2 Meinung und Soziales
Oktober 2022
Designierter AK-Präsident fordert von der Politik schnelleres Handeln – Seine Themenschwerpunkte sind Teuerung, Fachkräftemangel und leistbares Wohnen – Alle politischen Couleurs müssen jetzt an einem Strang ziehen. Bernhard Heinzle: „Wir brauchen mehr Tempo!“
LEITARTIKEL Einfache Antworten bleiben hohl Die sowohl durch den Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine als auch durch die Probleme in den internationalen Logistikketten verursachten Preissteigerungen sind, wie ein Blick über die Gren- zen hinaus zeigt, nicht Schuld eines einzelnen Nationalstaates oder einer Regierung. Dass die Repräsentanten dennoch – egal was sie gegen die extreme Teuerung unternehmen – von den Wähler:in- nen abgestraft werden, ist eine Tatsache, mit der viele Regierungen derzeit konfrontiert sind. Solange dies in einem normalen politi- schen Schlagabtausch zwischen verschiedenen demokratischen Parteien stattfindet, gehört das zur Normalität einer lebendigen Demokratie. , Wir brauchen einen internationa- len Schulterschluss zur Umstel- lung der Produktionsprozesse. Rainer Keckeis Direktor der AK Vorarlberg Bedenklich wird es, wenn Weltverschwörungstheorien als Erklä- rungsmuster für komplexe Sachverhalte angeboten werden. Zum Beispiel, dass die USA den Krieg in der Ukraine verursacht hätten und Putin eigentlich ein Friedensengel wäre, wenn man ihn nur ließe. Ähnlich dumm sind Argumente zur aktuellen Energiekrise, die den Menschen weismachen wollen, dass es nicht um einen fundamentalen Kurswechsel in der Energiepolitik gehen muss, sondern dass generelle Tempolimits, das Verbot der sogenannten Heizpilze oder ein Verbot des Betreibens von Skilifte oder des Stra- ßenbaues die Lösung wären. Oder gar, dass wir nur auf uns achten müssen und uns von der europäischen Strategie abwenden sollen, dann würde alles wieder gut werden. Das ist fundamental falsch und angesichts der Herausforderungen, vor denen wir stehen, eine Provokation für jeden denkenden Menschen. Ohne jetzt Appelle zur individuellen Verhaltensänderung ins Lächerliche ziehen zu wollen, an der Gesamtsituation wird es nichts ändern. Was wir brauchen, ist ein nationaler und internationaler Schulterschluss zur Umstellung der Produktionsprozesse, zum weitgehenden Ersatz fossilen Energieeinsatzes und zur Stärkung unserer Ver- teidigungskraft. Das alles im Rahmen einer sozial verträglichen Strategie umzusetzen, sichert unseren Frieden und Wohlstand für die nächsten Jahrzehnte.
„45 Jahre sind genug“, so eröffnete AK-Präsident Hubert Hämmerle die Übergabe-Pressekonferenz. In einem monatelangen Prozess hat sich die Spitze der Vorarlberger AK neu geordnet.
NACHFOLGE. An der Spitze der AK Vorarlberg kommt es zu einem Wechsel. Bei einer überraschend einberufenen Pressekonferenz kün- digte der langjährige AK-Präsident Hubert Hämmerle seinen Rückzug an. Zum Nachfolger des 61-Jähri- gen wurde Vizepräsident Bernhard Heinzle (46) designiert. „Persönliche Entscheidung“ Hämmerle sprach von einer „zutiefst persönlichen Entscheidung“. Er habe in der vergangenen Zeit gemerkt, dass sich vieles verändere und für die anstehenden Herausforderun- gen jemand anderes benötigt wer- de. Seinem „idealen Nachfolger“ – die Vollversammlung am 3. No- vember muss zustimmen – streute Hämmerle Rosen: Heinzle sei der „Präsident der Zukunft“. Die Über- gabe-Entscheidung ist bereits vor einem halben Jahr gefallen, der Prozess wurde gut vorbereitet. Die ÖAAB/FCG-Fraktion hat Heinzle
nen und die Stärkung der Sozialpart- nerschaft sind ihm wichtig, denn „wir haben jetzt keine Zeit für politisches Geplänkel“, so Heinzle. Der 1976 geborene Bernhard Heinzle ist der Vorarlberger Öffent- lichkeit als engagierter Arbeitneh- mervertreter gut bekannt. Nach ei- ner Lehre als Werkzeugmaschineur bei Mahle König KG in Rankweil arbeitet er seit 2000 bei der Gewerk- schaft der Privatangestellten (GPA), seit 2006 ist er Landesgeschäfts- führer, seit 2015 auch Mitglied der erweiterten Bundesgeschäftsfüh- rung. In der AK wirkt er seit 1999 als Kammerrat. 2009 wurde er Landes- stellenausschussvorsitzender der PV-Vorarlberg, seit 2011 ist der er- fahrene Kollektivvertragsverhand- ler einer der AK-Vizepräsidenten. 2015 übernahm er den Frak- tionsvorsitz der AAB-FCG-Fraktion, spätestens seit damals galt er als designierter Nachfolger Hämmer- les. Auf seinem Twitter-Account be-
zeichnet er sich als „Arbeitnehmer- vertreter aus und mit Leidenschaft – meist im Hintergrund …“. Zur Person Bernhard Heinzle, designierter AK-Präsident von Vorarlberg Geboren 22. Jänner 1976 Familie zwei Töchter Wohnort Feldkirch Beruf Werkzeugmacher Werdegang Ausbildung zum Werkzeugmacher und Betriebsrat bei König KG in Rankweil, seit 2000 bei der GPA tätig, seit 1999 in AK- Vorarlberg engagiert und seit 2011 AK-Vizepräsident; seit 2015 Fraktionschef Fraktion Christlicher Gewerkschafter (FCG.ÖAAB)
▸ E-Mail: direktion@ak-vorarlberg.at
GASTKOMMENTAR Pandemie im Herbst 2022 Seit drei Jahren beherrscht die Pandemie SARS Covid-19 unser Leben. Schaut man sich die Chronik der Bemühungen an, die zur Ein- dämmung unternommen wurden – Lockdowns, Schulschließungen, Gebietssperren, Reisverbote, Quarantäne, Grüner Pass –, waren das alles Maßnahmen, die aus Pest- und Pockenzeiten schon im Mittel- alter eingesetzt wurden: Maske, Abstand und Desinfektion. , Mit Impfung und Therapie lassen sich überlastete Intensivstationen vermeiden. Die Bilanz bisher: 617.400.000 Erkrankungen und 6,5 Millionen Tote, der Herbst ist ins Land gezogen und die aktuellen Zahlen weisen wieder steil nach oben. Also weiter wie bisher? Aktuell haben wir drei Säulen der Bekämpfung: die Impfung – antivirale Medikamente – und natürlich das Social Distancing. Zur Zeit sind 55 Prozent der Vorarlberger:innen vollständig, also drei Mal geimpft und wir verfügen erstmals über einen an die vorherrschende Mutante Omikron B4-5 angepassten Impfstoff in ausreichender Menge. Wir haben antivirale Medikamente, die besonders bei Risikopatient:innen eingesetzt werden können, auch im niedergelassenen Bereich, und wissen, dass diese beiden Säulen einen schweren Verlauf der Erkrankung und damit Spitalsaufent- halte und Long-Covid-Erkrankungen zu bis zu 85 Prozent vermei- den können. Impfung und Therapie schützen nicht vor Infektionen mit SARS Covid-19, sie haben eine wichtige vorbeugende Funktion, um das zu vermeiden, was wir alle nicht wollen: Social Distancing als Wellenbrecher und überlastete Intensivstationen. ▸ Info: Unter https://vorarlberg.at/corona gut erreichbar. OMR Dr. Robert Spiegel Covid-Koordinator des Landes
▸ Das Video der Pressekonferenz steht auf unserer Website ak-vorarlberg.at
einstimmig nominiert. Keine Zeit für Geplänkel
Mit den Worten „Es ist mir eine Ehre“ schlüpft Heinzle in die neue Rolle. Sein Motto sei und bleibe „ein gutes Leben für alle“. Um thema- tische Schwerpunkten ist er nicht verlegen: Leistbares Wohnen wird dazu zählen, die Teuerung und der Fachkräftemangel. Von der Politik fordert Heinzle „mehr Tempo“ in der Umsetzung und ein sofortiges Preis- monitoring. Er will sich weiter mit vollem Elan für den Erhalt des sozialen Friedens und für Verteilungsgerechtigkeit ein- setzen, „denn da kommt einiges auf uns zu“. Die Einbindung aller Fraktio-
Heinzle und Hämmerle sind seit Jahren ein gut eingespieltes Team.
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