2 Meinung und Politik
Mai 2023
Der Gierflation den Kampf ansagen: 191. Vollversammlung der AK Vorarlberg fordert Maßnahmen gegen Teuerung, in der Pflege und beim Wohnen Für erschwingliche Lebensmittel und leistbares Wohnen
LEITARTIKEL Vieles falsch eingeschätzt
Die Teuerungswelle hat mittlerweile Dimensionen erreicht, die auch die klassische Mittelschicht massiv unter Druck setzt. Die von der Regierung gewählten Gegenmaßnahmen wie die Ein- malzahlungen oder die Indexierung von Sozialleistungen waren zur Abfederung der Effekte wohlgemeint, haben das eigentliche Problem aber nicht beseitigt. Vielfach ungerechtfertigte Preiser- höhungen durch die Unternehmen ohne sachlichen Hintergrund sind leider eine Tatsache, die selbst seriöse Quellen wie die Öko- nomen der Europäischen Zentralbank bestätigen. Lediglich eine Handvoll den Unternehmerverbänden nahestehende Ökonomen vertreten heute die Meinung, dass die immer auf die Preiserhö- hungen folgenden Lohnabschlüsse Schuld an der Inflation seien. , Gierflation ist keine Unterstellung, sondern ein empirisch belegtes Faktum. Rainer Keckeis Direktor der AK Vorarlberg Gegen die Preistreiber anzukämpfen, ist ein wahrlich schwieriges Unterfangen, dem sich die Regierung erst gar nicht stellt. Keine Preiskontrollen, eine relativ schwache Wettbewerbskontrolle und vor allem keine gesetzlich verordneten Preisdeckel führen dazu, dass unsere Inflationsrate deutlich höher liegt als im EU-Durch- schnitt. Das heißt nicht, dass Preisdeckel immer das Allheilmittel gegen Inflation sind. Ungarn ist diesen Weg gegangen und hat heute die höchste Inflationsrate Europas. Aber einen befristeten Mietpreisdeckel und eine strikte Preiskontrolle bei wichtigen Grundnahrungsmitteln hätte die Regierung durchaus veranlas- sen können. Damit wäre die Inflation deutlich gedämpft worden, ohne dass es das Budget belastet oder die gewerblichen Vermieter in den Ruin getrieben hätte. Angenehmer Nebeneffekt für die Unternehmer:innen wäre gewesen: Die Ausgangsbasis für die nächsten Lohnverhandlungen wäre deutlich niedriger. So aber geht die Preistreiberei ungemindert mit ungewissem Ausgang weiter.
Standing Ovations spendeten alle 70 Kammerrät:innen dem schei- denden AK Direktor Rainer Keckeis. Er geht Ende Juni in Pension.
Rainer Keckeis: „Habe diesem Haus mit Freude gedient.“
PARLAMENT. 1148.000 Mal haben die Vorarlberger:innen ihre AK 2022 um Hilfe gebeten. Immer mehr Men- schen kommen allein nicht mehr zurecht. Deshalb forderte das Vor- arlberger Arbeitnehmerparlament dringlicher denn je entschiedene Maßnahmen für die krisengebeu- telte Bevölkerung: leistbares Woh- nen, erschwingliche Lebensmittel, erträgliche Arbeitsbedingungen z. B. in der Pflege. Weg mit den Scheuklappen Die 191. Vollversammlung der Ar- beiterkammer in Feldkirch stand ganz im Zeichen der vielfältigen Belastungen unserer Tage. Stich- wort Pflege: Alle Fraktionen fordern das Land auf, die Ausbildung der
diplomierten Pflege wieder aufzu- nehmen. „Ihre Abschaffung war ein Fehler“, kritisiert AK Präsident Bernhard Heinzle. „Wir haben viel zu wenige Pflegekräfte. Einige hun- dert Pflegebetten stehen leer. Wir brauchen dringend verlässliche Dienstpläne, bessere Gehälter und familienfreundliche Arbeitsbedin- gungen.“ Heinzle fordert Landesrä- tin Katharina Wiesflecker überdies auf, ihre ideologischen Widerstände gegen das AK Modell für pflegende Angehörige aufzugeben: „Wir wis- sen auch, dass es nicht die Lösung schlechthin ist, aber es ist wenigs- tens eine.“ Zur völlig gescheiterten Kassen- reform lieferte FCG-Kammerrat Manfred Brunner die erschrecken-
den aktuellen Zahlen: „Vorarlberg wird bis 2027 sage und schreibe 85,5 Millionen Euro in den Bundestopf einzahlen müssen, während allein die Wiener Krankenkasse 958 Mil- lionen an Verlusten produziert. Das also ist aus der versprochenen Pa- tientenmilliarde geworden.“ Alle Fraktionen außer der FPÖ fordern für die Länder die Finanz- und Per- sonalhoheit zurück. Verrückte Politik Die Teuerung legte sich wie ein grau- er Schatten über alle Diskussionen des Arbeitnehmerparlaments. An- gesichts der Rat- und Tatenlosig- keit der Politik gegenüber explodie- renden Wohnkosten fragt sich AK Präsident Heinzle, „ob die Damen
▸ E-Mail: direktion@ak-vorarlberg.at
GASTKOMMENTAR Challenge accepted?
Wir können mit der Rakete auf den Mond fliegen, schaffen es aber noch nicht, hier auf Erden ein gutes Leben für alle zu gestalten. Der technologische Fortschritt ist auf vielen Ebene fast schon über- irdisch. Können wir diesen Innovationsanspruch bitte auch für unser soziales Miteinander entwickeln? Ich mag ja Challenges! Für soziale Innovation braucht es Verhaltensänderungen. Der innere und kollektive Schweinehund ist oft sehr mächtig! Good News: Mit einer klaren Vision verändern sich Werte, und Glau- benssätze richten sich neu aus. Dadurch wird klar, welche Fähig- keiten du brauchst, um diese Welt, in der du leben willst, mitzuge- stalten. Diese neuen Fähigkeiten ermöglichen dir ein anderes , Mit Empathie können wir heraus ragende Lösungen erfinden, um unser aller Leben gut zu gestalten. Lisa Praeg, B.A. fördert Partizipation, Kollaborations- kultur und Bildungsinnovation Verhalten. Auf individueller Ebene ist das noch überschaubar. Auf gesellschaftlicher Ebene – hey, magst du auch Challenges? Wie sieht diese Welt aus, in der DU leben willst? Ist es dort auch möglich, dass alle Menschen ihre Potenziale entdecken und leben? Sorgen wir da auch gut für alle und haben Freude am Miteinan- der? Gibt es dort auch so ein cooles, schlaues Ökonomie-System, mit dem genug für alle da ist? Um dieser Welt ein paar Schritte näher zu treten, initiierten wir den Bürger:innen-Rat „Carearbeit und Vereinbarkeit“. Damit da superkalifragiliticexpialigetische Lösungen herauskommen, brauchen wir dich: Nimm an der Onlineumfrage teil und komm am 3. Juli zum Bürgercafé zur Ergebnispräsentation!
FAV: erste Anlaufstelle bei Fragen der Weiterbildung AK und Land Vorarlberg eröffnen die Fördergesellschaft für den Arbeitsmarkt Vorarlberg GmbH (FAV) – bedarfsorientierte Qualifizierung ist so wichtig
ERÖFFNET. Im neu errichteten Bärenhaus in Feldkirch hat die För- dergesellschaft FAV ihre Räume bezogen und das erste Arbeitspro- gramm präsentiert. AK und Land werden in der FAV gemeinsam dem Fachkräftemangel entgegenwirken und den Arbeitsstandort Vorarl- berg stärken. Die Menschen begeistern Der Vorarlberger Arbeitsmarkt steht vor großen Herausforderun- gen: Die Gesellschaft altert. Viele Unternehmen suchen heute schon händeringend Fachkräfte. „Um die- sen Herausforderungen gerecht zu werden, gilt es, zukunftsträchtige Ausbildungsmöglichkeiten zu för- dern, die Menschen für die Arbeit in Vorarlberg zu begeistern und allen einen gleichberechtigten Zugang
markt Vorarlberg GmbH (FAV) als Koordinationsstelle und Kompe- tenzzentrum ins Leben gerufen. Die FAV unterstützt Unternehmen bei der Suche nach Fachkräften und in der Weiterbildung ihrer Mitarbei- ter:innen. Für Vorarlberger Beschäf- tigte ist sie erste Anlaufstelle bei Fragen der Weiterbildung und Fi- nanzierung und wird die regionalen Arbeitsmarktakteur:innen regelmä- ßig an einen Tisch bringen. Bessere Vereinbarkeit Ziel ist es, die Zusammenarbeit zu koordinieren, Projektkooperationen anzustoßen und Synergien ideal zu nutzen, damit das Potenzial der Arbeitskräfte am Standort noch bes- ser ausgeschöpft wird. Dazu gehört auch die Förderung einer besseren Vereinbarkeit von Beruf und Fami-
zum Arbeitsmarkt zu ermöglichen“, bekräftigt FAV-Initiatorin und desig- nierte AK Direktorin Eva King. Deshalb haben AK und Land die Fördergesellschaft für den Arbeits- Dompfarrer Fabian Jochum bat im Namen aller um göttlichen Beistand für die FAV und die Menschen am Arbeitsmarkt.
▸ Mehr Info unter www.bürgerinnenrat.at/carearbeit und www.kollaborationskultur.com
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