KW9 Ausgabe 2/2025

SPURWECHSEL

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G roß ist er zwar, und kräftig sicher- lich auch. Doch seine Art ist so zugewandt und freundlich, dass man sich kaum vorstellen kann, wie Fabian Böhler noch vor wenigen Jahren Ladendieb:in- nen das Handwerk gelegt hat. Vor allem, weil er sich heute mit Herzblut dafür ein- setzt, Straffällige auf dem Weg zurück in die Normalität zu unterstützen. Dass Fabian über eine auffallend hohe Sozialkompetenz verfügt, hat schon ein Eignungstest in der Hauptschule gezeigt. Und womöglich hätte sein Weg direkt in die Sozialarbeit geführt, hätte er nicht seine Ausbildung kurz vor der Matura wegen Mobbing abbrechen müssen. Nach einem freiwilligen sozialen Jahr in der Kleinkindbetreuung holt er seinen Abschluss in der Abendschule nach und beginnt nebenbei in einem Sicherheits­ unternehmen zu arbeiten. Zunächst ist Fabian als Security und schließlich vier Jahre als Detektiv in Lebensmittel- geschäften, Bekleidungsgeschäften und Baumärkten im Einsatz. »Das war für mich eine prägende Zeit, die mich per- sönlich sehr weitergebracht hat«, sagt er rückblickend. Von gut situierten Mittfünf- ziger:innen, die sich beim Klauen den »Kick« holen, bis zu Menschen, die am Ende des Monats nicht mehr wissen, wie sie ihre Lebensmittel bezahlen sollen, hat er es mit den unterschiedlichsten Fällen zu tun. Manche davon gehen ihm persön- lich sehr nahe. Also versucht der junge Detektiv, Menschen in Notsituationen Anlaufstellen und Hilfsangebote zu ver- mitteln, statt ihnen lediglich ein Bußgeld aufzubrummen oder sie der Polizei zu übergeben. Alles, bloß keine Straffälligen Mit der Abendmatura in der Tasche macht sich Fabian auf die Suche nach einem Studium, das ihn interessiert. Sei- ne Wahl fällt auf den Studiengang »Soziale Arbeit« an der FH Vorarlberg in Dornbirn. Als es darum geht, einen Platz für ein Ori- entierungspraktikum zu finden, kommt für ihn alles in Frage – nur eines will er auf keinen Fall: nämlich einen Job, in dem er mit Straffälligen oder Suchtkran-

Früher hat er Laden-

dieb:innen das Handwerk ge- legt, heute ist Fabian Böhler Sozialarbeiter mit Leib und Seele.

ken zu tun hat. Zu groß ist sein Respekt davor, dort Menschen zu begegnen, die er als Detektiv aufgegriffen hat. Das wäre doch, so seine Befürchtung, sehr unglaub­ würdig. Sein Dozent rät ihm dennoch dazu, sich beim Verein »Neustart« zu bewerben – und Fabian folgt seinem Rat. Am Anfang sitzt er tatsächlich fast jeden Tag jemandem »von draußen« gegen- über. In den meisten Fällen gelingt es dem angehenden Sozialarbeiter jedoch rasch, eine vertrauensvolle Beziehung zu seinen Klient:innen aufzubauen. Denn er geht unvoreingenommen auf Menschen zu. Eine Stärke, die ihm schon in der Detektei oft geholfen hat. Vom Ehrenamt zum Hauptberuf Sein Dozent sollte also recht behal- ten: Der Job ist perfekt für Fabian – und er selbst ist froh, dass er den Mut hatte, den Weg zu gehen. Als Student arbeitet er zunächst zwei Jahre ehrenamtlich für den Verein, bevor er seine Tätigkeit hauptberuflich aufnimmt. Seine Haupt- aufgaben liegen in der Bewährungshilfe und in der Vermittlung von gemeinnüt- ziger Leistung. Gemäß dem Motto »Ächte die Tat, aber achte die Täter:innen« ist das Ziel der Bewährungshilfe, Straffällige

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