2 Meinung und Schaffarei
September 2022
LEITARTIKEL Arbeit muss sich wieder lohnen Wie kaum ein anderes Thema wird die Erwerbsarbeit in Vor- arlberg zu Recht immer wieder als besonders wichtig hervor- gehoben. Das war in der Zweiten Republik die Grundlage für den Einstieg in eine materiell gesicherte Zukunft, die vielfach sogar die Möglichkeit der Eigentumsbildung beinhaltete. Seit rund dreißig Jahren hat sich das schrittweise geändert. , Notwendig sind höhere Löhne, damit man von der Arbeit auch gut leben kann. Rainer Keckeis Direktor der AK Vorarlberg Während die betrieblichen Mehrerträge enorm anstiegen, hat sich der Anteil, den die Arbeitnehmer:innen davon erhalten, laufend verringert. Vor allem, seit die Kosten für das Wohnen über Jahre hinweg erheblich über der Lohnentwicklung angestiegen sind, ist die Eigentumsbildung für Arbeitneh- mer:innen immer schwieriger geworden. Das hat dazu ge- führt, dass aus dem früheren Land des Eigentums ein Ländle der Mieter:innen geworden ist. Damit sich das ändert, muss Arbeit wieder mehr wert sein. Eine bessere Bezahlung für die arbeitenden Menschen und nicht die zehnte Eigentumswohnung oder der x-te Luxus- urlaub für den Firmenbesitzer sind notwendig, wenn diese Entwicklung gestoppt werden soll. Voraussetzung dafür sind vorausschauend denkende Unternehmer:innen ebenso wie Arbeitnehmer:innen, die bereit sind, sich gewerkschaftlich zu organisieren und für ihre Rechte zu kämpfen. Wichtige Grundlage aber ist und bleibt die wirtschaftliche Entwick- lung. Dabei spielen motivierte, fleißige Arbeitnehmer:innen eine ganz entscheidende Rolle. Ihr diesbezügliches Enga- gement hängt langfristig aber davon ab, inwieweit sich ihr Einsatz auch wirklich lohnt.
Tausende Besucher:innen tanzen, hören, singen, ratschen – Strahlender Sommer und Gewittersturm – Das Thema Arbeit in aller Munde – das war das Schaffarei-Festival 2022 der AK Vorarlberg im Harder Stedepark. Eine bessere Welt schaffen wir nur „z’sämma“ Tausende Besucher:innen ließen sich von den gesellschaftskritischen Songs inspirieren.
SCHAFFAREI. Was für ein Fest: Tausende Besucher:innen tanzen, hören, singen, lachen und ernten die Früchte ihrer Arbeit – so war das dreitägige Schaffarei-Festival 2022 der AK Vorarlberg im Harder Stedepark. Aber darf man überhaupt feiern? In so schwierigen Zeiten? Die Frage klingt seltsam verhalten, während rundum Menschen aus- gelassen sind. AK-Vizepräsident Bernhard Heinzle bringt es auf den Punkt: „Wir sollten sogar dringend feiern. Denn noch ist Gelegen- heit.“ Gründe gibt es ja viele. Die Vorarlberger:innen haben sich laut AK-Direktor Rainer Keckeis in der Krise glänzend geschlagen. Die Arbeitnehmer:innen aber dürfen nicht ausgepresst werden wie eine Zitrone. Sie brauchen Luft, haben sich solche unbeschwerten Frei- räume mehr als verdient. Freiräume sind auch fester Bestandteil der Zukunft der Arbeit, wie sie Schaffarei-Initiatorin Eva King vor Augen hat. Freiräume ge- hören fest zur Schaffarei als Haus und Treffpunkt für alle, die sich mit der Arbeitskultur von gestern, heute und morgen auseinander- setzen wollen. Vor ziemlich genau einem Jahr wurde das Haus der Arbeitskultur gleich neben der AK in Feldkirch eröffnet. Ein wenig feierten wir also beim Festival auch Geburtstag. Arbeit ist ein so vielschichtiger Begriff. Wenn nur mehr der Mehrwert zählt, verliert sie ihre Würde. Das sagt Stefan Hantel aus Mannheim – oder vielmehr „Shantel“ –, der am ersten Abend mit seinem Bukovina Club Orkestar den Stedepark in einen Hexenkessel verwandelt. Der Wiener Sänger Ari Oehl vollzieht sie ganz rituell in seinem kleinen Arbeitszimmer, täglich von 05.30 bis 13 Uhr. Prinz Grizzley erfüllt die Erinnerung an den Fleiß und das entbehrungs-
▸ E-Mail: direktion@ak-vorarlberg.at
GASTKOMMENTAR Kinder an die Macht! Bereits seit 30 Jahren unterstützt die Kinder- und Jugendanwalt- schaft Vorarlberg vertraulich, kostenlos und anonym alle Personen unter 18 Jahren, aber auch deren Umfeld, in unterschiedlichen Themenbereichen und vertritt ihre Interessen in Gesetzgebungs- verfahren. , Kinder und Jugendliche haben Rechte, und diese müssen endlich ernst genommen werden! Christian Netzer Kinder- und Jugendanwalt Die letzten Jahre haben gezeigt, dass es dieser Unterstützung immer noch in vollem Umfang bedarf. Neben den Belastungen, welchen wir alle direkt oder indirekt durch die Corona-Pandemie ausgesetzt waren, befanden sich die Kinder und Jugendlichen zusätzlich noch im Spannungsfeld von Medien, Politik, Medizin und Elternhaus. Diskussionen über Impfungen von Kindern, die Schulschließungen, das regelmäßige Testen von Schülerinnen und Schülern, das Tragen von Masken etc. wurden ständig geführt – allerdings ohne die Kinder und Jugendlichen selbst in diese Dis- kussionen mit einzubeziehen. Auf die tatsächliche Beteiligung und Mitsprache wurde – wieder einmal – in vielen Fällen „vergessen“. Wir entscheiden FÜR, aber oft OHNE unsere Kinder. Haltungs- fragen der Eltern sollen und dürfen nicht auf den Rücken unserer Kinder ausgetragen werden bzw. müssen diese in diesen Bereichen auch mitreden können. Kinder und Jugendliche haben Rechte, und diese müssen endlich ernst genommen werden! ▸ Info: Die Vorarlberger Kinder- und Jugendanwaltschaft ist online unter https://vorarlberg.kija.at gut erreichbar.
Diese junge Besucherin hatte sichtlich Spaß.
reiche Leben seiner Vorfahren mit Demut. Der Poetry-Slammer Ivica Mijajlovic fasst die ersehnte Zukunft der Arbeit in drei Punk- te: Wir statt Gier. Welt statt Geld. Personen statt Profit. Drei Tage lang wurde in Hard getanzt und gehört, diskutiert und gelacht, ge- feiert und nachgedacht. So viele Menschen – so viele Arbeitsge- schichten. Etliche Besucher:in- nen nahmen das Manifest der Arbeit mit nach Hause, wie es beim ersten Schaffarei-Festival in Hard Ende August 2019 von 40 Vordenker:innen formuliert wur- de. Es hat durch Pandemie, Krieg und Wirtschaftskrise nichts von seiner Schlagkraft verloren.
„So friedlich und entspannt!“, das hörten die Mitarbeiter:innen der AK immer wieder. Das schönste Kompliment, das man einem Festival machen kann.
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