AKtion Februar 2023

2 Meinung und Politik 

Februar 2023

Das heimische Pensionsversicherungssystem zählt weltweit zu den Vorzeigemo­ dellen. Es schützt Beschäftigte, Unternehmer:innen und Bauern und Bäuerinnen vor der Altersarmut. Rund 3,6 Millionen versicherte Arbeitnehmer:innen leisten von ihrem Einkommen 22,8 Prozent an Pensionsbeiträgen und finanzieren so rund 2,1 Millionen Pensionist:innen. Die Durchschnittspension liegt in Öster­ reich bei den Neuzugängen bei 1211 Euro monatlich und wird jährlich vierzehn­ mal ausbezahlt. Pro Jahr treten im Schnitt rund 100.000 Arbeitnehmer:innen in den Ruhestand. Das System ist stabil und sicher, allen Unkenrufen zum Trotz. DAS MÄRCHEN VOM BUNDESZUSCHUSS Pensionssystem der Arbeitnehmer:innen stabil und sicher

LEITARTIKEL Die Alten sollen es richten

Länger arbeiten ist nicht nur angesichts des Arbeitskräftemangels, sondern auch hinsichtlich der langfristigen Pensionssicherung vernünftig. Dass jetzt gerade die Unternehmer:innen massiv darauf drängen, bereits in Pension befindliche Arbeitnehmer:innen zu reaktivieren, ist angesichts der hohen Nachfrage nach Fachar- beiter:innen nachvollziehbar, entbehrt aber nicht einer gewissen Frivolität. Genau sie waren es über Jahrzehnte hinweg, die ihre Mitarbeiter:innen über 60 so schnell als möglich in den Ruhestand gedrängt haben, weil ihnen ja genügend jüngere und billigere Arbeitskräfte zur Verfügung standen. Dass damit nun Schluss ist, tut der Kultur in vielen Betrieben sehr gut und hilft nicht zuletzt auch dem Pensionssystem. , Zuerst feuern, dann anheuern, und der Staat soll das auch noch fördern. Rainer Keckeis Direktor der AK Vorarlberg Allerdings nicht, wenn die Politik der Forderung der Unterneh- mer:innen nachgibt. Statt darauf zu achten, dass ihre Mitarbei- ter:innen im Betrieb bleiben und erst später in Pension gehen – was zu deutlich höheren Pensionen führen würde –, wollen die Unternehmer:innen, dass die Mitarbeiter:innen in Pension gehen und dann anschließend für sie steuerbegünstigt weiterarbeiten. Das ist aber weder für die Pensionsversicherung gut noch für den Staat billig. Viel intelligenter wäre der Vorschlag von AK-Präsident Bernhard Heinzle zur Verlängerung der Altersteilzeit bis zum 67. Lebensjahr. Damit wären die Menschen durchgehend im Betrieb beschäftigt, hätten höhere Pensionen und müssten ab 62 nicht mehr Vollzeit arbeiten, was sowohl ihrer Leistungsfähigkeit als auch der Produktivität der Betriebe zugute käme. Ob Arbeitsminis- ter Kocher so weit im Sinne der Arbeitnehmer:innen zu Reformen bereit ist, wird sich zeigen. Zu erwarten ist das aber erfahrungs- gemäß eher nicht.

DAS SYSTEM. Zu den Pensionen der Arbeitnehmer:innen kommen laut AK-Direktor Rainer Keckeis noch rund 170.000 pensionier­ te Bäuerinnen und Bauern und 195.000 pensionierte Unterneh­ mer:innen dazu. „Nicht erfasst sind die Pensionen der Beamten auf den verschiedenen Ebenen des österrei­ chischen Staates. Hier fehlen nach­ vollziehbare Daten weitgehend, ob­ wohl deren Kosten den Steuerzahler weitaus stärker belasten als die Kos­ ten für die pensionierten Arbeitneh­ mer:innen, Unternehmer:innen und

werden, die der Gesetzgeber aus so­ zialpolitischen Gründen leisten will. „Der österreichische Staat hat zu keiner Zeit bei der Pensionsver­ sicherung der Arbeitnehmer:innen dieses Drittel leisten müssen“, be­ tont Keckeis. Hingegen liegen die Zuschüsse des Staates bei den Pen­ sionsversicherungen der Unterneh­ mer:innen und der Bäuerinnen und Bauern immer weit über der verein­ barten Grenze. Warum dennoch in diesen schwer defizitären Bereichen keine Reform angedacht ist, hat strukturelle, vor allem aber politi­ sche Gründe. Wichtig zu wissen ist: Die Arbeitnehmer:innen zahlen sich ihre Pensionen fast zur Gänze selbst. Die Pensionen der Bäuerinnen und Bauern werden zu rund 90 Pro­ zent – insgesamt rund 1.800.000.000 Euro (inklusive Partnerleistung) – vom Steuerzahler getragen. Auch die Unternehmerpen­ sionen werden durch Staatsbei­ träge (Abgangsdeckung plus Partnerleistung) von jährlich rund 2.108.000.000 Euro subventioniert. Mit dem Zuschuss des Bundes wird aus Steuermitteln der Abgang in den verschiedenen Pensionsver­ 1 2 3

sicherungen getragen. Gleichzeitig aber führen die Pensionist:innen auch direkt Lohnsteuer an den Staat ab. Erst die Differenz zwischen den Ausgaben des Staates für die Pen­ sionist:innen minus der Einnahmen des Staates von diesen Pensionist:in­ nen zeigt die wirkliche Belastung des Budgets. Dieses Faktum lassen einige Ex­ pert:innen – vermutlich bewusst – bei ihren Mahnungen über die Be­ lastung des Staates durch die Pen­ sionsleistungen gerne außer Acht. Vielleicht auch deshalb, weil bei die­ ser Netto-Betrachtung die Pensions­ versicherung der Arbeitnehmer:in­ nen hervorragend abschneidet. So bleibt von der Ausfallshaftung des Bundes schlussendlich bei den Ar­ beitnehmer:innen eine tatsächliche Budgetbelastung von netto rund 1,7 Milliarden Euro für die rund 2.043.000 Arbeitnehmerpensionen übrig. AK-Direktor Keckeis: „Leider – oder wohl aus gutem Grunde – gibt es über die Netto-Kosten des Staa­ tes für seine eigenen Beamt:innen auf Bundes-, Landes- und Gemein­ deebene keine nachvollziehbaren Daten.“

Bäuerinnen und Bauern.“ Beiträge in drei Teilen

▸ E-Mail: direktion@ak-vorarlberg.at

Bei der Gründung des auf dem Umla­ geverfahren basierenden Systems ist man Keckeis zufolge grundsätzlich von einer Drittelung der Beitragsleis­ tung ausgegangen: Ein Drittel steu­ ern die Arbeitnehmer:innen direkt bei, ein Drittel wird von den Arbeitge­ ber:innen über die Lohnnebenkosten getragen (Dienstgeberbeitrag), und der Staat trägt maximal ein Drittel der Kosten in Form einer Ausfallshaf­ tung. Mit diesem Drittel aus Steuer­ geldern sollen Leistungen außerhalb des Versicherungsprinzips finanziert

GASTKOMMENTAR Wie lange noch Krisenmodus? Die Gesichter werden lang und länger. Was vor ein paar Monaten noch als realistischer Plan durchgegangen ist, hat sich im Laufe des Gesprächs mit dem Finanzberater in Luft aufgelöst. Das Eigenheim ist zum Luftschloss geworden. So geht es heute vielen jungen Vorarlberger:innen. , Das Eigenheim ist zum Luftschloss geworden. So geht es heute vielen jungen Vorarlberger:innen. Die Baukosten haben zweistellig zugelegt. Waren es 2021 Liefer- kettenprobleme, gingen 2022 die Baukosten mit den Energie- preisen durch die Decke. Heuer wird es wegen der nachziehenden Lohnabschlüsse zu einem weiteren Schub kommen. Die Grund- stückspreise sind weiterhin schwindelerregend. Nach einem Jahr- zehnt fast ohne Zinsen sehen wir aktuell den schnellsten Anstieg seit dem Zweiten Weltkrieg. Einschließlich Bankenauf- schlag kratzen wir bald an der Fünf-Prozent-Marke. Und dann die KIM-Verordnung mit einer Limitierung der Fremdfinanzierung, der Kreditlaufzeit und der maximal zulässigen Haushaltsbelas- tung für die Tilgung. Früher hat es einmal geheißen: „Ein Grund ist ein guter Grund zum Bauen.“ Heute geht ohne Ererbtes und Unterstützung der Eltern überhaupt nichts mehr. 2010 lebten noch fast 40 Prozent aller jungen Vorarlberger:innen unter 35 Jahren im Eigentum. 2020 waren es nur noch 30 Prozent. Die Schaffung von Eigentum in jungen Jahren hat viele Vorteile, für den Einzelnen und für die Gesellschaft. Es ist an der Zeit, Maß- nahmen zu treffen, um auch der nachkommenden Generation diese Perspektive zu bieten. Wolfgang Amann Institut für Immobilien Bauen und Wohnen GmbH

Daten und Fakten zur Pensionsversicherung 2009 2013 2017

2019

2021

Versicherte Pensionen

2.929.675 1.786.097

3.105.691 1.894.948

3.308.701 1.935.727

3.467.321 1.980.209

3.500.297 2.043.219

Pensionshöhe (Monatsdurchschnitt)

928 Euro

1037 Euro

1126 Euro

1196 Euro

1290 Euro

Pensionshöhe (Durchschnitt Neuzugänge)

990 Euro

1079 Euro

1150 Euro

1279 Euro

1439 Euro

Pensionsaufwand (in Mrd. €) Pensionsanträge

23,29

27,52

30,51

33,08

35,03

163.887 107.781

152.469 103.870

146.094

160.126 110.599

168.291 120.152

Neuzugänge

97.437

Tatsächliche Kosten des Staates 2018

2019

2021

Ausfallshaftung Abfuhr Lohnsteuer Budgetbelastung

3.770.081.891 Euro

3.707.588.213 Euro

5.518.255.219 Euro

3.148.391.000 Euro

3.425.346.300 Euro

3.768.780.000 Euro

621.690.891 Euro

282.241.913 Euro

1.749.475.219 Euro

▸ Mehr Info Dr. Wolfgang Amann ist geschäftsführender Gesell- schafter des IIBW, einer Forschungsplattform für alle Belange von Immobilien, Bauen, Wohnen und Nachhaltigkeit: www.iibw.at

Quelle: PVA

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