10 Bildung
Februar 2023
Markus Väth findet die Hoffnung auf eine ersprießliche Zukunft nicht in Prozes sen und Programmen, sondern bei den Mitarbeiter:innen der Unternehmen „Die Menschen in den Firmen ziehen den Karren aus dem Dreck“
OPTIMIST. Am 9. März 2023 ist es so weit: Im Hohenemser Löwen saal verleiht das „salvus – Unter nehmensnetzwerk BGF“ die neuen Gütesiegel. Als Experte in Sachen „gute Arbeit“ tritt Markus Väth ans Rednerpult. Ein großer Optimist, New Work ist sein Thema. Aber was genau ist gute Arbeit eigentlich? AKtion: Im Anliegen sind wir geradezu verwandt – wir wollen ein gutes Leben für alle, Sie engagieren sich für gute Arbeit. Was zeichnet in Ihren Augen gute Arbeit aus? Markus Väth: Das ist Arbeit mit Sinn, Wirksamkeit und Würde. Arbeit sollte sinnvoll sein. Ich soll te meine Stärken ausspielen kön nen, meine Bedürfnisse erfüllen können. Arbeit sollte aber auch wirksam ein, also für andere Sinn machen. Wenn ich in einer Firma, die Schrauben herstellt, Papier flieger bastle, mag das für mich stimmen, aber es ist nicht wirksam für andere. Die Würde umfasst ein
Und was wollen die Arbeitssuchen- den? Väth: Auf der anderen Seite haben sich die Erwartungen verschoben. Immer mehr Leute wissen, dass sie sich im Moment die Jobs aussu chen können. Viel Arbeit kann ich online erledigen. Wenn da Arbeit nicht sinnvoll ist, wenn ich nicht an ständig behandelt werde, tja dann … Gesellschaftlich stehen wir erst am Anfang des Sturms. In Deutschland werden bis 2030 vier Millionen Ar beitskräfte fehlen. Auf Österreichs Größenordnung umgerechnet, fehlt uns hierzulande dann eine Stadt in der Größe von Graz. Väth: Das mit den maßgeschnei derten Modellen geht gar nicht. Die Maschinenbaufirma Trumpf hat das bis zum Exzess ausgefahren. Aber jedem Arbeitnehmer sein Modell zu machen, war dann doch zu kom plex. Arbeitgeber:innen und Arbeit nehmer:innen müssen sich in der Mitte treffen. Da ist freilich noch Luft nach oben. Dann müsste man ja für jedes Bedürfnis maßgeschneiderte Arbeitsmodelle bieten? Sie sagen, dass sich die Prinzipien guter Führung nicht verändert haben. Verraten Sie uns eins? Väth: Also gut, aber nur eins, Sie sol len ja zum Vortrag kommen ( lacht ). Was mich fasziniert, ist, wie sich die ses Thema um Gefühle und Authen tizität verändert hat. Zeitlose Füh rung heißt in dem Zusammenhang, seine Gefühle im Griff zu haben, mit seinen Emotionen souverän umge hen zu können. Früher trug man eine Maske, jetzt ist das Gegenteil der Fall. Dabei geht es damals wie heute dar um, die eigenen Gefühle wahrzuneh men und sich dann zu überlegen, wie
angemessenes Gehalt, vernünftige Arbeitszeiten und einen respekt vollen Umgang miteinander. Die Unternehmen suchen händerin- gend Mitarbeiter:innen. Man fragt sich: Wo sind die alle hin? Aber im Ernst: Was läuft da schief? Väth: Die Unternehmen machen es sich teilweise selber schwer. Sie stecken in alten Mustern fest. Wenn ich zum Beispiel eine Bewerbung be komme und mir denke, der müsste passen, und ich schaff es dann nicht, innerhalb von 48 Stunden zu reagie ren, und wenn ich reagiere, dann mach ich mal in drei Wochen ein erstes Gespräch aus – ja, dann ist der weg. Das ist eine Frage der Organisa tion. Teilweise haben Unternehmer noch ganz falsche Vorstellungen: Sie schließen Teilzeit aus oder Leute über 50, weil die zu teuer sind und eh nichts können. Manche glau ben, man kann sich die Leute von Bäumen pflücken, aber das ist nicht mehr so.
Markus Väth hat zuletzt das Buch „Musterwechsel“ geschrieben. Alle Infos dazu gibt’s online unter https://markusvaeth.com
sind alle anders. Da heißt, ich brau che nicht ein Krisenbewältigungs muster, sondern laufend neue. Schaffen wir das? Väth: Mit Ehrlichkeit und Opti mismus, ja. Wir sollten wieder auf die Mitarbeiter:innen vertrauen. Sie sind die Einzigen, die den Karren aus dem Dreck ziehen können.
viel ich davon sehen lasse. Führungs kräfte reagieren in krisenhaften Zei ten oft mit emotionaler Verdrängung und Hektik. Dabei wäre der erste Schritt, das Gefühl der eigenen Angst wahrzunehmen und zu akzeptie ren. Das bewahrt vor Kurzschlussre aktionen. Gesunde Führung heißt: Ich kann mich selber regulieren. Die Krisen, die wir jetzt erleben,
New Work Zukunft gestaltet man mit Neugier und Zuversicht. New Work bedeu- tet daher, sich aktiv mit neuen Ideen und Themen auseinanderzuset- zen, und zwar mit folgenden Möglichkeiten: • Schaffen von Experimentierräumen für neues Arbeiten: Damit New Work kein abstraktes Konzept bleibt, sollten Organisationen buch- stäblich Räume schaffen, um neue Methoden der Zusammenarbeit, neue Architekturkonzepte, neue Führungsmodelle und Produktions- prozesse zu testen. • Schaffen einer Kultur des Unperfekten: Wer Neues ausprobiert, macht auch Fehler. Organisationen sollten sich in einer Kultur des Unperfekten üben, definierte Zonen der Fehlertoleranz fördern sowie psychologische Sicherheit statt Angstkultur bieten. • Stärken der gemeinsamen Vernetzung: Neues Arbeiten bringt neue Erkenntnisse und lebt vom Teilen dieser Erkenntnisse. Organisationen profitieren daher von einem aktiven Schnittstellen-Management und einer intensiven Vernetzung zwischen Führungskräften, Teams und Abteilungen.
Markus Väth Geboren 1975 in Ansbach Ausbildung Studium der Psychologie an der Universität Erlangen-Nürnberg Werdegang seit 2006 Coach, Referent, Publizist, Lehrauftrag für New Work und Organisationsentwicklung an der Technischen Hochschule Nürnberg Termin Am 9. März 2023 spricht Markus Väth ab 17.30 Uhr im Hohe- nemser Löwensaal. Das „salvus – Unternehmensnetzwerk BGF“ und das österreichische Netzwerk für Betriebliche Gesundheitsförderung (ÖNBGF) laden zur gemeinsamen Veranstaltung. Der Eintritt ist frei. Anmeldung online unter https://salvus.at/ Träger Das „salvus – Unternehmensnetzwerk BGF“ ist eine Zusam- menarbeit von Vorarlberger Landesregierung, Arbeiterkammer, Wirtschaftskammer und Österreichischer Gesundheitskasse.
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