Schaffarei 7
Mai 2023
„Die Behinderung ist nur ein ganz kleiner Teil von mir“ Heidi Mackowitz: Von der INAS-Skiweltmeisterin zur unabhängigen Selbst- vertreterin für Menschen mit Lernschwierigkeiten
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Halbjahr #04 Das Haus für Arbeitskultur Widnau 10, Feldkirch
work
life
BEWUNDERNSWERT. Als Hei- di Mackowitz am 19. August 1979 in Bludenz geboren wird, ist die Nabelschnur um ihren Hals ge- wickelt. Eine Komplikation, die zu einer Lernschwierigkeit führt. Den- noch, oder vielleicht gerade des- halb, führt die heute 43-Jährige ein bemerkenswertes und doch ganz normales Leben. Bei den Arbeits- LebensGeschichten mit Carmen Jurkovic-Burtscher erzählte sie von der Unterstützung ihrer Familie, von unvergesslichen Momenten in ihrer Karriere als Skirennläuferin und davon, was sie mit ihrer Arbeit als Selbstvertreterin für Menschen mit Lernschwierigkeiten bewirken möchte. Erst als Heidi zu laufen beginnt, fällt auf, dass sie sich schwertut, das Gleichgewicht zu halten oder Distan- zen einzuschätzen. Um Laufen und später Radfahren zu lernen, braucht sie deshalb länger als die meisten anderen Kinder. Doch das stört Hei- di nicht. „Ich bin ein sehr geduldiger Mensch“, sagt sie. Und Mama Chris- tine und Papa Hugo tun von Anfang an alles, um ihrer Erstgeborenen ein möglichst selbstbestimmtes Leben zu ermöglichen. Auch das Skifah- ren lernt Heidi von ihren Eltern. Mit gerade einmal drei Jahren sei sie ge- fahren wie ein „Engile“, erzählt sie lachend. „Je schneller ich geworden bin, umso mehr habe ich mit den Händen geflattert.“ Und schnell sei sie von Anfang an gewesen. Arbeiten, Trainieren, Schlafen Ihre Technik verbessert sich mit den Jahren offenbar deutlich, denn ihre sportliche Karriere nimmt Fahrt auf. Ende der 90er-Jahre wird Heidi auf einer Wintersportwoche entdeckt. Inzwischen arbeitet sie in einer Fachwerkstätte der Lebenshilfe. Ul- rike Skala vom Sportverein „Special Friends“ der Lebenshilfe wird auf das Talent der 17-Jährigen aufmerk- sam und lädt sie ein, an einem Ren- nen teilzunehmen. Heidi ist sofort dabei. Papa Hugo übernimmt die Trainer-Rolle und widmet sich in den kommenden Jahren intensiv dem Aufbau seiner Tochter. Heidis Tagesablauf ist eng gesteckt: Es ist eher die Regel als die Ausnahme, dass ihr Vater sie von der Arbeit abholt, die Jausenbox und ihre Ski- sachen im Gepäck. Während der Fahrt zum Training isst Heidi im Auto und zieht sich auf dem Rück- sitz um. Sie nimmt viel in Kauf, doch unter Druck setzt Heidi sich nie. Sie glaubt an ihre Fähigkeiten und fährt einfach Ski. „Manchmal hatte ich die Intuition: ‚Heute wirst du Erste.‘ Und das war dann auch so“, sagt sie. Mehr als 20 Mal gibt ihr ihre Intuiti- on bei Österreich-, Europa- oder gar Skiweltmeisterschaften in unter- schiedlichen Disziplinen recht. Wenn man Heidi nach den be- eindruckendsten Momenten ihrer
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15.6.23, 18:30 Uhr Firobad Erzählcafé / Schaffarei OG3 19. – 21.6.23, 20 Uhr 22.6.23, 11 Uhr Mut / Wutausbruch: Aber die Freude! Sie sind für die heimische Pflegelandschaft unverzichtbar – rund 60.000 Personenbetreue- rinnen, meist aus dem europäi- schen Osten, sorgen dafür, dass pflegebedürftige Menschen zu Hause betreut werden können. Sie kennen eine besondere Form der Einsamkeit – ihre eigenen Familien sehen sie selten, und während ihres Arbeitsturnus sind sie vorwiegend auf sich allein gestellt. Und doch – das Kurzdrama „Aber die Freude“ zeigt, dass sich Freude und Lebenslust weder durch das Alter noch durch unerfüllbare Sehnsüchte unterkriegen lassen. Im Foyer der AK Vorarlberg in Feldkirch. Text: Daniela Egger / Regie: Suat Ünaldi / Schauspiel: Vivienne Causemann
Museum des Wandels: Josef Köss – Tischler auf Lebenszeit Der Geruch von Holz fasziniert Josef Köss, seit er ein kleiner Bub war. Als Tischler setzte er sich mit vielen neuen techni- schen Errungenschaften aus- einander. Josef Köss erzählt wie sich diese Entwicklungen auf seine Arbeit ausgewirkt haben. Ausstellung im Foyer der AK Vorarlberg in Feldkirch / MO – FR, 9 – 18 Uhr 6 13.6. / 18.7. / 22.8. / 7.9. / 10.10.23 / jeweils 17 Uhr Wirtschaft ist Care – (K)ein Spaziergang „Wirtschaft ist Care“ ist ein ge- führter Stadtrundgang durch Feldkirch. Dabei erkunden wir, was Wirtschaft ist und wie wir sie einsetzen können, damit es Menschen besser geht. Welchen Stellenwert hat die Arbeit dabei? Den Teilnehmenden eröffnet sich ein ungewohnter, durchaus visionärer Blick auf vermeintlich Bekanntes.
Heidi Mackowitz: „Manchmal hatte ich eine Intuition: ‚Jetzt werde ich Erste.‘ Und das war dann auch so.“
Karriere fragt, dann erzählt sie ger- ne von der Gala, im Rahmen derer sie zur Behindertensportlerin des Jahres 2012 gekürt wurde. Wie ein Star habe sie sich gefühlt, erinnert sie sich. Weil die Veranstaltung in so einem noblen Hotel stattgefunden habe. Oder weil ihre Mama mit ihr vorher extra beim Friseur gewesen sei, wo sie eine Rose ins Haar ge- flochten bekommen habe, passend zu ihrem dunkelblauen Kleid. Und auch der Moment, in dem sie ihren Namen auf der großen Leinwand las, ist für Heidi unvergesslich. Der Höhepunkt ihrer Karriere sollte jedoch erst noch folgen: 2016 wird die inzwischen 37-jährige Hei- di in die INAS Hall of Fame (heute: Virtus Hall of Fame) aufgenommen. Neben ihren unzähligen sportli- chen Erfolgen sind es vor allem ihr Durchhaltevermögen und ihr Mut, wofür sie nominiert wird. Denn 2013 zwingt sie ein schwe- rer Trainingsunfall zum Pausieren. Ein Oberschenkeltrümmerbruch fesselt sie für mehrere Monate ans Bett, ihre Karriere scheint beendet. Doch Heidi überwindet ihre Angst, wagt noch einmal ein Comeback und erreicht schon bei ihrem zwei- ten Bewerb, der österreichischen Meisterschaft 2016 in Leogang, in allen Disziplinen den ersten Platz. Abseits der Piste 2018 beendet Heidi ihre aktive Sportkarriere. Langweilig wird es ihr aber nicht. Denn Skifahren war niemals alles, was Heidi beschäf- tigt. Schon 2002 hat sie den Haupt- schulabschluss nachgeholt und ein freiwilliges soziales Jahr eingelegt. Im Anschluss hat Heidi eine Ausbil- dung zur Servicefachfrau absolviert und ein Jahr im Tourismus gearbei- tet. Schlussendlich jedoch hat sich
die Frau mit den vielen Interessen beruflich in einem ganz anderen Bereich niedergelassen. Seit 2008 ist Heidi Mackowitz Selbstvertre- terin beim Verein „Mensch zuerst“. Hier lernt sie, sich mit ihrer eigenen Behinderung auseinanderzuset- zen, und hat die Möglichkeit, sich als Expertin in eigener Sache für die Rechte von Menschen mit Lern- schwierigkeiten auf ein selbstbe-
Alle Veranstaltungen finden in der Schaffarei und in der AK Vorarlberg in Feldkirch, Widnau 10, statt / Eintritt frei / Detailliertes Programm und Informationen zu den Formaten auf: schaffarei.at
stimmtes Leben einzusetzen. Der Verein „Mensch zuerst“
schaffarei.at Ein Projekt der Arbeiter- kammer Vorarlberg
Sechs Frauen und Männer mit Lernschwierigkeiten leiten den Verein „Mensch zuerst“ mit Unter- stützung selbst. Heidis Aufgabe ist die Vernetzung – mit anderen Selbstvertretungsgruppen in ganz Österreich, aber auch mit anderen Vereinen und Institutionen. Sie hält Vorträge, veranstaltet Events und leitet Aktionen, wie zum Bei- spiel die „Menschenkette für glei- che Rechte“ in Innsbruck. Auf die Frage, welches Recht für Heidi per- sönlich am wichtigsten ist, kommt die Antwort prompt: „Fein wäre, wenn jeder Wahlmöglichkeiten hat. Das heißt, jeder Mensch soll entscheiden können, wo er wohnen will, wo er arbeiten will und wie er seine Freizeit gestalten will.“ Heidi lebt es vor: Sie hat einen Job, der ihr gefällt, eine eigene Woh- nung, viele Freunde und viele Hob- bys. Doch eines ist ihr besonders wichtig: Kein Mensch mit Lern- schwierigkeiten schafft das alleine – und ganz egal, wie hoch der Unter- stützungsbedarf ist, das Recht auf Selbstbestimmung sollte für alle Menschen gelten. Dafür tritt Heidi ein, als Botschafterin, als Unter- stützerin und als Vorbild dafür, das eigene Leben selbst in die Hand zu nehmen.
FIROBAD
Firobad Zu einem unglaublich spannenden und berührenden Austausch entwickelte sich das jüngste Erzählcafé „Firobad“ in der Schaffarei: Karl Bitschnau begleitet als Leiter von Hospiz Vorarlberg Menschen auf ihrem letzten Weg. Marketinglady Sandra Hermes betreut u. a. die Plattform für Alleinerziehende beim Familienver- band. Maria Benzer erlebt beglückende, aber auch fordernde Mo- mente als Kindergartenpädagogin. Alle drei boten ungeschminkte Einblicke in ihren Werdegang und Berufsalltag. Der nächste Firobad findet am 15. Juni statt. Anmeldung unter schaffarei.at
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