6 Arbeitsrecht und Soziales
Dezember 2023
Nein heißt Nein – auch am Arbeitsplatz Morgen endet die UN-Kampagne „16 Tage
WEIBERKRAM von Univ.-Prof. Irene Dyk-Ploss
Kompetenzmatching Hinter dem Wortungetüm steckt eine neue Strategie des Arbeitsmarktservice: Vermitt- lung nicht mehr nur nach for- meller beruflicher Qualifikation, also etwa Lehrabschluss, Fach- schule oder Studium, sondern nach Erfahrung, Können und Spezial- bzw. Zusatzwissen bzw. -fähigkeiten. Naiverweise hätte man ja annehmen können, dass derlei auch schon bisher eine Rolle im Vermittlungsprozess gespielt hätte, aber offensicht- lich musste man warten, bis Anleihen bei Tinder (!) zu neuen Methoden motivierten. Als deren Schwäche erkennt das AMS die fehlende Einbindung von Soft-Skills, also sozialen und psychischen Voraussetzungen, die im Arbeitsprozess eine Rolle spielen. Und so steht zu befürch- ten, dass spezifische weibliche Kompetenzen wie Erziehungs-, Pflege- und Betreuungserfah- rung, Organisations- und Kon- fliktlösungsroutine und verant- wortungs- und schonungsvoller Umgang mit Ressourcen bei der Stellenbesetzung wie schon bis- her oft zu wenig berücksichtigt werden. Wohl auch, weil man sie kaum in die Spreche der Compu- ter übersetzen kann … ▸ E-Mail: Irene.Dyk-Ploss@jku.at
Kollegen oder einem Dritten (z. B. einem Kunden) an den Tag gelegt wird oder wenn der Ar- beitgeber es schuldhaft unter- lässt, eine angemessene Abhilfe zu schaffen.“ Oder ganz einfach gesagt: Sexuelle Belästigung ist, was als solche empfunden wird und für die betroffene Person unerwünscht ist – egal ob der Arbeitskollege eine eindeutige sexuelle Absicht verfolgt oder nicht. Rechtzeitig Hilfe suchen Gesetzliche Sanktionen sind wichtig, aber sie greifen meis- tens erst, wenn es eigentlich be- reits zu spät ist. Nämlich dann, wenn die Betroffenen ihren Ar- beitsplatz bereits verloren oder freiwillig aufgegeben haben. Verhindert und gelöst werden können einschlägige Probleme am ehesten dort, wo sie ent-
stehen – am Arbeitsplatz. Am besten sucht man direkt das Gespräch mit dem Belästiger. Geht das nicht, sind kompeten- te Ansprechpartner:innen im Betrieb etwa Betriebsrät:innen, Betriebsärzt:innen, Sicherheits- vertrauenspersonen oder Frau- enbeauftragte. Die belästigende Person ist verpflichtet, sein Verhalten so- fort einzustellen. Der Betrieb muss unverzüglich ab Kennt- nis der sexuellen Belästigung reagieren, sodass der oder die Mitarbeiter:in keinen weiteren Übergriffen ausgesetzt ist. Dar- über hinaus besteht bei sexuel- ler Belästigung am Arbeitsplatz Anspruch auf einen angemes- senen Schadenersatz in Höhe von mindestens 1.000 Euro. ▸ Weitere Infos und
gegen Gewalt an Frauen“. Sie soll gerade in diesem Zeitraum vermehrt auf das Thema auf- merksam machen und aufklären. Denn Gewalt findet auch am Arbeitsplatz statt.
RECHT. Der anzügliche Witz des Arbeitskollegen, das Angestarrt- werden im Büro oder Mails mit sexuellen Anspielungen: Auch wenn der Arbeitsplatz vielleicht nicht der erste Ort ist, der einem bei sexueller Belästigung in den Sinn kommt, können Frauen dort von Gewalt betroffen sein. Jede Vierte betroffen „In Österreich musste jede vierte Frau bereits einmal sexuelle Be- lästigung am Arbeitsplatz erfah- ren“, stellt AK Referentin Gabrie- le Graf fest, die im Vorarlberger Landtag Bereichssprecherin für Frauen & Gleichstellung ist. „Das
ist nicht hinnehmbar – jeder Fall ist ein Fall zu viel.“ Sexuelle Belästigung ist ein Angriff auf die Menschenwürde. Sie ist häufig ein Ausdruck der Machtverhältnisse und betrifft vorwiegend Frauen. Das Gleich- behandlungsgesetz im Arbeits- leben definiert sexuelle Beläs- tigung als „ein der sexuellen Sphäre zugehöriges Verhalten, das die Würde einer Person be- einträchtigt oder dies bezweckt und für die betroffene Person un- erwünscht, unangebracht oder anstößig ist […] Sexuelle Belästi- gung liegt vor, wenn dieses Ver- halten vom Arbeitgeber, einem
Anlaufstellen für Betroffene online
Es gibt Neuerungen bei der Pflege von Angehörigen.
Änderungen bei Pflegefreistellung
Seit 1. November gelten einige Änderungen bei der Pflegefrei- stellung. So besteht nun ein Recht auf Freistellung für alle Personen, die mit dem oder der Arbeitnehmer:in im gemein- samen Haushalt leben, somit bspw. auch für Geschwister und Nichtverwandte, außerdem auch für die notwendige Pflege naher Angehöriger, selbst wenn kein gemeinsamer Haushalt mit die- sen vorliegt, wie bspw. für einen Elternteil, der an einem anderen Ort wohnt. Neu ist ebenfalls die Einführung eines Motivkündi- gungsschutzes. Eine Kündigung wegen der beabsichtigten oder tatsächlich in Anspruch ge- nommenen Pflegefreistellung kann bei Gericht angefochten werden. Im Fall einer Kündigung seitens des Arbeitgebers kann der Arbeitnehmer schriftlich verlangen, dass der Arbeitsgeber eine schriftliche Begründung der Kündigung ausstellt. ▸ Weitere Fragen
AK Referentin Gabriele Graf ist auch Bereichs- sprecherin für Frauen & Gleichstellung im Vorarlberger Landtag. Foto: Jürgen Gorbach / AK
klären die Expert:innen der AK Vorarlberg gern direkt.
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