Politik und Arbeit 3
Juni 2023
Du kannst was in der Metallbearbeitung.
Jetzt den Lehrabschluss nachholen.
Keckeis: Ich werde mich voraus- sichtlich längere Zeit in einem süd- lichen Land niederlassen.
in Pension. Das System ist stabil. Schenkt das Genugtuung? Keckeis: Sehr große sogar. Als die Finanzkrise herrschte, was haben da die Expert:innen nicht alles voraus- gesagt: Alles wird zusammenbre- chen, es wird schrecklich! Oder die Neos, die nur die Interessen der Ver- sicherungswirtschaft verfolgen … Mich hat immer besonders geärgert, dass die Lasten so ungleich verteilt sind. Die Bauern und Bäuerinnen zahlen fast nix und kriegen viel. Bei den Unternehmer:innen zahlt der Staat die Hälfte. Die Beamt:innen bedeuten eine riesige, wenn auch allmählich kleiner werdende Belas- tung. Aber die zwei Millionen Ar- beitnehmer:innen, die zahlen sich ihre Pensionen praktisch selber. Die ganze Öffentlichkeitsarbeit hat sich seit deinem ersten Arbeitstag massiv verändert, Stichwort Digi- talisierung, neue Medien. Würdest du heute noch einmal in dem Beruf anfangen wollen? Keckeis: Ich wollte ja ursprüng- lich gar nicht zur Kammer, sondern mich mit einer Werbe- und PR-Bera- tung selbstständig machen. Den Ge- werbeschein hatte ich schon in der Tasche. Aber das Arbeiten in einer Interessenvertretung ist wahnsin- nig spannend. Es hat sehr viel mit den Problemen der Leute zu tun. Was die moderne Technik anlangt, die heute angewendet wird – das versteh’ ich tatsächlich nicht mehr. Aber letztlich geht es doch seit je her um Emotionen, um Themen … AK bedeutet gelebte Sozialpartner- schaft. Wer war denn dein verläss- lichster Ansprechpartner „auf der anderen Seite des Tisches“? Keckeis: Für mich persönlich? Der ehemalige Wirtschaftskammer-
eine starke Mitte. Das ist vielleicht nicht unbedingt sexy, aber das Beste für das Allgemeinwohl. Den Urge- danken der Sozialpartnerschaft, den würde ich mir für die Politik wieder wünschen. Für die AK wünsche ich mir hohe Beschäftigtenzahlen und dass unser Serviceweg stärker aus- gebaut wird. Vom ersten Lohnzettel bis zum Pensionsbescheid sollten Arbeitnehmer:innen „serviciert“ werden, so wie eine All-in-Versiche- rung. Wie muss man sich deine Pensionie- rung denn konkret vorstellen? Was wird dein definitiv letzter Akt sein? Schlüssel abgeben und „Aus“? Keckeis: Ja sicher. Am Freitag, 30. Juni, hab ich um 15 Uhr meinen letzten Termin bei LR Marco Tittler, und dann ist Schluss. Welche Pläne hast du für die Pen- sion? Dein Vorgänger Heinz Peter hat nochmal studiert, bei dir war von Ausland die Rede …
draufkommen. Wir haben die Pro- bleme immer angeprangert, aber die Politik hat nur die Interessen der Bauwirtschaft verfolgt. Zum Teil ist das schon frustrierend. Aber wir ha- ben auch schöne Erfolge erzielt. Und wenn man nur Erfolge hätte, wäre es doch auch langweilig! Dass etwa der Konsumentenschutz für alle Vorarl- berger Einwohner:innen zugänglich wurde, war ein großer Fortschritt. Das Land hat das ermöglicht. Die Rechtsanwaltskammer hat uns da- mals geklagt und durch alle Instan- zen verloren. Seit 2006 bist du Direktor der AK Vorarlberg. Gleicht die Arbeit eines AK Direktors dem Bohren dicker Bretter? Keckeis: Du musst schon hartnä- ckig sein, und lästig. Und du schaffst dir nicht nur Freunde. Wird dir das „Anecken“ fehlen? Keckeis: Interessenpolitik ist nicht immer ein Kuschelkurs, dabei bin ich an sich ein harmoniebedürfti- ger Mensch. Nun ist es so, dass in Vorarlberg alle von ihrem Stand her gesehen werden: Unternehmer:in- nen sind die Götter, dann kommen die Kirche und die Bauern, dann die Arbeitnehmer:innen. Aber jetzt, wo man die Arbeitnehmer:innen wie- der mehr braucht, wird sich das viel- leicht ändern. In den Medien wurdest du durchaus auch mal als „Unbequemer“ bezeich- net. Hand aufs Herz: Macht die Be- zeichnung auch ein bisschen stolz? Keckeis: Ja sicher. Man ist ja auch eitel. Eines deiner großen Themen war das Pensionssystem. Vermutlich hat man dir als Jugendlichem auch gesagt: Du kriegst dereinst einmal nichts mehr. Heute gehst du selber
präsident Manfred Rein, der hatte Handschlagqualität! Wenn du auf deine 17 Jahre als AK Direktor zurückblickst: Was waren für dich die bedeutendsten Verände- rungen innerhalb der AK, aber auch gesamtgesellschaftlich? Und welche größten Herausforderungen siehst du aktuell für die nächsten Jahre? Keckeis: Innerhalb der Kammer war es richtig, dass wir die Aus- richtung auf Service sehr verstärkt haben. Bei aller Interessenpolitik – die Leute wollen eine Lösung, wenn sie ein Problem haben. Heute ist das Geschäft freilich komplexer ge- worden, die Menschen sind auch schwieriger. Die vergangenen drei Jahre waren für alle problematisch, und was die Zukunft bringt, weiß niemand. Schaust du dennoch zuversichtlich in die Zukunft? Keckeis: Die ganze Welt ist heute ein mediales Dorf. Darum verlau- fen die Diskussionen auch so aufge- heizt. Jedes Wetterereignis wird in Sekunden übertragen und ist schon ein Drama. Das macht etwas mit den Menschen: Entweder werden sie ra- dikal oder sie sagen, es interessiert mich alles nicht mehr. Und doch bin ich zuversichtlich. Die Weltuntergangstypen, die gab es immer schon. Aber keine ihrer Pro- phezeiungen ist eingetreten. Ich bin überzeugt: Unsere Gesellschaft ist gut gebildet, sie wird auch Lösungen finden. Was wünschst du dir für die AK und für die Arbeitnehmer:innen? Keckeis: Dass es wieder einen stär- keren Grundkonsens gibt in der Po- litik. Derzeit läuft alles auf Extreme hinaus, von Neofaschisten bis zu den Kommunisten. Früher gab es sowie die bedarfsgerechte Wei- terentwicklung der ambulanten Fachversorgung. Zusätzlich sol- len die Arbeitsbedingungen von Kassenärzt:innen wieder attrakti- ver und an die Lebensrealität der Menschen angepasst werden. Ein weiterer Schwerpunkt liegt in der Digitalisierung des Gesundheits- wesens, die – richtig und effizient eingesetzt – auch zu einer besseren Patient:innenversorgung führt. Mitte Mai haben sich Bund, Länder und Sozialversicherung im
▸ Blog Das ganze Interview in unserem Blog unter https://vbg. arbeiterkammer.at/blog
Rainer Keckeis führte die AK seit 2006 als Direktor. Ihm folgt mit 1. Juli MMag. Eva King nach.
„Ziel ist eine nachhaltige Reform“ KORREKTUR. Gesundheitsmi- nister Johannes Rauch formuliert die Diagnose selber ungeschönt: „Im öffentlichen Gesundheitssys- tem gibt es ein Nachbesetzungs- und Verteilungsproblem. Es wird immer schwieriger, Ärzt:innen für den öffentlichen Bereich zu gewin- nen. Die Spitalsambulanzen sind überlastet, im niedergelassenen Bereich bleiben Kassenärzt:in- nenstellen unbesetzt.“ Weil sich die Länder und die Sozialversiche- rung die Verantwortung teilen, bieten in Rauchs Augen die Ver- handlungen zum Finanzausgleich einen wichtigen Hebel, um not- wendige Strukturreformen umzu- setzen. Das Ziel der aktuellen Ver- handlungen sei „eine nachhaltige Reform, um das Gesundheitssys- tem zukunftsfit zu machen und eine bestmögliche Versorgung für alle Menschen in Österreich sicherzustellen“. Im Fokus stehen Rauch zufolge insbesondere die Stärkung der Primärversorgung Rahmen der Konferenz der Landes- gesundheitsreferent:innen darauf geeinigt, diese Strukturreform im Rahmen des Finanzausgleiches umzusetzen. Dafür sollen mehr finanzielle Mittel für das öffentli- che Gesundheitssystem durch den Bund zur Verfügung gestellt wer- den. „Mehr Geld seitens des Bun- des kann es aber nur geben, wenn es durch die Systempartner:innen zielgerichtet auch für diese Struk- turreformen eingesetzt wird“, be- tont Rauch. Dazu will er in den
Gesundheitsminister Rauch will eine echte Reform.
kommenden Wochen eine politi- sche Rahmenvereinbarung vorle- gen. Dann erfolgt seinem Fahrplan entsprechend die legistische Um- setzung, „sodass im Herbst eine Beschlussfassung durch das Parla- ment erfolgen kann“.
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