AKtion Februar 2024

6 Gesellschaft 

Februar 2024

„Ist unser Leben wirklich der Höhepunkt der menschlichen Zivilisation?“

Überblick behalten mit dem AK Elternkalender Wenn ein Baby auf dem Weg ist, gesellen sich zur Freude oft ganz viele Fragen. Wann muss ich die Schwangerschaft in meinem Dienstverhältnis mitteilen? Wann muss ich die Karenz anmelden? Wann können wir uns die Karenz teilen? Wann beantrage ich das Kinderbetreuungsgeld? Und das sind noch längst nicht alle. Der Elternkalender der AK kennt alle wichtigen Termine und Fristen und beschäftigt sich mit Fragen betreffend Gesundheit (Eltern- Kind-Pass-Untersuchungen), Job/ Karenz/Elternteilzeit und Geld- leistungen. Der digitale AK El- ternkalender kann anonym oder personalisiert und individuali- siert verwendet werden. Es finden sich im Elternkalender außerdem eine übersichtliche Zeitleiste, Quick-Infos, ein Zugang zu Infor- mations-Videos sowie Broschüren und Musterbriefe. ▸ Den digitalen Elternkalender der AK gibt es online. Mit dem Nachwuchs kommen auch Fragen. Foto: Sarah Chai / Pexels

WEIBERKRAM von Univ.-Prof. Irene Dyk-Ploss

„AKtion“ traf Natascha Strobl am Rande ihres Vortrags in der Stadt- bibliothek Dornbirn. Foto: Marc Thiebault / AK

Zwiespältig … … aufgenommen wurde die Idee des Bundeskanzlers, eine Groß- eltern-Karenz (oder eher wahr- scheinlich: Großmütter-Karenz) einzuführen. Der unbestrittene Vorteil läge wohl darin, dass Kinder damit in der Geborgenheit des Familienverbands verbleiben könnten. Junge Mütter hätten die Möglichkeit, rasch wieder in den Beruf zurückzukehren und Ein- kommens- und Aufstiegschancen wahrzunehmen. Ironisch müsste man wohl auch hinzufügen, dass jungen Vätern damit eine perfekte Ausrede am Silbertablett serviert wird: Oma macht es wohl doch am besten … Und der Druck auf die öffentliche Hand, Kinderbetreuungseinrich- tungen auszubauen, würde sich merkbar verringern. Eine weitere Kehrseite der Medaille: Die ohnedies niedrigen Pensionen älterer Frauen würden noch einmal schrumpfen, und Unternehmen könnten nun jüngeren und älteren Frauen gegenüber potenzielle Karenzzei- ten ins Treffen führen, wenn es um die Besetzung attraktiver Posten oder um Beförderungen geht. Aber auch zwischen Müttern und Töchtern könnten sich bisher nicht gekannte Konfliktfelder auftun. ▸ E-Mail: Irene.Dyk-Ploss@ jku.at

Klima, Demokratie, Teuerung: Aktuell scheint sich eine Krise an die andere zu reihen – und das schon seit Jahren. Demagog:innen nutzen die Spannun- gen und schwelgen im Aufwind. Doch wie soll man dieser Entwicklung entgegentreten? Politikwissen- schaftlerin Natascha Strobl zeigt in ihrem Buch „Solidarität“ Lösungsansätze auf.

Sie plädieren für einen neuen Weg, diesem Rechtsruck zu begegnen: nämlich mit echter Solidarität und Antikapitalismus. Dabei müsse sich die Art, wie wir leben, produzieren und wirtschaften, grundlegend ändern. Wie genau muss man sich das vorstellen? Natascha Strobl: Wir müssen den Krisen auf eine neue Art begegnen: solidarisch, gemeinsam. Es ist ja gar nicht so schwarz und weiß, wie man glaubt. Es gibt eigentlich einen ganz großen Konsens in vielen Fragen. Menschen wollen nicht, dass es an- deren Menschen schlecht geht. Um das zu erreichen, müssen wir uns und unser Verhalten ändern. Dieses Ändern ist aber leider sehr negativ behaftet und wird immer gleich mit Wohlstandsverlust und Verzicht gleichgesetzt. Die Menschen fürch- ten, dass es ihnen schlechter gehen und dass alles ganz furchtbar wer- den wird. Die Wahrheit ist: Es wird anders werden, ja. Aber wir müssen uns auch fragen: Ist es wirklich der Höhepunkt der menschlichen Zivi- lisation, dass wir in der Früh aufste- hen, in ein Auto steigen, 40 Minuten in die Arbeit fahren, acht Stunden in einem Büro sitzen, 40 Minuten zu- rückfahren und dann, wenn’s hoch- kommt, noch zweieinhalb Stunden

mit der Familie verbringen können? Oder kann man das vielleicht auch komplett neu denken? Vielleicht wird es anders, aber es muss nicht schlechter werden, sondern es kann sogar in Bereichen besser werden. Und ich glaube, das müssen wir aus- diskutieren. Auch dieses Verhältnis von Arbeit, Familie und Freizeit. Dann verläuft unser Leben vielleicht nicht mehr nach Schema F.

Natascha Strobl: Menschen sind grundsätzlich soziale Wesen. Wir haben immer den Drang, anderen zu helfen. Jemanden nicht einfach liegen zu lassen. Das ist in uns Men- schen drin: ein solidarisches Ver- halten. Es wird uns aber bewusst abtrainiert. Wir leben in einem Sys- tem, in dem wir permanent gegen- einander gestellt werden. Wo wir schon im Kindergarten beginnen, in Konkurrenz zu denken, die Ellen- bogen auszufahren und schon die Vorarbeit für den späteren Aufstieg ins Gymnasium zu leisten. Und das wird nur schlimmer im Erwachse- nenleben. Das führt zu diesen Radi- kalisierungen nach rechts, die unse- rem eigentlichen Zusammenleben als Menschen entgegenstehen. Übrigens handelt es sich dabei um eine asymmetrische Radikalisie- rung: Die Gesellschaft bewegt sich nicht auf zwei Pole hin, nach links und rechts. Sondern lediglich nach rechts.

Ihr neues Buch „Solidarität“ be- schäftigt sich mit den vielgestaltigen Krisen unserer Zeit. Welche Gefahr geht von diesen Krisen aus für die Solidarität in unserer Gesellschaft? Natascha Strobl: Wir erleben aktu- ell verschiedene Krisen. Die Klima- krise und soziale Krisen einerseits. Daneben haben wir auch eine Krise der Demokratie und eine Krise des Vertrauens. Autoritäre Kräfte bieten für diese Krisen vermeintliche Lö- sungen, die sagen: Wenn diese und jene Menschen nicht hier in unse- rem Land wären, dann wäre alles gut. Aber das sind menschenver- achtende Lösungen und sie nutzen die Sprache der Dämonisierung. Das ist eine ganz große Gefahr für die demokratische Gesellschaft an sich. In vielen Demokratien sind aktuell solche Radikalisierungstendenzen zu beobachten. Woran liegt das? Und wird das ein Dauerzustand?

▸ Das ganze Interview inklusive Video gibt es online auf dem AK Blog.

„Solidarität“ von Natascha Strobl Rechtsextremismus-Expertin Natascha Strobl plädiert in ihrem Buch „Solidarität“ für einen neuen Weg, den Krisen unserer Zeit zu begegnen: näm- lich gemeinsam und antikapita- listisch. Mit echter Solidarität – einem kollektiven Wert, der in-

dividuelle Be- findlichkeiten überwindet. („Solidarität“ von Nata- scha Strobl, Kremayr & Scheriau)

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