Politik 15
Jänner 2023
Wirklich gleich? UNFAIR. Österreich hat die zweit- höchste Dichte an Ärzt:innen in Europa. Trotzdem gibt es Ver- sorgungslücken. Und schlimmer noch: Während die Zahl der Kas- senärzt:innen mit äußersten An- strengungen einigermaßen stabil gehalten wird, boomen Privator- dinationen. Dort gilt: Wer zahlen kann, kommt dran. Per Gesetz bekommen Versicherte, die einen Wahlarzt konsultieren, zwar von ihrer Krankenkasse 80 Prozent je- nes Betrages rückerstattet, den die Kasse für die gleiche Leistung ih- rem Vertragsarzt bezahlt hätte. Al- lerdings haben die Wahlärzt:innen bei der Gestaltung ihrer Honorar- höhe völlig freie Hand. In der Reali- tät bekommen Patient:innen daher oft deutlich weniger als 80 Prozent des Betrages, den sie beim Wahlarzt berappen mussten, rückerstattet, was eine erhebliche Belastung für Menschen mit geringem Einkom- men bedeuten kann, die nicht mo- natelang auf einen Termin beim Kassenarzt warten wollen. Die befürchtete Zwei-Klassen- Medizin wird zunehmend zur Realität. Wie geht das weiter? Und vor allem: Wie sähe ein wirksames Gegenmittel aus?
Liste AK-Präsident Bernhard Heinzle – FCG-AK-Fraktion
Liste Manuela Auer – FSG
Ärzt:innen: mit „Vertretungs- Pool“ das System entlasten
Nein zur Zwei-Klassen- Medizin!
dazu, dass offene Kassenarzt- stellen immer öfter nicht be- setzt werden können, obwohl sich gleichzeitig am selben Ort Wahlärzt:innen nieder- lassen. Diese Situation höhlt das bestehende gute Gesund- heitssystem zunehmend aus. Gegensteuern kann und muss man mit einem Modell, das Wahlärzt:innen, aber auch Spitalsärzt:innen die Möglichkeit bietet, in der kos- tenlosen Sachleistungsver- sorgung in Arztpraxen mit-
zuwirken. Mit einem solchen „Ärzt:innen-Vertretungspool“, welcher Vertretungen für Vertragsärzt:innen orga- nisiert (z. B. während einer karenz- oder krankheits- bedingten Schließung) oder den Betrieb in aktuell nicht nachbesetzbaren Praxen si- cherstellt, könnten Lücken geschlossen und so das Sys- tem entlastet und für alle ge- rechter zugänglich werden. ▸ E-Mail: bernhard.heinzle@ ak-vorarlberg.at
sätzliche Kosten in Kauf neh- men. Das darf nicht sein. Der Zugang zu ärztlicher Versor- gung muss kostenfrei sein! Leider gibt es mittlerweile mehr Wahlärzt:innen als Kas- senstellen, weil Wahlärzt:in- nen ihre Honorare und Öff- nungszeiten selbst bestimmen können. In vielen Bereichen herrscht ein akuter Mangel an Kassenärzt:innen, etwa in der Augenheilkunde, der Psychia- trie und bei Kinderärzt:innen. Die Politik muss die Reißleine
ziehen! Kassenstellen müssen für Mediziner:innen attrak- tiver sein. Dazu müssen die Rahmenbedingungen ver- bessert werden. Auch mehr Primärversorgungszentren würden einen Beitrag leisten. Immerhin setzt die ÖGK eine Forderung von uns um: Sie vergibt 50 Stipendien an Me- dizinstudierende für Kassen- arzttätigkeit. Doch es braucht noch deutlich mehr! ▸ E-Mail: manuelaauer@ manuelaauer.at
Bernhard Heinzle
Manuela Auer
EINBINDEN. Unser Gesund- heitssystem gehört bekann- terweise zu den besten der Welt – jede:r wird behandelt, wenn er oder sie ein Problem hat. Allerdings führen die Vorteile der Wahlärzt:innen in einem völlig freien Markt
ÜBERFÄLLIG. Wer aktu- ell einen Hausarzt braucht, muss Geduld haben! Die Hausärzt:innen werden über- rannt, weil es einfach zu we- nige gibt. Folglich müssen die Patient:innen auf Wahlärzte ausweichen und dafür zu-
Liste Freiheitliche + Parteifreie Arbeitnehmer – FA
Liste Heimat aller Kulturen – HaK
Gesundheitsversorgung mit Qualität für alle Vorarlberger
Wer zahlt, wird schneller behandelt
kann, wird schneller behan- delt. Die befürchtete Zwei- Klassen-Medizin wird Reali- tät. Für diejenigen, die sich die private Krankenversicherung nicht leisten können, gilt: warten, bis der Arzt kommt. Für eine Hüftprothese oder eine Augenoperation kann das ein knappes Jahr dauern. In manchen Fachbereichen klafft die Schere zwischen Wahl- und Kassenärzt:innen weit auseinander, so etwa in der Kinder- und Frauenheilkunde
heitssystem haben sich in den letzten Jahren aber ganz massive Probleme und Defizi- te bei uns im Land entwickelt. Mittlerweile haben wir im gesamten Gesundheits- und Pflegebereich einen enormen Personalmangel, der sich natürlich auch in Qualitäts- verschlechterungen in der Ver-sorgung niederschlägt. So werden etwa die Wartezei- ten bei Ärzt:innen sowie bei Operationen in unseren Spi- tälern immer länger und die
Belastungen für die Ärzt:in- nen und die Patient:innen im- mer größer. Um wieder eine Verbesse- rung der ärztlichen Versorgung herzustellen, brauchen wir vor allem eine Offensive zur Bekämpfung des Ärzt:innen. Anstatt aber die notwendigen Verbesserungen zu schaffen, schaut die schwarz-grüne Re- gierung tatenlos zu, wie die Lage immer dramatischer wird. ▸ E-Mail: michael.koschat@ fpoe-satteins.at
oder der Psychiatrie. Dort gibt es bereits mehr Wahl- als Kas- senärzt:innen. Das wird zu einer unlösbaren Aufgabe für die Politik. Abwarten ist hier mit Sicherheit die falsche Stra- tegie. Es müssen dringend An- reize für Kassenärzt:innen ge- schaffen werden, damit nach dem Prinzip der Solidarität für jeden Menschen eine ver- nünftige Krankenversorgung sichergestellt werden kann. ▸ E-Mail: info@hak-online.at
Michael Koschat
Murat Durdu
DEFIZITE. Für uns ist klar: Es muss für alle Vorarlber- gerinnen und Vorarlberger unabhängig von Alter, Ein- kommen und Wohnort eine qualitätsvolle medizinische Versorgung zur Verfügung stehen. Gerade im Gesund-
BRISANT. Österreich hat die zweithöchste Dichte an Ärzt:innen in Europa. Trotz- dem gibt es Versorgungslü- cken. Während die Zahl der Kassenärzt:innen sich nicht ändert, boomen Privatordina- tionen. Dort gilt: Wer zahlen
Liste NBZ – Neue Bewegung für die Zukunft
Liste Gemeinsam – Grüne und Unabhängige
Medizin für ein Gesundheitssystem für alle
Wir haben mittlerweile ein Drei-Klassen-System!
dringend die Basisversorgung verbessern und für bestehen- de Vertragsärzt:innen die Rahmenbedingungen verbes- sern und attraktiver machen. In öffentlichen Diskussionen über das Gesundheitssystem kommt heraus, dass man sehr lange Wartezeiten hat und dass man im Untersuchungs- zimmer zu schnell abgefertigt wird. Auch einen Termin bei einem Arzt zu bekommen ist sehr schwierig, wenn ein Hausarzt in die Pension geht,
wiesen sind, sondern auf eine gute Versorgung im öffentli- chen Gesundheitssystem hof- fen können. Zumindest war es lange so. Mehr und mehr bewegen wir uns aber in eine Zwei-Klassen-Medizin. Eine private Zusatzversicherung ist kein Luxus mehr, den sich einige wenige leisten, sondern wird zur Voraussetzung, um etwa zeitnah einen Termin zu erhalten. Es muss unser gemeinsames Interesse sein, diesen Trend wieder rückgän-
gig zu machen. Maßstab muss die gleichberechtigte Versor- gung für alle sein, nicht der Profit von Privatärzt:innen und Versicherungen. Ein Kassenarztvertrag muss wieder attraktiver werden. Möglichkeiten, aus Krankheit Profit zu schlagen, müssen eingeschränkt wer- den. Auch Privatärzt:innen müssen einen Beitrag zur all- gemeinen Versorgung leisten. ▸ E-Mail: sadettin.demir@ gemeinsam-ug.at
braucht man sehr viel Geduld, um einen neuen zu finden, Patient:innen werden erst gar nicht aufgenommen oder zu einem anderen verwie- sen. Aus diesen und anderen Gründen entscheiden sich viele daher für eine Zusatz- versicherung, die aber das System der Zwei-Klassen-Me- dizin manifestiert. Wer zahlt, kommt früher dran und wird besser behandelt. ▸ E-Mail: info@nbz-online.at
Adnan Dincer
Sadettin Demir
DRINGEND. Es ist ein Fak- tum, dass wir mittlerweile so- gar ein Drei-Klassen-System haben, dabei müssen wir nur die Zahl der Kassen- und der Wahlärzt:innen anschauen. Die Zahl der Wahlärzt:innen nimmt stetig zu. Wir müssen
GESUND? Ein großer Dorn im Auge ist der Versiche- rungswirtschaft das vor- wiegend umlagefinanzierte Gesundheitssystem. Wie viel Gewinn geht ihr verloren, weil wir nicht auf eine private Krankenversicherung ange-
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