Interessenpolitik 3
Mai 2024
AK Direktorin Eva King und AK Präsident Bern- hard Heinzle stellten das AK Standort-Rating 2024 vor. Foto: Dietmar Mathis
AK Standort-Rating: Wo drückt in Vorarlberg der Schuh?
Schwerpunkt der aktuellen Ausgabe des mittler- weile vierten AK Standort-Ratings ist das Thema Fachkräftebedarf. Zentrales Hindernis, um gut ausgebildete Arbeitskräfte zu finden und an Vor- arlberg zu binden, ist die fehlende Gerechtigkeit bei der Verteilung des wirtschaftlichen Erfolgs.
Österreich weiterhin ungleich verteilt: Steuern auf Kapital bzw. Vermögen und dessen Einkom- men sind auch im internationa- len Vergleich niedrig. Fast 81 Pro- zent aller Steuern und Abgaben leisten Arbeitnehmer:innen und Konsument:innen. Eine progres- sive Vermögens- und Erbschafts- steuer könnte zur Entlastung der meisten Haushalte beitragen. Einkommen könnten steuerlich entlastet werden. So würde der Kuchen gerechter verteilt.
es besonders für Personen mit maximal Pflichtschulabschluss wenig offene Stellen gibt. Vorarl- berg hat mit 16,3 Prozent gemein- sam mit Wien immer noch den größten Anteil an Personen mit maximal Pflichtschulabschluss. Die Teilnahme an Weiterbildun- gen ist unter dem österreichi- schen Durchschnitt. Eine Quali- fizierungsoffensive könnte ihnen helfen, höhere Bildungsabschlüs- se und damit größere Erwerbs- möglichkeiten zu erreichen. Wohneigentum unleistbar Die Teuerung setzt den Vorarl- berger:innen zu. Eine besonde- re Herausforderung stellen die Wohnkosten dar. Das ist auch ein großes Problem für die Standort- attraktivität. Die durchschnitt- lichen Häuser- (+91 Prozent) und Wohnungspreise (+81 Prozent) sind zwischen 2015 und 2022 in keinem anderen Bundesland so stark gestiegen wie in Vor- arlberg, die Grundstückspreise haben sich sogar mehr als ver- dreifacht (+240 Prozent). Nur in Salzburg zahlen die Menschen noch mehr Miete. Laut Erhebun- gen der Statistik Austria sind 20 bis 35 Prozent aller Haushalte durch Wohnkosten überlastet. Das bestätigt auch die AK Wohn- umfrage 2023. Zuletzt ist auch die Steuer- bzw. Abgabenlast in
schnittliche Dauer bis zur Beset- zung ist angestiegen. Vorarlberg altert zudem schneller, als es wächst. Bereits 2030 wird es laut Prognose mehr Personen im Al- ter von über 65 Jahren als 0- bis 19-jährige Personen geben. Großes Potenzial Noch ist die Erwerbsquote bei den Jüngeren im Bundesvergleich hoch, ihr Anteil wird aber künftig weiter abnehmen. Besonders bei Frauen ist die Erwerbsquote im Alter von 20 bis 44 Jahren verhält- nismäßig gering. Über 42 Prozent der Frauen in Teilzeit geben an, aufgrund von Betreuungspflich- ten nicht in Vollzeit zu arbeiten. Das Kinderbetreuungsangebot ist nach wie vor zu gering. So ermöglichen nicht einmal die Hälfte der Kinderbetreuungsein- richtungen, einer Vollzeittätig- keit nachzugehen. Zudem sind viele Einrichtungen privat, was die Betreuung teuer macht. Das wurde auch durch eine Umfrage der AK Vorarlberg bestätigt. Eine bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie durch mehr Kinder- betreuungsplätze mit hoher Qua- lität ermöglicht Teilnahme am Arbeitsleben. Qualifizierungsoffensive nötig Bei genauer Betrachtung der un- besetzten Stellen zeigt sich, dass
FORSCHUNG. In keinem an- deren Bundesland ist die Stun- denproduktivität so hoch wie in Vorarlberg, doch die Arbeitneh- mer:innen werden am wenigsten am Erfolg beteiligt. Das AK Stand- ort-Rating entkräftet auch die von Unternehmerseite verbreite- te Mär zunehmender „Faulheit“. Das Arbeitskräftepotenzial in Vorarlberg ist hoch, die Arbeits- bereitschaft in den vergangenen Jahren stetig gewachsen. Was es braucht, um die Attraktivität des Arbeitsstandorts zu steigern und gute Arbeit für alle zu fördern, ist eine umsichtige Wirtschafts- und Sozialpolitik. Kleines Stück vom Kuchen In Vorarlberg ist der erwirtschaf- tete Kuchen im Vergleich zu den anderen Bundesländern beson- ders ungleich verteilt. Im Jahr 2021 flossen knapp 44 Cent pro erwirtschaftetem Euro in Lohn- einkommen. In allen anderen Bundesländern kommt mehr bei den Arbeitnehmer:innen an, im Österreichdurchschnitt sind
es 50 Cent pro erwirtschaftetem Euro. Bei den Unternehmensein- kommen ist es genau umgekehrt, hier liegt Vorarlberg deutlich über dem Österreichdurchschnitt, und das über den gesamten Be- trachtungszeitraum von 2000 bis 2021 hinweg. Dabei sind die Vorarlber- ger:innen die Fleißigsten in Ös- terreich: Die Stundenproduktivi- tät liegt auf dem ersten Platz im Bundesländervergleich. Noch dazu ist die Produktivität in den letzten Jahren stetig gewachsen. Gerecht wäre, wenn die Vorarl- berger Beschäftigten einen ent- sprechenden Anteil für ihre Ar- beitsleistung bekämen Stellenbesetzung? Schwierig! Die Arbeitsbereitschaft ist in Vor- arlberg hoch und wächst stetig. Dennoch steht der Arbeitsmarkt vor Herausforderungen. Den Un- ternehmen fällt es zunehmend schwer, Stellen zu besetzen. Die Anzahl der offenen Stellen hat sich in den vergangenen Jahren merklich erhöht und die durch-
▸ Das AK Standort- Rating 2024 kann online gelesen oder als Print bestellt werden.
Wichtigste Stellschrauben für die Politik • bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf durch Ausweitung der Kinderbetreuung und und -bildung ab dem ersten Lebensjahr • Qualifizierungsoffensive mit Fokus auf niedrigqua- lifizierte Personen und deren Bedarfe • Schaffung von leist- barem Wohnraum – v. a. im gemeinnützigen Miet- und Mietkaufsektor • mehr Verteilungsgerech- tigkeit: weniger Steuern auf Arbeit, mehr Steuern auf Vermögen
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