4 Arbeitsrecht und Konsumentenschutz
April 2024
Die Tochter von Frau B. erkrankte an Windpocken. Foto: Alex Tihonov / stock.adobe.com
Frau B. konnte nicht zur Arbeit, weil sie ihre kranke Tochter pflegen musste. Ihr Chef wollte, dass sie dafür ihren Zeitausgleich aufbraucht. Die AK Vorarlberg schritt ein. Kind war krank – Angestellte sollte Zeitausgleich nehmen
ARBEITSRECHT. Rote Flecken im Gesicht und Fieber: Als Frau B. ihre Neunjährige am Morgen weckt, ist ihr sofort klar, dass diese nicht zur Schule kann. Der Kinder- arzt bestätigt den Verdacht. Das Mädchen hat Windpocken und muss zu Hause bleiben. Da Frau B. alleinerziehend ist, kann sie nicht zur Arbeit gehen. Das hat sie ihrem Arbeitgeber auch umgehend gemeldet. Für zwei Wochen könne sie nicht zur Arbeit kommen. Ihr Chef zeigte zunächst vermeintliches Ver- ständnis, die Arbeitsverhinde- rung sei kein Problem. Doch dann der Hammer: Frau B. habe ja genü- gend Zeitguthaben angespart und solle daher Zeitausgleich konsu- mieren. AK Expert:innen befragt Der Mutter kam diese Anweisung seltsam vor und sie fragte bei der AK Vorarlberg nach. Und die Ar- beitsrechtsexpert:innen konnten ihre Zweifel bestätigen: Diese Vor- gehensweise ist nicht korrekt. Ein:e Arbeitnehmer:in hat nämlich pro Arbeitsjahr Anspruch auf Pflegefreistellung, also auf Fortzahlung des Entgelts, bis zum
Höchstausmaß ihrer regelmäßi- gen wöchentlichen Arbeitszeit (d. h. für die Dauer einer Woche), wenn sie infolge einer Kranken- pflegefreistellung, Betreuungs- freistellung oder Begleitpflegefrei- stellung nachweislich verhindert ist. Eine Woche gespart Nun musste Frau B.s Tochter aber nicht nur eine, sondern zwei Wo- chen daheim bleiben – was dann? Wenn der Pflegefreistellungs- anspruch ausgeschöpft ist und die weitere Pflege des erkrankten unter zwölf Jahre alten Kindes not- wendig ist, kann der betroffene Elternteil ohne vorherige Verein- barung mit dem Arbeitgeber (d. h. ohne dessen Zustimmung) Urlaub nehmen, wobei dies vom Urlaubs- guthaben abgezogen wird. Frau B. teilte ihrem Arbeit- geber die Informationen der AK Expert:innen mit und sparte sich so für die erste Krankheitswoche ihrer Tochter den Konsum von Zeitausgleich.
Wenn Kinder ihren Eltern fürs Gaming ins Portemonnaie greifen
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Die Universität Graz hat im Auftrag der AK unter- sucht, wie viel Geld Kinder und Jugendliche in vermeintlich kostenlosen Online-Spielen aus- geben. Die AK Konsumentenschützer:innen verzeichnen laufend Anfragen von betroffenen Eltern.
befragten Jungen gaben an, irgend- wann einmal (26 Prozent) oder in den letzten zwölf Monaten (59 Pro- zent) In-Game-Käufe getätigt zu haben. Bei den Mädchen waren es lediglich 42 Prozent (je 21 Prozent irgendwann einmal und in den letz- ten zwölf Monaten). Sie geben auch geringere Summen aus: Lediglich 7 Prozent der Mädchen haben insge- samt zwischen 500 und 1.999 Euro ausgegeben, dahingegen aber 22 Prozent der Jungen. Außerdem scheinen Online-Ga- mer:innen mehr Geld auszugeben, je jünger sie sind. Unter den 10- bis 12-Jährigen gaben 85 Prozent an, insgesamt bereits bis zu 499 Euro ausgegeben zu haben. Unter den 17- bis 19-Jährigen waren es „nur“ 66 Prozent. Die In-Game-Käufe erfolgen dabei keineswegs heimlich: 80 Pro- zent der Befragten gaben an, dass ihre Eltern wissen, wie viel sie in Spielen ausgeben. Im Schnitt sind das 170 Euro pro Person und Jahr. Über die Kreditkarte der Eltern Die meisten dieser Käufe werden über Guthabenkarten getätigt (64 Prozent). In 18 Prozent der Fälle
AK klärt auf: Das Märchen von den „Minusstunden“
STUDIE. Drei- oder gar vierstel- lige Beträge, die plötzlich von der Kreditkarte abgezogen werden – ohne dass man weiß, wofür: So ist es schon vielen Vorarlberger:innen ergangen, deren Kinder angeblich kostenfreie Online-Games spielen. Denn die locken mit ausgeklügel- ten Mechanismen zur Zahlung. In ihrem Forschungsprojekt „Insert Coin to Continue“ hat sich die Uni- versität Graz jetzt mit dem Phäno- men der In-Game-Käufe beschäftigt. „Lootboxen“ und „Skin Betting“ Viele Online-Spiele werben damit, kostenlos zu sein, doch über In- Game-Käufe ziehen sie den Spie- ler:innen das Geld aus der Tasche – und das mit Erfolg: Mehr als jede:r zweite Online-Gamer:in hat schon einmal Geld für virtuelle Spielin- halte gezahlt. Das gaben 55 Prozent der 2.610 von Forscher:innen der
Universität Graz befragten österrei- chischen Kinder und Jugendlichen zwischen 10 und 25 Jahren an. Bei diesen In-Game-Käufen handelt es sich in der Regel um drei Inhalte. „Lootboxen“ sind digitale Schatzkisten, die Objekte enthalten können, die der:die Spieler:in zur Verbesserung nutzen kann. Dane- ben gibt es die „Pay-to-win“-Ange- bote, bei denen Spieler:innen durch das Zahlen von Geldbeträgen mit einem Schlag besser werden und so im Spiel aufsteigen können. Beim „Skin Betting“ schließlich werden Charaktere oder Objekte durch Zu- behör „aufgehübscht“ und dann auf Online-Plattformen gegen Geld ge- handelt Jungen besonders betroffen Auffallend ist dabei, dass Jungen deutlich häufiger In-Game-Käufe tätigen als Mädchen. 85 Prozent der
ARBEITSZEIT. Arbeitnehmer:in- nen kommen mit verschiede- nen „Minusstunden“-Szenarien zur AK: Sie arbeiten etwa nach Dienstplan und werden nicht genug eingeteilt, werden wegen Arbeitsmangels früher nach Hau- se geschickt oder können nicht arbeiten, weil eine Maschine aus- gefallen ist. Sie häufen dann „Mi- nusstunden“ an, verlieren Urlaub oder Zeitausgleich. Das ist aber nicht immer rechtens. Wenn man ohne eigene Schuld nicht arbeiten kann, muss man trotzdem das normale Entgelt bekommen. Wenn etwa im Café Was, wenn es keine Arbeit gibt? Viele Re- gelungen zu „Minus- stunden“ sind offenbar unklar.
wenig los ist und die Chefin einen nach Hause schickt, kann man ja nichts dafür. Aber Achtung: Der:die Arbeitgeber:in könnte für diese Zeiten Urlaub, Zeitausgleich oder den Aufbau von Minusstun- den vereinbaren. Dem muss man aber nicht zustimmen! „Sie müssen sich arbeitsbereit und arbeitswillig erklären, zur Be-
weisbarkeit am besten schrift- lich“, rät AK Arbeitsrechts- expertin Glo- ria Kinsperger. „Wenn Sie dann trotzdem nicht eingeteilt oder nach Hause ge-
G. Kinsperger
schickt werden, müssen Sie Ihr Geld ganz normal bekommen und die Stunden dürfen Ihnen nicht abgezogen werden.“
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