6 Soziales und Schaffarei
April 2023
Heidrun Milde: Was sie durch den Abbruch ihrer Opernlaufbahn verlor und als Logopädin gewann KULTUR. Mitte der Achtzigerjahre ist Heidrun Milde Mitte Zwanzig – und auf dem besten Weg zur an- erkannten Sopranistin. Doch dann verlangt das Leben der zweifachen Mutter eine schwere Entscheidung ab: Soll sie sich ganz auf ihre Kar- riere konzentrieren oder steht doch die Familie an erster Stelle? Was die Dresdnerin durch den Abbruch ihrer Opernlaufbahn verloren und was sie als Logopädin in Vorarlberg gewonnen hat, hat sie im Gespräch mit Carmen Jurkovic-Burtscher bei den ArbeitsLebensGeschichten in der Schaffarei in Feldkirch erzählt. Mit zwölf Jahren entdeckt Was für ein reichhaltiges Leben!
WEIBERKRAM von Univ.-Prof. Irene Dyk-Ploss
Stiefkinder der Medizin Frauen sind üblicherweise die „Gesundheitsmanagerinnen“ ihrer Familien: sie animieren zur Vorsorge, haben die Impftermine im Griff, checken nötige Arztbe- suche und sind für die häusliche Krankenpflege zuständig. Sie selber stehen aber kaum im Fokus des Gesundheitswesens. Medika- mente und ihre Dosierung werden an Männern getestet und Krank- heitssymptome von Männern werden als typisch erachtet: ohne Rücksicht darauf, dass nicht nur Körpergröße und -gewicht, son- dern auch Muskelmasse und Hor- monstatus von Frauen sich von dem der Männer unterscheiden. Auch spezifische Ereignisse wie Menstruation, Schwangerschaft und Geburt (und damit verbunde- ne Komplikationen) beeinflussen die Gesundheit von Frauen. Und die Mehrfachbelastung durch Haushalt, Kinder und Beruf löst nicht selten psychische und physische Probleme aus. Frauen sind zwar um einen Tag länger im Krankenstand als Männer; dennoch weisen Frauen kürzere Krankenhausaufenthalte auf als Männer und gehen seltener auf Kur oder Reha – weil sie sich um die Familien kümmern müssen. ▸ E-Mail: Irene.Dyk-Ploss@jku.at Firobad am 16. Mai Mit Maria Benzer, Sandra Hermes und Karl Bitschnau geben am kommenden Firobad drei span- nende Personen Einblicke in ihr Arbeitsleben. Maria Benzer er- lebt als Kindergartenpädagogin, „wie vielseitig und unterschätzt mein Beruf ist“. Sandra Hermes ist Mama von zwei Kindern, allein- erziehend und selbstständig. Karl Bitschnau wiederum begleitet als Leiter der Hospiz Vorarlberg Men- schen auf ihrem letzten Lebens- weg. Was hat sie werden lassen, was sie heute sind? Was half, was belastete? Am 16. Mai wird ab 18.30 Uhr davon die Rede sein. ▸ Anmeldung und mehr Informa- tionen unter schaffarei.at
Heidrun Milde ist zwölf Jahre alt, als ihr Musiklehrer an der Allgemeinen Polytechnischen Oberschule ihr musikalisches Talent entdeckt. Er legt Heidrun nahe, ein Instrument zu lernen. Die Wahl fällt auf Akkor- deon, später lernt sie Klavier, fasst sogar ein Studium ins Auge. Um dort weiterzumachen, fehlt es jedoch an Unterrichtsmöglich- keiten. Also wird ihr empfohlen, stattdessen Gesangsunterricht zu nehmen. Damit nimmt eine Karrie- re ihren Anfang, die das Potenzial hat, groß zu werden. Sieben Jahre Studium, zwei Kinder Heidrun Milde zieht nach Dresden und studiert Gesang. Sieben Jah- re dauert die Ausbildung. Ab 1980 singt sie im Bergtheater in Senften- berg Rollen in Operetten wie die „Bella“ in Franz Lehárs „Paganini“ oder die „Julia“ in „Der Vetter aus Dingsda“. Auch ihr Privatleben ent- wickelt sich so, wie sie es sich immer gewünscht hat: Heidrun heiratet und wird mit 28 Jahren das zweite Mal Mutter. Doch obwohl es in der DDR ganz normal ist, dass Mütter berufstä- tig sind und die Kinderbetreuung dementsprechend gut ausgebaut ist, bringt sie die Situation mit zwei kleinen Kindern an ihre Grenzen. 80 Kilometer für einen Arbeitsweg und mehrere Abendauftritte pro Woche, das ist bald nicht mehr machbar. Eine Stimme unter vielen Heidrun Milde sucht ein Engage- ment näher bei der Familie. Sie be- wirbt sich für eine Stelle im Chor der erst 1985 wiedereröffneten Semper- oper in Dresden. Dort wird sie mit of- fenen Händen aufgenommen. Auch wenn es der Sängerin schwerfällt, sich in einen Chor einzufügen – die Aussicht auf mehrere Gastspiele im Ausland reizt sie. Doch es sollte bei der Vorfreude bleiben; trotz Zusagen und akribi- scher Vorbereitung wird sie nicht ins Gastspiel-Ensemble geholt. Die Enttäuschung ist groß. Nur einein- halb Jahre später verlässt sie den Chor und nimmt wieder eine Solis- ten-Stelle am Deutsch-Sorbischen Volkstheater in Bautzen an.
Heidrun Milde war auf dem besten Weg zur anerkannten Sopranistin, aber das Leben schreibt nicht immer in geraden Linien.
Der damalige Oberspielleiter en- gagiert Heidrun Milde im Sommer 1988 und will sie zur Operetten-Di- va aufbauen. Sie singt Rollen wie die „Clivia“ in der gleichnamigen Ope- rette von Nico Dostal. Mit einem Fuß auf der Karriereleiter ist die damals , In Vorarlberg habe ich eine zweite Heimat und ein reichhaltiges Leben gefunden. Heidrun Milde Logopädin
hier gibt es keinen Bedarf. Logopä- die ist eine andere Idee. Mit Mitte vierzig entschließt Heidrun Milde sich, die dreijährige Ausbildung in Angriff zu nehmen. Finanzielle Unterstützung erhält sie durch eine Förderung vom Europäischen So- zialfonds. Zeitgleich mit dem Sohn … Ihren Abschluss macht Heidrun 2004, im selben Jahr, in dem ihr Sohn maturiert – die Tochter stu- diert bereits in Berlin. 2004 tritt Heidrun Milde ihre Stelle als Lo- gopädin am Landeskrankenhaus Rankweil an – vorerst mit einem auf fünf Monate befristeten Vertrag. Ge- worden sind es schlussendlich 20 Jahre, bis Heidrun Milde 2022 in den Ruhestand geht. Zurück nach Deutschland zu ge- hen, kann sie sich auch nach ihrem aktiven Arbeitsleben nicht vorstel- len. In Vorarlberg hat sie ihre zweite Heimat und ein, wie sie sagt, „reich- haltiges Leben“ gefunden.
tiven sucht, wird ihr damaliger Ehe- mann in der Selbstständigkeit im EDV-Bereich fündig. Heidrun geht in eine ganz andere Richtung: Sie lässt sich zur Finanzberaterin aus- bilden. „Ich wollte etwas Sinnvolles machen, das anderen hilft und das was ich bis zur Rente machen kann. Den Leuten beim Sparen zu helfen erschien mir damals als gute Mög- lichkeit, das zu tun“, sagt sie. Neuanfang mit 40 Fast zehn Jahre vergehen, in denen Heidruns Skepsis der Branche ge- genüber wächst, während sich die Selbstständigkeit ihres Mannes nicht so entwickelt wie erwartet. Zwar reicht es, um einen Kredit auf- zunehmen und ein Haus zu bauen. Doch Heidrun möchte der Finanz- branche den Rücken kehren und endlich wieder mit einem regelmä- ßigen Einkommen rechnen können. Fürs Singen allerdings ist es zu spät. Was also tun? Kulturma- nagement ist eine Option. Doch und ihrer unbändigen Lebensfreu- de kann diese Beeinträchtigung nichts anhaben. Heute ist Heidi Mackowitz beim Verein „Mensch zuerst“ als Selbst- und Interessenvertreterin tätig und setzt sich dort für Menschen mit Lernschwierigkeiten ein. Warum die gebürtige Ludescherin sich selbst als „Rampensau“ be- zeichnet, welche Rolle der Sport heute in ihrem Leben spielt, wo die Herausforderungen für Menschen mit Lernschwierigkeiten in Vor- arlberg liegen und was sie mit ihrer Arbeit erreichen möchte, erzählt sie im Gespräch mit Carmen Jurko- vic-Burtscher am 27. April 2023 bei den ArbeitsLebensGeschichten in der Schaffarei in Feldkirch. Ermutigende Arbeitsbiografien, Heldenreisen zur eigenen Berufung, Wege, die nicht jede:r geht: Spannende ArbeitsLebens
29-Jährige auf dem besten Weg zu ihrem Durchbruch. Doch vor ihrem Aufstieg kommt der Fall der Berliner Mauer. Die Wende ändert alles. Das Ensemble des Deutsch-Sorbischen Volkstheaters wird aufgelöst, Hei drun Milde wie alle Kolleg:innen entlassen. In dieser chaotischen Zeit des Auf- und Umbruchs ein neues Engagement zu finden, ist aussichts- los. Während Heidrun nach Alterna- ArbeitsLebens- Geschichte: Heidi Mackowitz Dieser Lebensweg führt von der der INAS-Skiweltmeisterin zur un- abhängigen Selbstvertreterin für Menschen mit Lernschwierigkei- ten. Fünffaches WM-Gold, etliche Silber- und Bronze-Medaillen bei nationalen und internationalen Meisterschaften, Österreichische Behindertensportlerin des Jahres, Vorarlberger Behindertensportle- rin des Jahres und sogar einen Platz in der „INAS Hall of Fame“ – Heidi Mackowitz hat alles erreicht, was man auf Skiern im Behinderten- sport erreichen kann. Als Kind wird bei der heute 43-Jährigen eine Lernschwäche diagnostiziert. Doch ihrer Willensstärke, ihrer Ausdauer
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