Politik 15 Wie decken wir den Fachkräftebedarf? Es dauert inzwischen im Durchschnitt 81 Tage, bis eine offene Stelle besetzt werden kann – niedrig Qualifizierte haben kaum Chancen ENGPASS. In Vorarlberg
Juni 2024
Die Anzahl der offenen Stellen hat sich in den vergangenen Jahren merklich erhöht und die durchschnittliche Dauer bis zur Besetzung ist inzwischen auf 81 Tage angewachsen. Vor allem Personen mit maximal Pflichtschulabschluss kom- men kaum zum Zug. Vorarl- berg hat mit 16,3 Prozent in Ös- terreich den größten Anteil an schlecht qualifizierten Kräften.
tik lässt sich freilich weder die Attraktivität des Arbeitsstand- orts steigern noch gute Arbeit für alle fördern. Aber welche Eckpunkte muss eine umsich- tige Politik haben? Das fragten wir die in Vorarlbergs Arbeit- nehmerparlament vertretenen politischen Gruppierungen. Denn die Zeit drängt. Den Un- ternehmen fällt es zunehmend schwerer, Stellen zu besetzen.
werden Fachkräfte händerin- gend gesucht. Dabei wäre das Arbeitskräftepotenzial in Vor- arlberg hoch, die Arbeitsbereit- schaft ist im Ländle in den ver- gangenen Jahren sogar stetig gewachsen. Das jüngste Stand- ort-Rating der AK Vorarlberg stellt es eindrücklich unter Beweis. Ohne eine umsichtige Wirtschafts- und Sozialpoli-
Liste Manuela Auer – FSG
Liste AK Präsident Bernhard Heinzle – FCG
Beteiligt die Fachkräfte endlich am Erfolg!
Frauen bergen größtes Fachkräftepotenzial
Vorarlberger Unternehmen hinken in dieser Frage im- mer noch hinterher. Obwohl die Stundenproduktivität der Ländle-Arbeitnehmer:innen top ist in Österreich, gibt es kein Bundesland, in dem sie weniger am wirtschaftlichen Erfolg beteiligt werden. Das Argument, dass in Vorarlberg doch eh die höchsten Löhne gezahlt werden, greift nicht. Die unternehmerischen Ge- winne sind noch höher, und die Lebenshaltungskosten
teilzeitbeschäftigt. Könnten diese Frauen laut einer Studie der WKV ihre Arbeitszeit um 20 Prozent erhöhen, würde das rund 7.000 Vollzeitäqui- valenten entsprechen. Dieses Potenzial muss genutzt wer- den. Unternehmen könnten offene Stellen firmenintern schneller besetzen, während Frauen die Möglichkeit bekä- men, ihr volles Potenzial zu entfalten und sich beruflich weiterzuentwickeln. Damit würde auch der in Vorarlberg
sowieso! Die Attraktivität des Standorts leidet auch, wenn Menschen keine Perspekti- ve mehr auf Eigentum ha- ben oder Beruf und Familie nicht so vereinbar sind, dass alle Eltern voll am Erwerbs- leben teilnehmen können. Wer gute Fachkräfte braucht, muss ihnen gute Arbeits- und Lebensbedingungen bieten. Im Grunde ist das nicht so schwer, oder? ▸ E-Mail: bernhard.heinzle@ ak-vorarlberg.at
stark ausgeprägte Gehalts- und Pensionsunterschied deutlich verringert. Leider lassen Bundes- und Landes- regierung diese Chance un- genutzt. Es braucht dringend deutlich mehr Geld für den Ausbau kostenfreier Kin- derbetreuung sowie für die Unterstützung im Pflegebe- reich. Wir haben es bei den Wahlen in der Hand, die rich- tigen Weichen zu stellen. ▸ E-Mail: manuelaauer@ manuelaauer.at
Manuela Auer
Bernhard Heinzle
MEHR GELD. Dass Vorarl- berg von Fachkräften lebt, er- kennen wir daran, dass viele Unternehmen nach ihnen suchen. Eines scheint bei den Betrieben aber nicht ange- kommen zu sein: Fachkräfte wollen (mehr) Geld sehen! Die
CHANCE. Frauen sind der Schlüssel im Kampf gegen den Fachkräftemangel. Vor- arlbergerinnen arbeiten viel öfter in Teilzeit als Frauen in anderen Bundesländern. Mehr als die Hälfte der er- werbstätigen Frauen sind
Liste Freiheitliche + Parteifreie Arbeitnehmer – FA
Liste Heimat aller Kulturen – HaK
Fachkräfteoffensive für Vorarlberg – Lehre stärken!
Lösungen zur Deckung des Fachkräftebedarfs
Ein wichtiger Schritt ist die verstärkte Zusammenarbeit zwischen Unternehmen und Bildungseinrichtungen, um praxisnahe Ausbildungs- programme zu entwickeln. Ältere Arbeitnehmer:innen sollten durch Fortbildungs- programme ermutigt wer- den, länger im Erwerbsleben zu bleiben. Flexible Arbeits- modelle wie Homeoffice und Teilzeitarbeit können mehr Menschen einschließlich El- tern von Kleinkindern in den
betriebe gehen aber immer weiter zurück. Unser Ziel ist es deshalb, die Rahmen- bedingungen für die Lehr- ausbildung zu attraktivieren und entsprechende Anreize sowohl für Jugendliche als auch für Ausbildungsbetrie- be zu schaffen. Wir wollen zum einen die Umsetzung eines Modells für die finan- zielle Unterstützung von Be- trieben, die Lehrlinge ausbil- den. Zum anderen braucht es auch bessere Rahmenbedin-
gungen für Lehrlinge. Dazu wollen wir etwa Lehrlinge aus einkommensschwäche- ren Familien mit einer Lehr- lingsbeihilfe unterstützen. In anderen Bundesländern gibt es eine solche Förderung. Vom Land Tirol etwa werden Lehrlinge mit 100 Euro mo- natlich gefördert. Wir setzen uns dafür ein, dieses Lehr- lingsförderungsmodell auch in Vorarlberg einzuführen . ▸ E-Mail: michael.koschat@ fpoe-satteins.at
Arbeitsmarkt integrieren. Ebenso entscheidend ist eine Reform der Einwanderungs- politik, die den Zuzug quali- fizierter Fachkräfte erleich- tert. Die derzeitige strenge Punkteregelung stellt oft ein unüberwindbares Hindernis dar. Durch diese Maßnah- men können wir den Fach- kräftemangel lindern und die Innovationsfähigkeit unserer Wirtschaft sichern. ▸ E-Mail: info@hak-online.at
Michael Koschat
Beyaz Yoğurtçu- Acar
BEIHILFE. Um dem Fach- kräftemangel in Vorarlberg entgegenzuwirken, ist es not- wendig, wieder mehr Jugend- liche in Vorarlberg für eine Lehre zu begeistern. Sowohl die Lehrlingszahlen als auch die Zahl der Ausbildungs-
ANSÄTZE. Um den wach- senden Fachkräftebedarf zu decken, müssen wir meh- rere Ansätze kombinieren. Zunächst sollten wir in die Digitalisierung der Bildung investieren, um die Ausbil- dung effektiver zu machen.
Liste NBZ – Neue Bewegung für die Zukunft
Liste Gemeinsam – Grüne und Unabhängige
Österreich muss modernes Einwanderungsland werden
Wege zur Stärkung des Fachkräftepotenzials
aber sehr unattraktiv auf. Die besten Köpfe gehen anderswo hin. Neben guten Arbeitsbe- dingungen und Qualifizie- rungsangeboten brauchen wir eine vernünftige Einwan- derungspolitik, die sich am Fachkräftebedarf orientiert, Rahmenbedingungen wie Kinderbetreuung verbessert und den wachsenden Rassis- mus bekämpft. Österreich braucht ein weltoffenes, pluralistisches,
Das bedeutet eine intensivere Zusammenarbeit zwischen Bildungsinstitutionen und Unternehmen, um praxisna- he Ausbildungsinhalte zu ge- währleisten. Zweitens ist die Attraktivität von technischen Berufen zu steigern, beispiels- weise durch gezielte Kampa- gnen und Förderprogramme. Drittens müssen internatio- nale Fachkräfte gezielt ange- worben und deren Integration erleichtert werden. Hierzu zählen vereinfachte Anerken-
ökosoziales und modernes Image. Die vorherrschende Politik sorgt leider für das ge- naue Gegenteil. Mobilitätsbereite, ge- bildete und bildungswillige Menschen suchen und finden Perspektiven anderswo. Ras- sismus und Ressentiments geben vor, Österreich zu schützen, sind de facto aber ein gravierender Standort- nachteil. ▸ E-Mail: sadettin.demir@ gemeinsam-ug.at
nungsverfahren und attrak- tive Lebensbedingungen. Fir- men können ebenfalls einen wesentlichen Beitrag leisten, indem sie interne Weiterbil- dungsprogramme anbieten, flexible Arbeitsmodelle ein- führen und die Arbeitsplatz- attraktivität erhöhen. Zusätz- lich sollten Unternehmen auf eine inklusive Unterneh- menskultur setzen, um viel- fältige Talente anzuziehen. ▸ E-Mail: info@nbz-online.at
Adnan Dincer
Sadettin Demir
PROVINZIELL. Die Ursa- chen für den Fachkräfteman- gel liegen in der demografi- schen Entwicklung und in der irrationalen, restriktiven Zuwanderungspolitik. Öster- reich ist Teil eines weltwei- ten Arbeitsmarktes, tritt dort
MASSNAHMEN. Um den Fachkräftebedarf in Öster- reich zu decken, sind mehre- re Maßnahmen erforderlich. Erstens sollten Bildung und Ausbildung stärker an die Anforderungen des Arbeits- marktes angepasst werden.
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