Politik 15
September 2024
Wie muss Schule sein? Heuer stehen mehr als 150 Lehrer:innen neu in den Klassen – ohne Ausbildungsabschluss
ENGPASS. Eigentlich müss- ten nach neun Wochen Ferien alle entspannt ins neue Schul- jahr gehen. Aber schon zeigt es seine Tücken: Die Eltern, die für den Schulbesuch ihres Kin- des pro Jahr im Durchschnitt rund 2.200 Euro locker ma- chen müssen, spüren die finan- zielle Belastung zu Beginn des Schuljahres am stärksten. Die Direktor:innen, die genügend
Lehrpersonal und Klassenvor- ständ:innen gefunden haben, wischen sich den Schweiß von der Stirn. Und die Schüler:in- nen? Selbst die jüngsten werden nur mit viel Glück Vorarlberg als Modellregion der Gemeinsa- men Schule noch erleben, weil die Mühlen von Politik und Ver- waltung langsam mahlen. Wir haben die Fraktionen der AK um ihre Schulvision gebeten.
Liste Manuela Auer – FSG
Liste AK Präsident Bernhard Heinzle – FCG
Chancengleichheit statt zementierter Ungleichheit
Beste Bildung für unsere Kinder erfordert Reformmut
eine dringend notwendige Bildungsreform wurden ver- schlafen. Die Leidtragenden sind die Lehrer:innen, Eltern und vor allem die Kinder. Es braucht deutlich mehr In- vestitionen in das Bildungs- system und Mut, Reformen anzugehen. Nur so können wir Eltern und Lehrer:innen entlasten und den Kindern beste Bildung zukommen las- sen. Ganz wesentlich dafür ist die Umsetzung der gemeinsa- men Schule der 10- bis 14-Jäh-
an Ideen: Wir brauchen eine gemeinsame Schule für die 10- bis 14-Jährigen, um die soziale Durchmischung und die Chancengleichheit zu fördern. Soziale Ungleichheit ist eine der zentralen Heraus- forderungen im Schulsystem, der Bildungserfolg hängt bei uns stark vom sozioöko- nomischen Hintergrund ab. Wir brauchen ganztägige Betreuungsangebote. Fi- nanzielle Mittel müssen be- darfsgerecht bereitgestellt
werden. Politische Bildung sollte Pflichtfach werden und die freie Schulwahl für alle möglich sein. Es sind nicht die Lehrkräfte, die einer zeit- gemäßen Schule im Weg ste- hen, die meisten Lehrenden sind engagiert, sie bringen Ideen und den Wunsch nach Veränderung mit. Es sind die starren Rahmenbedingun- gen, die eine echte Schulent- wicklung hemmen. ▸ E-Mail: bernhard.heinzle@ ak-vorarlberg.at
rigen, die Druck aus dem Sys- tem nimmt und allen Kindern gleiche Bildungschancen bie- tet. Es braucht wirksame Maß- nahmen gegen den Lehrer:in- nenmangel. Der Beruf muss aufgewertet und die Aus- bildung reformiert werden. Bildung muss von der nächs- ten Regierung zur zentralen Aufgabe erklärt werden – im Sinne der Beschäftigten, der Eltern und der Kinder. ▸ E-Mail: manuelaauer@ manuelaauer.at
Manuela Auer
Bernhard Heinzle
STILLSTAND. Seit der Ein- führung der Schulpflicht vor 250 Jahren hat sich die Welt radikal verändert. Geht es jedoch um die Frage „Wel- che Schule brauchen wir?“, herrscht politischer Still- stand. Dabei mangelt es nicht
MUT. Die Lehrer:innenge- werkschaft spricht von „Not- betrieb“ in unseren Schulen – eine Folge der Untätigkeit der Bildungsverantwortlichen auf Bundes- und Landesebe- ne. Maßnahmen gegen den Lehrer:innenmangel und
Liste Freiheitliche Arbeitnehmer – FPÖ
Liste Heimat aller Kulturen – HaK
Deutsch als Voraussetzung!
Für ein gerechtes und modernes Bildungssystem
sprache von über 50 Prozent. Das stellt zum einen unsere Lehrer:innen vor immer grö- ßere Herausforderungen. Zum anderen gefährdet diese Entwicklung auch das Unter- richtsniveau für heimische Schülerinnen und Schüler und weiters auch ein gere- geltes Miteinander aufgrund von Sprachbarrieren. Wir sagen deshalb: Deutsch ist Pflicht! Eltern müssen beim Spracherwerb ihrer Kinder einerseits unterstützt und
andererseits zur Kooperation verpflichtet werden. Deshalb wollen wir die Sprachförde- rung als zusätzliches Element im Eltern-Kind-Pass ver- ankern. Eltern müssen ver- stehen, dass sie ihre Kinder beim Erwerb der deutschen Sprache aktiv unterstützen müssen. Verweigern sie diese Unterstützung, sollen Konse- quenzen wie die Streichung von Sozialleistungen folgen . ▸ E-Mail: michael.koschat@ fpoe-satteins.at
den. Gemeinsames Lernen im Klassenverband fördert sowohl sprachliche als auch soziale Entwicklung. Der Sprengelzwang, der Kinder an Schulen ihres Wohnbezirks bindet, führt in einigen Be- zirken zu Schulen mit beson- ders vielen Schüler:innen mit nichtdeutscher Mutterspra- che. Um eine bessere Durch- mischung zu erreichen, sollten Ausnahmen möglich sein. Der Umgang mit Künst- licher Intelligenz muss Teil
der schulischen Ausbildung werden, um Schüler:innen auf die Zukunft vorzuberei- ten. Dabei müssen sowohl Chancen als auch Risiken, etwa Datenschutz und Mani- pulation, vermittelt werden. Auch Medienkompetenz ist entscheidend, um Kinder frühzeitig für die Gefahren wie Cybermobbing, Fake News und Datenmissbrauch zu sensibilisieren. ▸ E-Mail: info@hak-online.at
Michael Koschat
Beyaz Yoğurtçu-Acar
PFLICHT. Die Anzahl an Kin- dern, die Deutsch nicht als Muttersprache haben, steigt in Vorarlberg immer weiter an. Im Schuljahr 2023/24 hatten wir in 32 Pflichtschu- len einen Anteil von Kindern mit nicht deutscher Mutter-
AUSNAHMEN. Die Praxis der Deutschförderklassen, in denen Schüler:innen, die der deutschen Sprache nicht „ausreichend“ mächtig sind, oft willkürlich getrennt wer- den, behindert die Integrati- on und sollte überdacht wer-
Liste Neue Bewegung Zukunft – NBZ
Liste Gemeinsam – Grüne und Unabhängige
Es wäre schon lange dringend Zeit für Reformen
Zukunftsorientierte Schulreform
duelle Begabungen, Schule als ein Ort für Integration und Inklusion, an dem Demo- kratie gelebt wird. Schulen verstärken aber derzeit noch vorherrschende Benachtei- ligungen. Schulen müssen zu Zentren für Chancenge- rechtigkeit und gegen Dis- kriminierung und Rassismus werden. Wann kommt end- lich die gemeinsame Schule der 10- bis 14-Jährigen? Wann kommt mehr Personal, das die Lehrer:innen in ihren ad-
ministrativen und psychoso- zialen Aufgaben unterstützt? Wann erhalten Schulen mehr Entscheidungsfreiheit, um sich ihren Bedürfnissen ent- sprechend entwickeln zu können? Schule muss (wie- der) ein attraktiver Arbeits- platz werden. Schule muss Persönlichkeiten stärken und Talente entfalten. Mächtige Minderheiten blockieren. Wir müssen sie loswerden! ▸ E-Mail: sadettin.demir@ gemeinsam-ug.at
zen. Ein weiterer Punkt ist die individuelle Förderung. Schülerinnen sollten in ih- ren Talenten und Interessen stärker unterstützt werden. Der Unterricht muss flexi bler sein, um verschiedenen Lernstilen gerecht zu werden. Differenzierung und perso- nenzentriertes Lernen soll- ten im Vordergrund stehen. Auch die Zusammenarbeit zwischen Schule, Elternhaus und Wirtschaft sollte intensi- viert werden. Praxisprojekte
und Kooperationen mit Un- ternehmen können wertvolle Einblicke in die Berufswelt ermöglichen und die Brücke zwischen Theorie und Praxis schlagen. Zudem muss die so- ziale und emotionale Bildung stärker gefördert werden. Die Schule sollte ein Ort sein, an dem neben Wissen auch Wer- te wie Empathie, Teamfähig- keit und Resilienz vermittelt werden. ▸ E-Mail: info@nbz-online.at
Adnan Dincer
Sadettin Demir
WANN ENDLICH? Öster- reich hat eines der teuersten, aber dennoch ein ineffizien- tes Schulsystem. Der Reform- bedarf liegt seit Langem auf der Hand. Ebenso lange lie- gen Lösungen auf dem Tisch: mehr Augenmerk auf indivi-
DIGITAL. Die Integration di- gitaler Medien ist unverzicht- bar: Schüler:innen müssen im Umgang mit Computern und dem Internet gründlich geschult werden und lernen, diese Werkzeuge kritisch und verantwortungsvoll zu nut-
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