Politik 15
April 2024
Vom Sozialbereich bis zur produzierenden Industrie werden Ar- beitskräfte mit und ohne Spezialausbildung dringend gesucht. Fachkräftebedarf in allen Branchen
LÜCKEN. Zuletzt schlugen Vorarlbergs Sozialdienstleis- ter Alarm: Den Institutionen fehlen die Fachleute. Dass sie sich damit in guter Gesell- schaft befinden, hilft ihnen wenig. Über 73 Prozent der österreichischen Unterneh- men suchen bereits vergeb- lich nach fachlich versiertem Personal. Das hat die Wirt- schaftskammer bundesweit erhoben. Bis 2040 sinkt die Zahl der Personen im er- werbsfähigen Alter (20–65 Jahre) demnach um knapp
244.000. Händeringend ge- sucht werden inzwischen auch Arbeitskräfte ohne spe- zielle Kenntnisse. Da freilich hat gut die Hälfte der vorge- merkten Arbeitslosen keine Chance, da sie als höchste Ausbildung maximal einen Pflichtschulabschluss vor- weisen können. Was also tun? Mehr Men- schen qualifizieren? Die Lücken durch gezielte Im- porte von Arbeitskräften schließen? Oder als Arbeitge- ber:in selber attraktiver wer-
den? Wege gäbe es viele: Mit wertschätzendem Umgang, angemessener Bezahlung oder einer Kinderbetreuung, die Vollzeitarbeit erlaubt, wäre schon vielen Arbeits- kräften geholfen. Wir baten die sechs in der Vollversamm- lung der AK vertretenen poli- tischen Gruppierungen um ihre Lösungsvorschläge.
▸ Bildung wird durch die AK umfangreich gefördert. Infos gibt’s online .
Mitarbeiter:innen werden allmählich zur Mangelware. Foto: YouraPechkin, KI / adobe.stock
Liste Manuela Auer – FSG
Liste AK Präsident Bernhard Heinzle – FCG
Echte Verbesserungen statt Marketing
Ungenutzte Potenziale mobilisieren!
Arbeitnehmer:innen! Doch sie sind es, die als Fachkräfte den wirtschaftlichen Erfolg erst ermöglichen, sie sind die Leistungsträger:innen der Wirtschaft. Die zentrale Frage ist daher: Was muss gegeben sein, damit gut ausgebildete Menschen gerne hier leben und arbeiten? Dafür brauchen wir kein „Employer Branding“ und kein gut gemeintes Mar- keting als chancenreichster Lebensraum, wir brauchen Verbesserungen bei den Ar-
beits- und Lebensbedingun- gen. Und das schnell, denn wenn sich die Menschen das Leben in Vorarlberg nicht mehr leisten können, be- kommt der Wirtschaftsstand- ort ein massives Problem. Die AK hat längst konkrete Ideen auf den Tisch gelegt, aber die Politik muss sie umsetzen. Er- möglichen wir den Menschen ein gutes Leben, dann werden wir sie ans Land binden. ▸ E-Mail: bernhard.heinzle@ ak-vorarlberg.at
tigte in Vorarlberg nur eine Stunde mehr arbeiten, würde das über 1200 Vollzeitstellen entsprechen. Es braucht zu- dem gezielte Aus- und Wei- terbildungsangebote, um Ar- beitssuchende entsprechend vermitteln zu können. Zuge- wanderte müssen schneller in den Arbeitsmarkt inte griert werden, dazu braucht es raschere Verfahren bei der Anerkennung von Berufsab- schlüssen und Qualifikatio- nen. Auch gesteuerte Fach-
kräftezuwanderung wird notwendig sein, um den Be- darf zu decken. Letztlich zie- hen gute Arbeitsbedingun- gen in den Betrieben, faire Löhne und Gehälter, flexible und kürzere Arbeitszeiten, eine alters- und alternsge- rechte Unternehmenspolitik Fachkräfte an und machen einen Standort attraktiv. Es gibt viele Hebel, die dringend in Bewegung gesetzt gehören! ▸ E-Mail: manuelaauer@ manuelaauer.at
Bernhard Heinzle
Manuela Auer
GUTES LEBEN. In der Diskussion um den Wirt- schaftsstandort ist oft von Innovation und Wettbewerb die Rede. Erfolg wird in stei- genden Exportzahlen ge- messen. Was kommt zu kurz in dieser Diskussion? Die
VIELE HEBEL. Es schlum- mert ein enormes Arbeits- kräftepotenzial in der Ge- sellschaft. Ein Schlüssel im Kampf gegen den Fachkräf- temangel ist die Senkung der Teilzeitquote bei Frauen. Könnte jede Teilzeitbeschäf-
Liste Freiheitliche + Parteifreie Arbeitnehmer – FA
Liste Heimat aller Kulturen – HaK
Fachkräfteoffensive für Vorarlberg – Lehre stärken!
Neue Wege gegen Fachkräftemangel
zurück. Angesichts des mas- siven Fachkräftemangels ist es Aufgabe der Politik, den Ausbildungsweg der Lehre wieder zu stärken. Dabei geht es zum einen um attraktive Rahmenbedingungen für un- sere Lehrbetriebe. Um diese zu verbessern, fordern wir die Umsetzung eines Modells für die finanzielle Unterstützung von Lehrbetrieben. Zum an- deren braucht es auch bessere Rahmenbedingungen für die Lehrlinge. Dazu wollen wir
eine Lehrlingsbeihilfe, wie sie in einigen Bundesländern schon besteht, einführen. Zudem sollen die weiteren Karrieremöglichkeiten nach Abschluss der Lehre gefördert werden. Dies soll durch die Übernahme der hohen Kosten der Vorbereitungskurse bei einem positiven Prüfungs- abschluss einer Meister- oder Befähigungsprüfung sicher- gestellt werden . ▸ E-Mail: michael.koschat@ fpoe-satteins.at
gelung für die Einwanderung qualifizierter Fachkräfte stellt oft ein unüberwindba- res Hindernis dar. Eine Ver- einfachung dieses Systems könnte den Zuzug dringend benötigter Talente erheblich erleichtern. Ebenso kritisch ist es, jenen Menschen, die jahrelang als „nicht qualifi- zierte Arbeitskräfte“ gearbei- tet haben, durch kurzfristige, zielgerichtete Ausbildungs- programme eine Brücke in den Fachkräftestatus zu bie-
ten. Des Weiteren könnten in- novative Arbeitszeitmodelle dazu beitragen, Arbeitskräfte zu gewinnen und Österreich als attraktives Land für Fach- kräfte zu positionieren. Durch solche Anpassun- gen könnten wir nicht nur den akuten Mangel bekämp- fen, sondern auch langfristig die Wettbewerbsfähigkeit und Innovationskraft unserer Wirtschaft stärken. ▸ E-Mail: info@hak-online.at
Michael Koschat
Beyaz Yoğurtçu- Acar
LEHRE. Eine zentrale Säu- le bei der Rekrutierung von dringend benötigtem Fach- personal bildet in Vorarlberg die Duale Berufsausbildung. Sowohl die Lehrlingszahlen als auch die Zahl der Aus- bildungsbetriebe gehen aber
VIELFALT. Um den wach- senden Fachkräftemangel zu bewältigen, müssen wir dringend unsere Einwande- rungspolitik und unsere Bil- dungswege überdenken. Die derzeitige strenge Punktere-
Liste NBZ – Neue Bewegung für die Zukunft
Liste Gemeinsam – Grüne und Unabhängige
Österreich muss modernes Einwanderungsland werden
Wir brauchen: Investitionen, Vereinbarkeit und Migration
Innovationen zu fördern. Zweitens sollten Maßnah- men zur besseren Vereinbar- keit von Familie und Beruf umgesetzt werden, um mehr Frauen und Männer in den Arbeitsmarkt zu integrieren. Drittens kann die Erleichte- rung der Migration von Fach- kräften helfen, den Bedarf an qualifizierten Arbeitskräften zu decken und Fachwissen aus anderen Ländern zu nut- zen. Viertens ist lebenslanges Lernen entscheidend, um si-
beitskraft betrachtet werden. Menschen, die sich weiter- entwickeln wollen und dafür auch bereit sind, ihre Heimat zu verlassen, schrecken die restriktive Migrationspolitik und der wachsende Rassis- mus davor ab, zu uns zu kom- men. Jüngstes Beispiel für eine verfehlte und schädliche Politik ist die vom Zaun ge- brochene Diskussion um eine Leitkultur. Eine Regierungs- partei fährt eine Kampagne, um Österreich als altmo-
disch, provinziell, konserva- tiv und ausländerfeindlich darzustellen. Das Gegenteil wäre notwendig: eine Kam- pagne für ein weltoffenes, pluralistisches, ökosoziales und modernes Österreich, in dem gebildete und bildungs- willige Menschen unabhän- gig von ihrer Herkunft und ihrem kulturellen Hinter- grund gerne arbeiten wollen und dürfen. ▸ E-Mail: sadettin.demir@ gemeinsam-ug.at
cherzustellen, dass Arbeits- kräfte mit den Anforderun- gen Schritt halten können. Fünftens ist die Stärkung der Zusammenarbeit zwischen Bildungseinrichtungen und Unternehmen von Bedeu- tung. Schließlich erfordert es eine langfristige Planung und Zusammenarbeit auf allen Ebenen, um den Fachkräf- tebedarf zu decken und die Wirtschaft zu stärken. ▸ E-Mail: info@nbz-online.at
Adnan Dincer
Sadettin Demir
WELTOFFEN. Der Fachkräf- temangel hat viele Ursachen und daher nicht nur eine Lö- sung. Neben guten Arbeits- bedingungen und Qualifizie- rungsangeboten muss auch unsere mangelnde Attrakti- vität am Weltmarkt für Ar-
SCHRITTE. Um den Fach- kräftebedarf zu decken, sind mehrere Schritte erforder- lich. Erstens müssen In- vestitionen in Bildung und Forschung getätigt werden, um die Ausbildung von Fach- kräften zu verbessern und
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