AKtion Dezember 2022

2 Meinung und Politik 

Dezember 2022

40 Wissenschaftler:innen diskutieren in der Schaffarei der AK Vorarlberg die Folgen von Künstlicher Intelligenz und Big Data für den Arbeitsplatz AK gestaltet die Digitalisierung der Arbeit aktiv mit

LEITARTIKEL Der bislang wichtigste Beitrag Die Bundesregierung tut viel, um die Auswirkungen der enorm hohen Inflation für die betroffenen Menschen abzumildern. Dafür erntet sie weder von den Menschen, denen diese Hilfe zugute kommt, noch von den Oppositionsparteien Anerkennung. Grund dafür sind die allgemeine Krisenstimmung und die Komplexität der Herausforderungen, die bei vielen Menschen ein hohes Maß an Unsicherheit auslösen und die Sehnsucht nach einer einfachen Lösung aufkommen lassen. Darauf setzt die politische Opposition, indem sie beispielsweise verlangt, die Regierung müsse die Infla- tion in den Griff kriegen, wohlwissend, dass daran praktisch alle Regierungen dieser Welt gerade scheitern. , Die Gewerkschaft sichert den Lebensstandard der arbeitenden Bevölkerung. Rainer Keckeis Direktor der AK Vorarlberg Der von Russland verursachte Vernichtungskrieg gegen die Men- schen der Ukraine und die Lieferkettenprobleme treiben die Preise in die Höhe, egal was das kleine Österreich gerade machen würde. Eine Organisation trägt derzeit am stärksten zur Verbesserung der Situation bei: der Österreichische Gewerkschaftsbund. Durch die sehr erfolgreichen Kollektivvertragsverhandlungen ist es nachhaltig gelungen, die von den Unternehmen bereits durchgezo- genen Preiserhöhungen für die Arbeitnehmer:innen abzufedern. Selbst in schwach organisierten Branchen wie dem Handel sind ansprechende Lohnerhöhungen ausverhandelt worden. Das ist der bislang wichtigste Beitrag zur Erleichterung der Situation der arbeitenden Menschen und wird sich auch gesamtwirtschaftlich positiv auswirken, weil damit die Massenkaufkraft erhalten bleibt – was wiederum den heimischen Unternehmen zugute kommt.

Arbeitnehmer:innen sind unmittelbar mit den Folgen der Digitalisierung konfrontiert. Wie man ihnen dabei helfen kann, darüber berieten Expert:innen in der Schaffarei zwei Tage lang.

DIGITAL. Die Digitalisierung der Arbeitswelt erfolgt in atemberau- bendem Tempo. Worauf müssen wir uns vorbereiten? Wer bestimmt, wie wir in Zukunft arbeiten werden? Wie können wir die Entwicklung mitgestalten? Darüber diskutier- ten am 24. und 25. November 2022 namhafte Wissenschaftler, Gewerk- schafter, Arbeiterkammer und Ver- treter der Europäischen Union in der AK Vorarlberg. Chancen und Risken Richtig implementiert birgt Digi- talisierung enorme Chancen für Vereinfachung von Abläufen, Re- gulierung und Mitbestimmung auf betrieblicher Ebene. In der rück- sichtslosen Variante können Über- wachung, Technikstress und Dis- kriminierung am Arbeitsplatz die Folge sein. „In der Schaffarei, dem Haus der Arbeitskultur, haben wir deshalb von Beginn an einen For- schungszweig etabliert“, erklärt AK- Präsident Bernhard Heinzle. „Ziel ist es, aus dem aktuellen wissenschaft- lichen Stand konkrete Handlungs- empfehlungen für Unternehmen und Betriebsräte abzuleiten, um den rasanten technologischen Fort- schritt am Arbeitsplatz besser ge- meinsam gestalten zu können.“ Auch bei dieser bereits zweiten internationalen Konferenz drehte sich alles um die Technikfolgenab- schätzung aus Arbeitnehmer:in- nenperspektive: „Wir haben den Teilnehmer:innen gewissermaßen die Arbeitnehmer:innen-Brille auf- gesetzt, um gemeinsam unentdeck- te Risiken, aber auch Chancen für die Arbeitnehmer:innen zu identifi- zieren“, betont Dominic Götz, der die Forschung der Schaffarei leitet. Für AK-Präsident Heinzle steht an erster

▸ E-Mail: direktion@ak-vorarlberg.at

Stelle, dass AK und Gewerkschaft sich keineswegs mit aller Kraft ge- gen die neuen Techniken stemmen, sondern mitgestalten. „So schaffen wir einen enormen Mehrwert für alle Digitalisierungsprojekte, die erst durch Mitbestimmung der Be- schäftigten nachhaltige Projekte in Unternehmen werden können.“ Sich nicht blenden lassen Eindringlich warnte Paul Nemitz, Chefberater der EU-Kommission im Bereich Justiz und Verbraucher, am Eingang der Konferenz davor, sich vom Zauber der Künstlichen Intel- ligenz (KI) blenden zu lassen: „Dann beschreiten wir den Weg zurück in die selbstverschuldete Unmündig- keit.“ Es dürfe nicht so weit kom- men, dass wir die Entscheidungen der KI gar nicht mehr nachvollzie- hen können. Als Direktor für Grund- und Bür- gerrechte war er federführend beim Entwurf und bei den Verhandlun- gen der Datenschutz-Grundverord- nung DSGVO beteiligt. Schon heute hält KI Einzug bei Versicherungen, in der Kreditvergabe. Deshalb sieht Nemitz die Staaten gefordert: „Wir

GASTKOMMENTAR Miteinander!

Das Leben gelingt nur miteinander, nicht gegeneinander, auch nicht nebeneinander. Die Weltlage zeigt uns, dass wir uns das Gegeneinander und das Nebeneinander nicht mehr leisten können – eigentlich noch nie konnten. Nur miteinander kommen wir durch diese schwierige Zeit. Das Miteinander darf nicht bei den eigenen Inter-essen aufhören oder an den Landesgrenzen. Sonst ist die Demokratie in Gefahr und so vieles, über das wir uns freuen. Dann ist alles Gerede von Freiheit und freiheitlich ein gefährliches Spiel mit dem Feuer. , Das Miteinander ist auch gefordert zwischen Arbeitgeber:innen und Arbeitnehmer:innen. Pater Martin Propst in St. Gerold Der heilige Benedikt schreibt vor 1500 Jahren in seinem Leitbild für Mönche: „Sie sind nicht auf ihren eigenen Vorteil bedacht, sondern auf den der anderen.“ Je mehr Menschen das leben, umso mehr kommt es allen zugute. Das Miteinander ist auch gefordert zwischen Arbeitgeber:innen und Arbeitnehmer:innen. Allen Kammern, die diese vertreten, muss es um das gute Miteinander gehen und um Gerechtigkeit, nie um Bevorteilung. Dass das nicht selbstverständlich ist, habe ich auch persönlich erlebt. Es braucht ein Engagement gegen die Ausnutzung der Arbeitnehmer:innen, aber auch der Arbeitgeber:innen. Ansonsten sägen wir an dem Ast, auf dem wir miteinander sitzen. Eindrückliche Erfahrungen dieses Miteinanders habe ich oft bei Abstimmungen durch alle erlebt. Beispiel: In der Schweiz und im Kloster Einsiedeln wurde beschlossen, die zustehende Ferienzeit nicht zu verlängern – mit Blick aufs Ganze!

EU-Chefberater Paul Nemitz: „Wir sind auf dem Weg zu- rück in die selbstverschuldete Unmündigkeit.“ brauchen den Staat, der die Macht der Digitalkonzerne so reguliert, dass junge Start-ups in den Markt eintreten können. Wir brauchen staatliche Regulierung, die unsere Konsumentenrechte schützt.“ Der zweitägigen Konferenz spannte er so den Handlungsrahmen auf. ▸ Schaffarei Infos zur Schaffarei- Forschung finden Interessierte unter https://schaffarei.at/forschung

▸ Mehr Info Pater Martin Werlen ist Propst in St. Gerold. Das reichhaltige Programm der Propstei steht unter propstei-stgerold.at abrufbar im Netz.

Justin Nogarede, Analyst für Digitalpolitik bei der Foundation for European Progressive Studies (FEPS), die stellvertretende AK-Di- rektorin Eva King und Paul Nemitz im Gespräch.

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