Bildung 9
Juni 2021
„Alle Kinder brauchen die gleichen Chancen“ AK-STUDIE BELEGT Neues Gesetz muss sich amWohl der Kinder ausrichten
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In allen Entschei dungen muss das Wohl der Kinder vorrangig berück sichtigt werden, ihre Bedürfnisse sind untrennbar mit Diversität und Vielfalt verknüpft. Dr. Eva Häfele Studienautorin
KINDESWOHL. Irgendwie gleicht die Kinderbetreuung der Eier legen- den Wollmilchsau. Alle haben so ihre Ansprüche: Eltern brauchen die bestmögliche Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Die Wirtschaft sucht die „beste Bildung von Anfang an“, um den Pool der Fachkräfte in der Zukunft zu sichern. Die öffentli- che Hand schaut auf die Kosten. Den Pädagoginnen und Pädagogen ist sie Lebensinhalt und Arbeitsstätte. Und was brauchen die Kinder? Wäre das nicht das Wichtigste? Die AK bat die selbstständige Sozialwis- senschaftlerin Dr. Eva Häfele, genau das herauszufinden. Auf Basis von über 50 Fachgesprächen erarbeitete sie eine 300 Seiten starke Studie. „Damit will die AK Vorarlberg den Kindern eine Stimme geben“, betont AK-Präsident Hubert Häm- merle. Dass sich Kinderbetreuung in Kinderbildung weiterentwickelt hat, ist schonmal ein Anfang. Wenn Vorarlberg tatsächlich bis 2035 zum chancenreichsten Lebensraum für Kinder werden will, dann muss von nun an konsequent das Kindeswohl im Zentrum aller Überlegungen stehen. Denn „Investitionen in eine qualitativ hervorragende Betreuung und Bildung in den ersten Lebens- jahren gehören zum Besten, was wir als Gesellschaft tun können“,
Neue AK-Studie Die AK-Studie „Frühe Bildung in Vorarlberg – Chancengerechtig- keit durch Bildung von Anfang an!“ steht auf der Website der AK gratis zumDownload. ▸ Alle Infos finden Interessierte unter ak-vorarlberg.at
Spielend lernen Kinder wie der dreijährige Luis Marte-Miller bei den Feldkircher Wichtelkindern. Frühpädagoge Haris Besirevic leitet ihn an. Das ist was völlig anderes als „a kle Baschtla“.
Vor allem sozial schwache Kinder haben unter dem verordneten Not- betrieb oder den Schließungen wäh- rend der Lockdowns gelitten. Dieses Schlaglicht auf einen vernachläs- sigten Berufsstand könnte nun aber helfen, das neue Kinderbildungs- und -betreuungsgesetz sinnvoll aus- ,, Investitionen in die frühen Bildungs- jahre sind die beste Prävention gegen spätere Erwerbsarmut. Hubert Hämmerle AK-Präsident
viele Eltern können es sich nicht leisten, sie inAnspruch zu nehmen.“ Der nächste konsequente Schritt nach einer sozialen Staffelung wäre dann die Kostenfreiheit. „Damit würde die frühe Bildung für mög- lichst viele Familien finanziell leist- bar und elementare Bildung wird tatsächlich zu einer anerkannten Säule des Bildungssystems“, sind sich AK-Präsident Hämmerle und Eva Häfele einig. Die AK-Studie empfiehlt ein Recht aller Kinder auf einen gesi- cherten Platz in einer Einrichtung, und dies unabhängig vom Wohn- ort und der Erwerbstätigkeit der Eltern, Mutterschutz oder Karenz. „Um dies zu erreichen, müssen in einem vorarlbergweiten Prozess Lö- sungen angestrebt werden, die auch die Ressourcen der Gemeinden und deren Interessen berücksichtigen“, erläutert Häfele und empfiehlt vor allem in der Betreuung der Bis-Drei- jährigen, die Möglichkeiten für Ge- meindekooperationen und regio- nale Zusammenschlüsse genau zu analysieren. Für das pädagogische Personal fordert sie „eine angemes- sene Entlohnung, ausgewiesene Karrierepfade, eine denwachsenden
sich am Stand der elementarpäda gogischen Forschung ausrichtet, sowie ein Förderwesen, das den An- sprüchen der Diversität und Inklusi- on Rechnung trägt. Sie unterstreicht eine zentrale Forderung der AK Vor- arlberg: „Wir brauchen nicht nur ein Gesetz, sondern auch einen Umset- zungsplan, der die Paragraphen mit verbindlichen Inhalten füllt.“ Was geschieht, wenn man die Praxis nicht ausreichend bedenkt, kann man an der sozialen Staffe- lung ablesen. Ein gut gemeintes Instrument, und doch haben von über 15.000 Kindern in Vorarlberger Einrichtungen 2019 gerade mal 327 davon profitiert. Ob das am kompli- zierten Formularwesen liegt oder an der Scham der Menschen, die nicht umHilfe betteln wollen? Kostenfreiheit wäre das Ziel Häfele empfiehlt jedenfalls eine rasche Überarbeitung. Die soziale Staffelung sollte zudem auch die Kostenbeiträge für die Mittagsver- pflegung und für die Nachmittags- betreuung in den elementarpäda- gogischen Einrichtungen gestalten. „Die Kosten dieser Angebote sind derzeit nicht sozial gestaffelt und
ist Hämmerle überzeugt. Da ist je- der Cent gut angelegt. Hämmerle spricht von der „besten Prävention gegen spätere Erwerbsarmut“. In der Studie beleuchtet Eva Hä- fele die ersten sechs Lebensjahre der Kinder. Die Covid-19-Pandemie hat die Bedeutung der Betreuungs- einrichtungen klar unterstrichen. Doch die Bilanz der PädagogInnen fällt bitter aus: „Wir haben in diesem Jahr gelernt, dass die Pädagoginnen und Pädagogen in der Kleinkindbe- treuung, imKindergarten und in der Schule nicht systemrelevant sind.“
zugestalten. Denn es geht um viel. Dieser Gesetzestext des Landes wird für die kommenden Jahrzehnte prä- gend sein. „In welchem Umfang die Meinungen der Fachpersonen ein- geflossen sind, wissen wir zur Stun- de freilich nicht“, sagt Eva Häfele. Umsetzungsplan genauso wichtig Das Gesetz braucht in den Augen der Studienautorin einen klaren Fo- kus auf Chancengerechtigkeit, die Sicherstellung und Weiterentwick- lung der pädagogischen Qualität, auf eine Aus- und Fortbildung, die
Anforderungen angepasste Ausbil- dung sowie Fortbildungsangebote, die ein vielfältiges Wissensfeld ab- decken“. Vor allem der Bund ist gefordert, die nötigen finanziellen Mittel auf- zustocken, ist AK-Präsident Häm- merle überzeugt. „Kinder können sich nicht aussuchen, in welche Fa- milien sie hineingeboren werden. Der Staat muss sicherstellen, dass die Herkunftsfamilie bei den Bil- dungs- und Lebenschancen für das Kind keine negative Rolle spielt.“
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