Jugend und Arbeit 13
Juni 2022
KIMBERLY PRAXMARER (24)
auf die Suche nach einem Halbtags- job. „Von irgendwas müssen wir ja leben.“ Endlich mal eine Ausbildung beenden, das spukt in ihrem Kopf herum. Aber ihr Wunschberuf Fahr- rad-Mechatronik bleibt der zweifa- chen Mama durch die Berufsschule in Kufstein verwehrt. Da entdeckt sie das Ausbildungszentrum Vor- arlberg. Dort suchen sie Lehrlinge in ihrem Traumberuf. Wenig später steht sie in der Werkstatt des AZV in Hohenems und strahlt. Gleichzeitig sucht sie online nach Eintrittsmöglichkeiten in den ersten Arbeitsmarkt. „In einer Müt- tergruppe hab ich erfahren, dass sie beim Loitz eine Aushilfe suchen.“ Sie ruft sofort an und darf eine Wo- che später vorsprechen. Wenig spä- ter hat sie einen Lehrvertrag in der Tasche, nicht als Fahrradmechatro- nikerin, „da war grad nichts frei“, aber als Einzelhandelskauffrau, mit der Option, dann einmal in die Werkstatt zu wechseln. „Die waren so was von freundlich“, schwärmt Kim. „Der Loitz“ kommt ihr auch entgegen, wenn es um die Betreu- ung ihrer zwei Kinder geht. Und so kommt es, dass sich die 24-jährige Kimberley gemeinsam mit ihrer Tochter Alice (6) im Sep- tember auf den Schulweg macht.
LEHRLINGS- TIPP
Erster Schultag für Mama und Tochter
von Tamara Wojtech, Abtei- lung Lehrlinge und Jugend
Ferialjob Viele Jugendliche nutzen die Sommerferien, um sich das Taschengeld aufzubessern. Erlaubt ist Ferialarbeit ab Voll- endung der Schulpflicht und des 15. Lebensjahres. Da zumeist ein ganz normales Arbeitsverhält- nis eingegangen wird, gelten die üblichen arbeitsrechtlichen Bestimmungen. Dauer des Arbeitsverhältnisses, Arbeitszeit und Entlohnung sollten unbedingt im Voraus ver- einbart und schriftlich festgehal- ten werden. Auch Ferialarbeiter haben Anspruch auf eine schrift- liche Lohnabrechnung. Sofern der anzuwendende Kollektivver- trag dies vorsieht, bekommen die Jugendlichen anteiliges Urlaubs- und Weihnachtsgeld mit der Endabrechnung ausbezahlt. Zudem haben auch Ferialkräf- te Anspruch auf Urlaubstage. Wenn diese nicht verbraucht werden können, müssen sie mit der Endabrechnung abgegolten werden. ▸ Information und Beratung: ak-vorarlberg.at/lehrejugend
VORBILD. Das gibt’s auch nicht oft: Die sechsjährige Tochter und ihre 24 Jahre alte Mama haben zeitgleich ihren ersten Schultag! Wenn im September die Erstklässler:innen im ganzen Land ihre Schulranzen packen, wird es Kimberly (24) ihrer sechsjährigen Tochter Alice gleich- tun. Während die Kleine in die Volksschule trippelt, geht die Mama als Einzelhandelslehrling in die Be- rufsschule. Und das kam so …
nach Ravensburg.“ Dort beginnt Kim eine Pflegeausbildung, aber weil sie ein Schuljahr nachholen müsste, schmeißt sie wieder hin. Sie kommt mit 17 zurück, wird im Jahr darauf mit Alice schwanger, zwei Jahre später bringt sie Yuna zur Welt. Die Beziehung mit dem Kindesvater zer- bricht. Seither kümmert sich Kim- berly allein um ihre zwei Töchter. Als die kleine Yuna in den Kin- dergarten kommt, macht sich Kim
Aufgewachsen ist Kim in der Bregenzer Südtiroler Siedlung. Ih- ren Vater und ihre Stiefgeschwister lernte sie erst mit 18 kennen, „weil ich einfach wissen wollte, wo ich herkomme“. Kim besuchte zwei Volksschulen, hat ein Jahr wieder- holt und fing nach der Kreativhaupt- schule Bregenz Stadt beim Beschlä- ge-Hersteller Blum an. Die Lehre im Werkzeugbau hat sie nach einem Jahr abgebrochen. „Die Mama zog
Nicht alle angehenden Fachkräfte haben’s gleich leicht – das Ausbildungszentrum Vor- arlberg (AZV) ebnet so manchen schwierigen Zugang. Drei Beispiele untermauern das. Viele Wege führen zur Lehrstelle
„Arbeitslos ist richtig scheiße!“ DOMINIK AUER (19)
Auflösung des Rätsels von Seite 8
A L E P P O S O L D A T E N
H U R T I G T E E N I T E
J E T O N E U E X P O U
B R A S S E R R E S N A
G I S B E R T T G U I S E
P S T L F S U R E
O R I E N T I E R E N R E G
U T U R T R A R A L N
S K E U L E N U T E R
G G G E N T I L
E P I
I R K E R H O L T T H
E N E B E T O A S T E N
S C L A V U S H E U S
K
R U N E H R E L U
H U I M I L I E U
L
F
A O W
SINN. „Wenn ich auf der Baustel- le arbeite, dann hock ich nicht blöd herum und tu nichts.“ Mit einem Satz fasst Dominik Auer zusammen, was allen Jugendlichen zu gönnen wäre: Einen Sinn in ihrer Tätigkeit zu finden. Dominik hat Epilepsie. Nicht immer schon, in der Volks- schule in Hohenems war noch al- les in Ordnung. In der Hauptschule Herrenried ging es ihm dann nicht mehr so gut. „Im zweiten Jahre hat- te ich meinen ersten Anfall.“ Sport- mittelschule, Poly, erste Versuche einer Lehrausbildung – Dominiks ganze Geschichte steckt voller Aufs und Abs. Bei einem Innenausstat- ter, beim Spar probiert er sein Glück. Immer wieder zwingen ihn Epi- lepsie-Anfälle in rascher Folge zum Aufgeben. Mit 19 Jahren ist Dominik dann sieben Monate arbeitslos. „Das war
richtig scheiße!“
P I
L
Über das Arbeitsmarktservice (AMS) findet er schließlich zum Aus- bildungszentrum Vorarlberg (AZV). „Ich durfte zwei Tage schnuppern und hab’ sofort begonnen.“ An seinem Lehrplatz als Elektrotechniker lernt Dominik, dass vor allem Stress seine epileptischen Anfälle auslöst. „Heute bin ich nicht mehr so anfällig.“ Für den Fall, dass ihm alles zu viel wird, hat er sich eigene Strate- gien zurechtgelegt: „Ich mach dann eines nach dem anderen“, sagt er und blickt auf eine erfolgreiche Zeit zurück: „Im Jänner hatte ich meinen letzten Anfall.“ Da hagelte es in der Schule sechs Tests in einer Woche. Dominiks Durchhaltevermögen hat sich ausgezahlt. Inzwischen ist er von Elektro Phitsanu in Frastanz übernommen worden und macht seinen Weg als Elektrotechniker.
FLEXENPASS Lösung: FLEXENPASS
▸ AHA-Börse mit 280 Ferienjobs, Nebenjobs und Praktika in der Datenbank unter www.aha.or.at/ ferienjobs Organisationen in Vorarlberg für diesen Sommer Ferialkräfte. Auch vom Festival bis zum Kirch- fest werden landauf, landab hel- fende Hände gegen Entlohnung gesucht. Die Jungen sind wieder heiß be- gehrt. Allein in der Online-Ferial- job-Börse des Aha suchten zuletzt mehr als 280 Unternehmen und Noch viele Sommerjobs sind derzeit zu haben Jugendlichen war es in den ver- gangenen zwei Jahren durch Corona kaum möglich, einen Ferialjob oder ein Praktikum zu ergattern. Inzwischen hat sich das Blatt gewendet.
SELBSTKONTROLLE. „Ich war ein schlimmes Kind.“ Angelina Jovano- vic hat „die Schule voll verweigert“. Heute, aus einer gewissen Distanz be- trachtet, würde sie es als „großes Pro- blem mit Autoritäten“ beschreiben. Damals, an der Schule in Kennelbach, hat sie ihre Direktorin gekratzt, „weil sie mich voll festgehalten hat“. Auch eine Zeit im Heim Carina gehört zu Angelinas Lebensweg. Der hat sich grundlegend gewandelt. „Heute weiß ich, wie ich mit mei- ner Aggression umgehe.“ Wie sich das anfühlt? „Ungefähr so, als ob ich mir bewusst selber in den Popo beiße“, sagt sie und prustet los. Heute kennt STARTHILFE. Kimberly, Do- minik und Angelina haben’s ge- schafft. Dabei war ihr Weg in den ersten Arbeitsmarkt nicht vor- gezeichnet. Es haben eben nicht alle gleich gute Startvorausset- zungen. Manchmal streikt der Motor. Dann braucht es Start- hilfe. Das AZV und die AK Vor- arlberg sind solche „Dockingsta- tions“. Im Ausbildungszentrum werden Jugendliche in betreuter Lehre ausgebildet, die AK be- gleitet alle Jugendlichen mit Rat und Tat: Mit zahlreichen Online-
Tipps und Tricks und ganz hand- fest in der Beratung, wenn es z. B. in der Lehre zu Schwierigkeiten kommt. Erste Erfahrungen ferial Ihre ersten Erfahrungen am Ar- beitsmarkt machen Jugendliche mit Ferialjobs. Und die sind heu- er noch keineswegs vergeben. Die AK hat zehn wichtige Tipps
online parat, die Ferialkräften hel- fen können.
ANGELINA JOVANOVIC (17)
sie auch ihre Stärken: „Ich hab ein gu- tes Gefühl für Zahlen.“ In der Schule hat sie deshalb gar nicht selten mit ihrer Zwillingsschwester die Rollen getauscht „und die Mathe-Schular- beiten für sie geschrieben“. Angelina hat heute ein klares Berufsziel vor Augen: Sie möchte Buchhalterin werden. Durch AMS und BIFO gelangte Angelina zum Ausbildungszentrum Vorarlberg. Die begeisterte Basketballerin und Schachspielerin blieb nur kurz. In- zwischen arbeitet sie als Bürokauf- frau im ersten Lehrjahr am Landes- krankenhaus Bregenz und erlernt dort die Patientenverrechnung.
„Ich war ein schlimmes Kind“
LEHRLINGE UND JUGEND
▸ So erreicht ihr uns Telefon 050/258-2300 zum Ortstarif oder 05522/306-2300, E-Mail an lehrlinge@ak- vorarlberg.at. Unsere Kontaktzeiten sind von Montag bis Donnerstag, 8 bis 12 Uhr und 13 bis 16 Uhr, sowie am Freitag von 8 bis 12 Uhr.
Powered by FlippingBook