohne Einstellzusage nach Ausbildung Bestand an offenen sofort verfügbaren Stellen nach Ausbildung

0

0,5

1,0

1,5

2,0

2,5

3,0

3,5

4,0

3.648

Pflichtschul- ausbildung

2,0

1.816

2.483

Lehrausbildung

1,3

1.844

408

mittlere Ausbildung

1,8

232

567

höhere Ausbildung

2,2

256

411

akademische Ausbildung

1,7

240

89

ungeklärt

0

0

500

1.000

1.500

2.000

2.500

3.000

3.500

4.000

Quelle: AMS-Vorarlberg-Daten, eigene Berechnungen

Was steht den offenen Stellen, die die Nachfrage darstel- len, an Arbeitslosen, die das Angebot darstellen, gegen- über? Abbildung 2.4 gibt einen Einblick in den Stellen- andrang in Vorarlberg im Jahresdurchschnitt 2023. Eine differenzierte Betrachtung erlaubt die Unterscheidung von Stellen und Arbeitslosen nach Ausbildung. Demnach standen im Jahresdurchschnitt 2023 in Vorarlberg zum Beispiel 2.483 Arbeitslose mit einer Lehrausbildung 1.844 offenen Stellen mit der Anforderung Lehrausbildung ge- genüber – das entspricht einer Stellenandrangsziffer von 1,3. Einfach gesagt: Auf eine offene Stelle kommen 1,3 Arbeitslose. Für Arbeitslose und offene Stellen mit Aus- bildung Pflichtschulausbildung ergibt das einen Stellen- andrang von 2,0 und für höhere Ausbildung 2.2. Über alle Qualifikationsniveaus hinweg gab es im Jahresdurchschnitt 2023 also mehr Arbeitslose als offene Stellen am Arbeitsmarkt.

Sieht man noch genauer in die Daten, zeigt sich bei den fünf am meisten nachgefragten Berufsgruppen ein anderes Bild und die Bedeutung von spezifischen Qualifi- kationen gegenüber formalen Abschlüssen wird deutlich. Abbildung 2.5 zeigt zum Beispiel eine andere Relation als noch der Vorarlbergdurchschnitt in Abbildung 2.4, und zwar bei den Berufsgruppen Hotel- und Gaststättenberufe sowie Köch:innen und Küchengehilf:innen. Hier kommen 0,5–0,7 Arbeitslose mit maximal Pflichtschulabschluss auf eine offene Stelle und 0,3–0,4 Arbeitslose mit Lehr- ausbildung auf eine offene Stelle. Bei den Techniker:innen standen im Jahresdurch- schnitt 2023 in Vorarlberg 13 Arbeitslose mit mittlerer Ausbildung 141 offenen Stellen (mit Anforderung mittle- rer Ausbildung) gegenüber. Gleichzeitig gab es 69 Arbeits- lose mit Lehrausbildung und 46 mit Pflichtschulausbil- dung mit diesem Berufswunsch, die das Potenzial für Aus- und Weiterbildung aufzeigen.

22

STANDORT–RATING 2024

Abbildung 2.5: Stellenandrang nach Ausbildung für die Berufsgruppen mit den meisten offenen Stellen in Vorarlberg, Jahresdurchschnitt 2023

Pflichtschulausbildung Lehrausbildung

mittlere Ausbildung höhere Ausbildung

akademische Ausbildung

347

273

337

243

40 – Händler:innen, Ein- und Verkäufer:innen

37

1

32

6

13

1

129

271

75

187

51 – Hotel- und Gastronomieberufe anderer Art

14

9

22

15

7

1

158

208

58

166

52 – Köch:innen, Küchenge- hilf:innen

6

0

6

1

3

0

20

10

69

30

64 – Techniker:innen, soweit nicht ander- weitig eingeordnet

13

141

34

14

35

51

46

4

Balken oben: vorgemerkte Arbeitslose ohne Einstellungszusage nach Ausbildung

49

81

80 – Gesund- heitsberufe

37

4

27

48

Balken unten (schraffiert): Bestand an offenen sofort verfügbaren Stellen nach Ausbildung

21

61

0

50

100

150

200

250

300

350

400

Quelle: AMS-Vorarlberg-Daten, eigene Berechnungen

Spotlight Fachkräfte

23

Abbildung 2.6: Arbeitslosigkeit absolut und Anteil der Langzeitbeschäftigungslosigkeit in Vorarlberg, 2017-2024

Anzahl Arbeitslose in Vorarlberg Anteil Langzeitbeschäftigungslose

19.000

35 %

17.000

30 %

15.000

25 %

13.000

20 %

11.000

15 %

9.000

10 %

7.000

5 %

5.000

01/17

01/18

01/19

01/20

01/21

01/22

01/23

01/24

Quelle: Amis, AMS-Daten; AMS-Vorarlberg-Daten; eigene Berechnungen Anmerkung: Arbeitslosigkeit an der linken Skala, Anteil der LZBL an der rechten Skala abzulesen

Arbeitslosigkeit

Nachdem der Arbeitsmarkt während der Hochphase der Corona-Krise gebeutelt wurde, hat er sich mit Ende des Jahres 2022 erholt und die Anzahl der als arbeitslos gemeldeten Personen erreichte einen Tiefstand, obwohl besonders der Wert im November – saisonal bedingt – oft über dem Schnitt liegt. Auch die Unternehmen reden zu- nehmend von einer Arbeitskräfteknappheit. Das wirt- schaftlich eher gedämpfte Jahr 2023 macht sich jedoch in bereits wieder gestiegenen Arbeitslosenzahlen bemerk- bar. Diese haben sich jedoch auf dem Vorkrisenniveau eingependelt und reagieren nicht so stark wie erwartet auf die konjunkturelle Schwäche.

Klammert man die Krisenjahre 2020 und 2021 aus, ergibt sich ein sehr stabiles Bild von etwa 9.500 Arbeits- losen und einer (Register-)Arbeitslosenquote von 5,3 Pro- zent im Durchschnitt des Zeitraums 2017 bis 2023. Abbildung 2.6 zeigt die Entwicklung der arbeits- losen und langzeitbeschäftigungslosen (LZBL) Personen in Vorarlberg seit 2018. Der Anteil der LZBL ging demnach seit dem Höhepunkt von über 30 Prozent im Juni 2021 auch zurück und ist mit knapp über 15 Prozent am Sockel der persistenten Arbeitslosigkeit angelangt.

24

STANDORT–RATING 2024

Abbildung 2.7: Erwerbsquote, Vollzeit- und Teilzeitbeschäftigung in Vorarlberg, 2010-2022

Anzahl Teilzeitbeschäftigte Anteil Teilzeitbeschäftigte Erwerbsquote (15- bis 64-Jährige)

Anzahl Vollzeitbeschäftigte Anteil Vollzeitbeschäftigte

140

130

120

110

100

90

2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017 2018 2019 2020 2021 2022

Quelle: amis, AMS-Daten; Statistik Austria, Mikrozensus; eigene Berechnungen Anmerkung: Indexierung (2010 = 100); Definition Erwerbsquote: Anteil der unselbstständig und selbstständig Beschäftigten und der Arbeitslosen (auf Registerdatenbasis; 15-64 Jahre) an der Wohnbevölkerung (15-64 Jahre)

Beschäftigung

Mit fast 54 Prozent haben die Frauen in Vorarlberg die dritthöchste Teilzeitquote im Bundesländervergleich und stellen damit ein enormes Erwerbspotenzial dar. Gleich- zeitig muss man sich die Gründe dafür vor Augen halten. Im Jahr 2022 waren noch immer 42,4 % der Frauen wegen Betreuungspflichten in Teilzeit. Vereinbarkeit stellt nach wie vor ein Problem in Vorarlberg dar, denn nur 49,9 % der unter Fünfjährigen waren in VIF-konformer Betreuung. Laut einer AK Vorarlberg Umfrage werden durchschnitt- lich acht Stunden mehr Betreuung pro Woche gewünscht. Bei entsprechender Betreuung würden durchschnitt- lich acht Wochenstunden mehr pro Person dem Arbeits- markt zur Verfügung stehen – mehr dazu im Unterkapitel „Familie & Beruf“.

Abbildung 2.7 zeigt deutlich, wie gleichzeitig die Erwerbsquote seit 2010 um etwa 10 Prozent bis 2022 gestiegen ist, der Anteil der Vollzeitbeschäftigten aber gesunken ist. Grund dafür ist der Anstieg der Anzahl der Teilzeitbeschäftigten um 37 Prozent. Eine ausführliche Auseinandersetzung mit Erwerbsquoten und Teilzeitbe- schäftigung ist im Unterkapitel „Arbeitsmarkt“ und bei „Arbeitsbedingungen“ zu finden. Vorarlberg liegt mit einer Erwerbsquote auf Regis- terdatenbasis von 74,5 Prozent bei den 15 bis 64-Jähri- gen nur auf Rang 7 im Bundesländervergleich. Abbildung 2.8 stellt die Erwerbsquoten nach Alter und Geschlecht

Spotlight Fachkräfte

25

Abbildung 2.8: Erwerbsquote nach Alter und Geschlecht im Bundesvergleich, 2023

Österreich Vorarlberg

25,9

29,2

F M

15–19

46,2

38,9

62,4

73,7 65,3

F M

20–24

76,0

76,0 78,2

F M

25–29

85,1

88,7

75,7

79,9 87,3

F M

30–34

94,5

79,1

83,4

F M

35–39

87,2

96,3

84,8

89,1

F M

40–44

88,7

97,8

88,1 88,2

92,2 98,0

F M

45–49

87,9

90,7

F M

50–54

86,2

94,3

82,3 84,1

F M

55–59

82,2

88,0

20,8

19,2

F M

60–64

51,0

49,6

0 %

20 %

40 %

60 %

80 %

100 %

Quelle: Amis, AMS-Daten; Anmerkung: Definition Erwerbsquote: Anteil der unselbstständig und selbstständig Beschäftigten und der Arbeitslosen (auf Registerdaten- basis; 15-64 Jahre) an der Wohnbevölkerung (15-64 Jahre)

im Bundesvergleich dar und zeigt Potenziale bei spezifi- schen Gruppen auf, so zum Beispiel die Erwerbsquote von 82 Prozent der 55 bis 59-jährigen Männer in Vorarlberg versus 88 Prozent im Österreichdurchschnitt. Hier könnte es Potenziale geben, die sogenannte „stille Reserve“ zu mobilisieren. Regional betrachtet ist die stille Reserve mit 3,0% der 15- bis 64-Jährigen am höchsten in Wien und mit 1,6 % bis 1,7 % am geringsten in Ober- und Niederösterreich sowie in Vorarlberg (Bacher et al., 2022).

26

STANDORT–RATING 2024

Tabelle 2.2: Top-10-Lehrberufe in Vorarlberg, 2023

Männer

Frauen

Metalltechniker

879 Einzelhandelskauffrau

374

Elektrotechniker

582 Bürokauffrau

163

Kraftfahrzeugtechniker

327 Metalltechnikerin

131

Installations- und Gebäudetechniker

221 Friseurin (Stylistin)

76

Einzelhandelskaufmann

211 pharmazeutisch-kaufmännische Assistentin

70

Mechatroniker

157 Hotel- und Gastgewerbeassistentin

67

Zimmerer

132 Restaurantfachfrau

67

Koch

115 Verwaltungsassistentin

64

Informationstechnologe - Systemtechnik

103 Elektrotechnikerin

60

Betriebslogistikkaufmann

98 Betriebslogistikkauffrau

52

Quelle: WKO-Lehrlingsstatistik 2023, Vorarlberg

In Vorarlberg ist seit Langem die Lehre von hoher Be- deutung. Immer noch entscheidet sich fast jede:r zweite 15-Jährige:r für eine Lehrausbildung. Tabelle 2.2 zeigt die Top-10-Lehrberufe in Vorarlberg im Jahr 2023. Die bereits beschriebenen am meisten nachgefragten Berufs- gruppen und -obergruppen nach offenen Stellen finden sich hier auch teilweise wieder, das Angebot hinkt jedoch der Nachfrage hinterher. Das hat nicht zuletzt auch mit den rückläufigen Entwicklungen bei Lehrlingszahlen und Lehrbetrieben zu tun, wie die Lehrlingsstatistik der WK Vorarlberg 2023 zeigt. Mit 31. Dezember 2023 stehen insgesamt 6.664 Personen in einem aufrechten Lehrverhältnis. Das ist eine Differenz von –8 Lehrlingen gegenüber dem Vorjahr. Im Vergleich zur Anzahl der Lehrlinge vor zehn Jahren

(7.429) bedeutet dies eine Differenz von –765 Personen bzw. –10,3%. Der Anteil der Lehreintritte an der Zahl der 15-Jährigen liegt im Jahr 2023 bei 48,73%. Im Vergleich zum Vorjahr (49,47%) bedeutet dies eine Differenz von –0,74%. Bei den weiblichen Lehrlingen konzentriert sich die Ausbildung weiterhin auf einige wenige Lehrberufe: Über die Hälfte aller weiblichen Lehrlinge werden in drei Lehrberufen ausgebildet. Bei den Lehrbetrieben ist ein Rückgang von 2.051 (2014) auf 1.696 (2023), davon Miet- gliedsbetriebe WK: 1.908 (2014) und 1.565 (2023), zu ver- zeichnen. Vorarlberg ist außerdem mit 4,1% im Jahr 2021 auf dem letzten Platz im Bundesländervergleich, während im Ö-Schnitt 10% und in Salzburg sogar knapp 18% der Lehrlinge eine Lehre mit Matura machen.

Spotlight Fachkräfte

27

Abbildung 2.9: Geringfügige Beschäftigung nach Branchen in Vorarlberg, 2018-2023

Handel; Instandhaltung und Reparatur von Kraftfahrzeugen Beherbergung und Gastronomie Erbringung von sonstigen wirtschaftlichen Dienstleistungen Herstellung von Waren

Gesundheits- und Sozialwesen Erziehung und Unterricht Erbringung von freiberuflichen, wissenschaftlichen und technischen Dienstleistungen Verkehr und Lagerei

Bau öffentliche Verwaltung, Verteidigung, Sozialversicherung Grundstücks- und Wohnungswesen

3.000

2.500

2.000

1.500

1.000

500

0

2018

2019

2020

2021

2022

2023

Quelle: Amis, AMS-Daten; eigene Berechnungen

Einkommen

Abbildung 2.9 zeigt ein weiteres Erwerbspotenzial bei den geringfügig Beschäftigten in Vorarlberg auf und stellt die Entwicklung der elf Branchen mit den meisten gering- fügigen Beschäftigungsverhältnissen von 2018 bis 2023 dar. Demnach hat sich die geringfügige Beschäftigung in der Branche Erziehung und Unterricht in nur fünf Jahren verdoppelt. Die meisten sind im Handel zu finden mit im Zeitraum relativ konstanten 2.700 geringfügig Beschäf- tigten.

Tabelle 2.3 gibt einen Einblick in die Analyse von Einkom- mensdaten der Sozialversicherung. Darin enthalten sind sowohl Vollzeit- als auch Teilzeitbeschäftigte und nur un- selbstständig Beschäftigte. Diese Einschränkung erlaubt uns jedoch darzustellen, was tatsächlich bei den Arbeit- nehmer:innen und Haushalten ankommt und wie sich die Einkommen in den wichtigsten Branchen von 2010 bis 2022 entwickelt haben. Im Gesundheits- und Sozialwesen, eine Branche, die in der bisherigen Analyse eindeutig

28

STANDORT–RATING 2024

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