2 Meinung und Politik
Mai 2022
LEITARTIKEL Kräftige Lohnerhöhungen Spekulation, Krieg und Logistikprobleme haben in den letzten Monaten zu einer für uns seit demEU-Beitritt ungewohnt hohen Inflation geführt. Dabei sind die Preissteigerungen in vielen Fällen nicht auf mangelnde Rohstoffe zurückzuführen, sondern schlicht und einfach auf das spekulative Verhalten vieler Unternehmungen. ,, Jetzt sind gute Lohnerhöhungen ein Gebot der Stunde, sonst ver armen viele Arbeitnehmer:innen. Rainer Keckeis Direktor der AK Vorarlberg Ganz nach demMotto: Wieso soll ich jetzt eineWare auf dem Markt verkaufen, wenn ichmorgen einen viel höheren Preis er- zielen kann? Auch Klein- undMittelbetriebe haben von den großen Konzernen gelernt und optimieren ihre Gewinnmarge entspre- chend nach oben. Auf der Strecke bleiben bei diesemunanstän- digen Spiel die Konsument:innen. Sie sind es, die amEnde zahlen müssen. Deshalb benötigen sie als Schlusslicht in der Spekulati- ons-Gewinn-Preis-Spirale auch bessere Löhne. Andernfalls würden sie unweigerlich in Richtung Armut abrutschen. Dass mit besserer Bezahlung zwar die Gewinne der Unternehmen ein wenig sinken, damit aber gleichzeitig auch die Basis für eine Stärkung des für alle Unternehmen so wichtigen Inlandskonsums geschaffen wird, übersehenmanche Unternehmervertreter:innen in ihrem blinden Standesdenken geflissentlich. Dabei ist es nicht so schwer zu verstehen: Österreich hat mit der Orientierung der Kollektivvertragsverhandlungen der letzten Jahrzehnte an der Entwicklung der Inflation und der Produktivität einen wirtschaft- lichen Spitzenplatz unter den wohlhabenden Industrienationen er- reicht. DiesenWeg weiterzugehen ist gesamtwirtschaftlich allemal klüger und weitsichtiger, als kurzsichtigen betrieblichen Gewinn- interessen den Vorrang vor demWohl der arbeitenden Bevölkerung einzuräumen.
UMFRAGE Schenk uns einen Satz: Pflege ist …
…Hingabe und Liebe zumBeruf. Patricia Zangerl, FSG
… nicht selbstverständ- lich und muss finanziell wertgeschätzt werden. Sabine Wittmann, FCG.ÖAAB
Weil den Menschen die Luft ausgeht Einkommen rauf, Lohnsteuer runter – 189. Vollversammlung der AK Vorarl- berg fordert einstimmig gesetzlichen Mindestlohn von 1700 Euro netto
▸ E-Mail: direktion@ak-vorarlberg.at
GASTKOMMENTAR Kulturarbeit–ArbeitderZukunft?! „The Future of Jobs 2020“, eine Studie des Weltwirtschaftsforums, beschreibt einen offenbar unaufhaltsamen Prozess: Bereits 2025 wird die zunehmende Übernahme von Arbeit durchMaschinen rund 85 Millionen Arbeitsplätze verdrängt haben. ,, Kann Kulturarbeit ein Modell für sinnstiftende menschliche Beschäf- tigung in der Zukunft sein? Sabine Benzer Geschäftsführung Theater am Sau- markt in Feldkirch, Vorstandsmitglied IG Kultur Vorarlberg Nun geht aber die Philosophin Lisa Herzog davon aus, dass „die Arbeit zur menschlichen Natur“ gehöre. Sie sei mehr als einMittel zumGeldverdienen, denn die Menschen wollen etwas schaffen, sich als soziale Wesen in einen Arbeitsprozess einbringen. Auch in diesem Sinne sind seit 1972, seit über 50 Jahren, Mitglieder des Kulturkreis Feldkirch, heute Theater am Saumarkt, in der Kultur- arbeit engagiert, planen Konzerte, Lesungen, Ausstellungen, zeigen Filme, spielen Theater und vieles andere mehr. Hans Schreiber von der KulturplattformOberösterreich (KUPF) versuchte 2007 eine Definition von Kulturarbeit: Sie ist selbst- bestimmt, offen für Neues, sucht den Dialog, ist in Bewegung, demokratiepolitisch und gesellschaftsverändernd, partizipativ, stellt dem passiven Konsumieren aktive Teilnahme entgegen und erzeugt Nachhaltigkeit. „Es ist Zeit, die Grundlagen für die Arbeit der Zukunft zu festigen … Arbeit, die denMenschen in denMittel- punkt stellt“, befinden die Wissenschaftler:innen Kerstin Jürgens, Reiner Hoffmann und Christina Schild in einer aktuellen Untersu- chung und fordern, dass „dafür die Arbeit selbst und die Rahmen- bedingungen der Arbeit in vielerlei Hinsicht neu gestaltet werden muss.“ Kann Kulturarbeit einModell für sinnstiftende menschliche Beschäftigung in der Zukunft sein? Welche politischen und sozio- ökonomischen Rahmenbedingungen braucht es für die Zukunft der Kulturarbeit? ▸ Info: Die Wurzeln des Theater am Saumarkt reichen bis ins Jahr 1972 zurück. Mehr verrät die Website www.saumarkt.at
MINDESTLOHN. Wohnen, essen, heizen – alles verteuert sich in Rekordzeit. Eindringlich fordern alle Fraktionen der AK Vorarlberg im Arbeitnehmerparlament des- halb einen gesetzlichen Mindest- lohn von 1700 Euro. Alles andere ist AK-Präsident Hubert Hämmerle zufolge „blanker Hohn“. Essen oder Energie? Dass Menschen im noch immer rei- chen Österreich vor der Entschei- dung stehen, ob sie lieber aufs Es- sen verzichten oder auf die warme Wohnung – so weit darf es nicht kommen. Schon das aktuelle Stand- ort-Rating der AKVorarlberg kommt
wohl nicht sein. Das sieht auch die Fraktion Sozialdemokratischer Ge- werkschafter:innen (FSG) in der AK Vorarlberg so und schloss sich der Forderung nach 1700 Euro netto an. Dauerpatient Pflege Eine Hauptrolle während der 189. Vollversammlung der AK Vorarl- berg spielte abermals die Pflege. Drei Handlungsfelder haben die 70 Kammerrät:innen in einemgemein- samen Antrag ans Land skizziert. Es gilt, dringend • genügend Personal anzuwerben und auszubilden, • die Pflege zu Hause zu stärken bzw. in Zukunft zu ermöglichen und • alles zu tun, damit bereits Aus gebildete in der Pflege bleiben. Die Analyse der AK zeigt, dass der Ausbildungsbedarf bis 2030 (vor allem im „gehobenen Dienst“ und in der „Pflegefachassistenz“) viel höher ist als in den Landesplanungen vor- gesehen. Hinzukommt, dass eine hohe Zahl an Beschäftigten völlig überlastet die Pflege wieder verlas- sen will. Bei der Pflege daheim indes haben sich die Rahmenbedingun- gen markant verändert: Der Druck, ein Erwerbseinkommen zu erzielen, steigt mit den Lebenshaltungskos- ten, die Wohnsituation ändert sich, familiäre Strukturen detto. Die AK hat vor diesem Hintergrund ein Mo- dell zur Bezahlung und Ausbildung pflegender Angehöriger entwickelt und verhandelt seit vielen Monaten mit demLand darüber.
zum Schluss, dass an einem gesetz- lichen Mindestlohn von 1700 Euro
netto keinWeg vorbeiführt. Brutto reicht nirgends hin
Warum? „Das Referenzbudget der Schuldenberater:innen beschreibt, wie viel man in Österreich zum Überleben braucht: Es sind 1459 Euro netto.“ Im teuren Westen der Republik muss es mehr sein. Dass der ÖGB noch immer 1700 Euro brutto (1373 Euro netto) für ausrei- chend hält, empfindet Hämmerle als beschämend: „Die Armutsge- fährdungsschwelle liegt bekannter- maßen bei 1371 Euro.“ Ein um zwei Euro höherer Mindestlohn kann es
AK-Präsident Hubert Hämmerle: „Alles andere als ein gesetzlicher Mindestlohn von 1700 Euro netto wäre ein Hohn.“
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