Schaffarei 7
Februar 2023
Eine Branche unter Druck
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Halbjahr #04 Das Haus für Arbeitskultur Widnau 10, Feldkirch
Museum des Wandels der Schaffarei porträtiert den Drucker Ferdinand Hagspiel
ZEITZEUGE. Seit den 1980er-Jahren hat sich das Druckereigewerbe gra vierend verändert. Innerhalb einer Generation wurde eine jahrhunder tealte Kulturtechnik fast vollständig von neuen Technologien abgelöst. Ein Zeuge dieser Entwicklung ist Ferdinand Hagspiel. Knapp 40 Jahre lang arbeitet er als Drucker. In dieser Zeit erlebt er zahlreiche technische Errungenschaften mit. Im Museum des Wandels der Schaffarei erzählt Hagspiel im Video-Interview, wie er die vielen Veränderungen in seinem Arbeitsleben wahrgenommen hat. Bis in die 1960er-Jahre, als Ferdi nand Hagspiel seine Lehre beginnt, werden Druckformen in Handarbeit gesetzt. Die erste technische Er rungenschaft hält mit dem Maschi nensatz Einzug in sein Leben und erleichtert den Arbeitsalltag: „Da hat der Setzer dann gleich ganze Satzteile in Blei gegossen, wodurch
die Arbeit viel schneller ging.“ Nach ein paar Jahren im Siebdruck findet Ferdinand Hagspiel eine Arbeits stelle bei der Druckerei Possenig in Bludenz. Dort wird er Anfang der 1980er-Jahre mit dem nächsten Um bruch im Druckgewerbe konfron tiert: Gemeinsam mit etwa zehn anderen Buchdruckern schult er um zum Offsetdrucker, da immer mehr Druckereien im Land auf das moder ne, deutlich schnellere Druckver fahren umstellen. Angst vor Verän derungen hatte Hagspiel nie: „Jeder Beruf hat Probleme, aber die sind halt da, dass man sie meistert.“ Da ist er sehr pragmatisch – auch was den Stellenwert der Arbeit betrifft: „Bei mir war es immer so: Ich arbei te, um zu leben. Andere sagen: ‚Ich lebe, um zu arbeiten.‘ Ich habe Inter esse am Beruf gehabt, aber das Geld verdienen war im Vordergrund.“ Bis 2002 arbeitet Ferdinand Hagspiel
work
life
bei Possenig, bis die Firma beginnt, Stellen abzubauen. Nach 27 Jahren verliert er seinen Job und stellt sich erneut einer Veränderung: Bis zu seiner Pensionierung arbeitet er als Lagerarbeiter bei Hämmerle-Kaffee in Bludenz. In knapp 40 Jahren als Drucker erlebt Ferdinand Hagspiel gleich mehrere Umbrüche mit. ▸ Ausstellung „Drucker Ferdinand Hagspiel – eine Branche unter Druck“, 9.3.–11.4., Mo bis Fr, 9–18 Uhr, Foyer der AK Vorarlberg, Feldkirch. Vernissage: 9.3., 19 Uhr, mit Anmel- dung unter schaffarei.at
3 7.3.23, 12 Uhr Mittagessen mit meinem Traumjob: Polizistin / Kuche Tatjana Ratz ist stellvertre- tende Bezirkspolizeikom- mandantin in Bregenz und Einsatzkommandantin der Einsatzeinheit Vorarlberg.
Errungenschaften mit – bis die Modernisierung und Digitalisierung zur Schlie- ßung zahlreicher Druckerei- en in Vorarlberg führte. Ferdi Hagspiel erzählt, wie er diese Zeit des Wandels bis zu seiner Umschulung kurz vor der Pensionierung erlebt hat. Ausstellung im Foyer der AK Vorarlberg in Feldkirch / MO – FR, 9 – 18 Uhr / Vernissage: 9.3.23, 19 Uhr 16.3.23, 20 Uhr ArbeitsLebensGeschichte: Heidrun Milde/ OG.3 Schaffarei Von der Sopranistin zur Logopädin: „Es ist wichtig, seine eigene Stimme zu finden.“ Alle Veranstaltungen finden in der Schaffarei und in der AK Vorarlberg in Feldkirch, Widnau 10, statt / Eintritt frei / Detailliertes Programm und Informationen zu den Formaten auf: schaffarei.at
„So viel lernen wie möglich“
9.3. – 11.4.23 Museum des Wandels:
Drucker Ferdinand Hagspiel – Eine Branche unter Druck 1971 wurde Ferdi Hagspiel Drucker. Seinen Beruf übte er über 43 Jahre lang in mehreren Druckereien aus. Vom Satz einzelner Druckbuchstaben über den Maschinensatz bis zum Offset-Druck erlebte er zahlreiche technische
Rodar Ali erzählt in der Schaffarei, wie es ist, seine Träume aufzugeben und mit seinen Talenten und dem, was man vorfindet, neue Perspektiven aufzubauen
LEBENSGESCHICHTE. Mit 19 Jah ren weiß Rodar Ali ganz genau, was er beruflich einmal machen will. Zwei Jahre später zerstört der Krieg in seinem Heimatland Syrien seine Zukunftspläne. Wie es dann wei tergeht, darüber spricht Rodar mit Carmen Jurkovic-Burtscher bei den ArbeitsLebensGeschichten in der Schaffarei in Feldkirch. Rodar Alis Vater hätte gerne ge sehen, dass sein ältester Sohn Arzt oder Anwalt wird. Doch Rodar hat eigene Pläne: Menschen aus aller Welt die Kulturschätze Syriens nä herzubringen, das ist sein Traum. Er geht nach Damaskus, um dort Ar chäologie und Kulturgeschichte zu studieren. Das war 2010. Zwei Jahre später ist der Traum ausgeträumt. Der drohende Militärdienst zwingt ihn und einen seiner Brüder zur Flucht in den Irak. Traum von Sicherheit Zwei Jahre bleibt er dort. In dieser Zeit lernt er seine zukünftige Frau Mahabad kennen. 2015 heiraten die beiden. Doch im Irak eine Familie zu gründen, kann Rodar sich nicht vorstellen. Die Angst, irgendwann keine Existenzgrundlage mehr zu haben, ist zu groß. Die beiden möch ten nach Europa. Irgendwohin, wo es sicher ist und die Möglichkeit besteht, sich ein geregeltes Leben aufzubauen. Sieben Tage dauert die Flucht über die Türkei nach Grie chenland und schließlich nach Ös terreich. Tage, in denen sie Bekannt schaft mit skrupellosen Schleppern, Gewalt und dem novemberkalten
schaffarei.at Ein Projekt der Arbeiter- kammer Vorarlberg
FIROBAD
Rodar Ali im Gespräch mit Carmen Jurkovic-Burtscher: „Deutsch zu lernen ist das Wichtigste, davon hängt alles andere ab.“
Wasser der Ägäis machen. Dass Ro dar und Mahabad in Vorarlberg lan den, ist eher Zufall. Den ersten Deutschkurs besu chen sie in Bregenz – mit dem Bus fast eine Tagesreise. Doch Rodar ist sich bewusst: „Deutsch zu lernen ist das Wichtigste, davon hängt alles andere ab.“ Mit dem Asylbescheid kommt die Gewissheit: „Wir dürfen bleiben.“ Rodar und Mahabad be kommen eine Wohnung in Krum bach – und Rodar nimmt am „Top
machen. Im Unternehmen fühlt Rodar sich wohl. Vor Kurzem wurde er in den Betriebsrat gewählt, inzwi schen ist er Vorsitzender. Nach der Lehre will Rodar sich in Richtung Heimautomation und Program mierung weiterbilden. Auch die Meisterprüfung zu machen, kann er sich vorstellen. Doch das Wichtigs te ist und bleibt für den inzwischen 30-Jährigen die Vereinbarkeit mit der Familie, und dass auch seine Frau nun die Chance bekommt, in den Arbeitsmarkt einzusteigen. Mit inzwischen zwei kleinen Kindern war bisher kaum mehr als der Be such von Deutschkursen möglich. Rodar unterstützt seine Frau, wo er kann. „Ich habe meine Chance be kommen und genutzt. Jetzt ist sie an der Reihe.“ ▸ Alle Veranstaltungen und weitere ArbeitsLebensGeschichten unter schaffarei.at
4Job“-Programm des BFI teil. Schulabschluss und Lehre
Einmal eine Fußfessel in Händen halten konnten die Besu cher:innen des jüngsten Erzählcafés Firobad in der Schaffarei. Cornelia Leitner, die an der Spitze der Justizanstalt steht, hatte eine mitgebracht. Sie wollte schon von klein auf Ärztin oder Richterin werden und ist heute für 120 Häftlinge zuständig. Der Jugendarbei ter und Texter Johannes Lampert wiederum bot spannende Ein blicke in das Architekturprojekt Hägi Wendls. In diesem Haus von 1820 haben Kunst und Kultur eine Bleibe gefunden. Der Firobad bietet einmal im Monat Gesprächsraum für spannende Menschen.
Während er für seinen Pflichtschul abschluss lernt, schnuppert Rodar in unterschiedliche Berufe hinein. Ein Bekannter gibt ihm den Tipp, es doch einmal bei Pircher Elektro technik in Bregenz zu versuchen. Nach drei Wochen Praktikum als Elektrotechniker und Gebäudeleit techniker weiß Rodar: Das will ich
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