2 Meinung und Interessenpolitik
Mai 2024
Erster Platz bei der Stundenproduktivität im Bundesländervergleich
GASTKOMMENTAR Fachkräfte fehlen – aber wo? Arbeitskräfte fehlen, darunter viele Fachkräfte. Jahrelang wurde politisches Handeln und Steuern in Sachen vorausschauende (Aus-)Bildung und Fachkräfterekrutierung von Regierung und Unternehmen vernachlässigt. Betriebe ziehen sich seit Jahren aus der Aus- und Weiterbildung zurück. In den kommenden Jahren gehen tausende Fachkräfte in Pension. Dabei bräuchten wir zur Bewältigung der Klimakrise natürlich auch für die Di- gitalisierung deutlich mehr zeitgemäß qualifizierte Arbeitneh- mer:innen. Und wir benötigen dringendst Fachkräfte, die unsere Kinder bilden und unsere Alten pflegen. Wo wie viele Fachkräfte fehlen, weiß niemand genau. Das macht es schwer, die richtigen Maßnahmen zu setzen. Gabriele Schmid Leitung Bildungspolitik bei der AK Wien , Wie viele Fachkräfte in welchen Bereichen wirklich fehlen, weiß niemand genau. Das macht es überaus schwer, die richtigen Maßnahmen für die richtige Qualifizierung und Rekrutierung der Fach-/Arbeitskräfte zu setzen. Was wir jedoch wissen, ist: Es braucht dringend eine Fachkräf- testrategie, sollen rechtzeitig ausreichend Fachkräfte für die Bewältigung gewaltiger Herausforderungen zur Verfügung ste- hen. Schließlich hängen die Wirtschaftsentwicklung und unser Wohlstand von ihnen ab. Dafür gibt es vier Eckpfeiler. Erstens (Er-)Halten: Es muss in alternsadäquate Arbeit, Gesundheits- vorsorge und attraktive Arbeitsbedingungen für alle Branchen investiert werden. Zweitens Öffnen: Wir brauchen flächende- ckende Kinderbetreuung und Pflege-Infrastruktur zur Hebung der Beschäftigungsquote von Frauen sowie geeignete Ausbil- dungsförderung und Mobilitätsunterstützung für entmutigte, noch arbeitsmarktferne Menschen. Drittens Weiterdenken: Wir müssen Aus- und Weiterbildung in Zukunftsbereichen über einen Weiterbildungsfonds schaffen, aus dem Qualifikationen bezahlt werden. Der letzte Eckpfeiler ist das Willkommen: Nach Österreich zugewanderte Personen müssen gefördert werden, um rasch eine qualifizierte Arbeit aufnehmen zu können. LEITARTIKEL 41 Stunden? Nein danke! Eine Arbeitszeitverlängerung auf 41 Stunden ist Unsinn und wäre ein großer Fehler. Für den Kampf gegen Personalmangel ist sie weder die einzige noch die beste Option. Es gibt genügend Arbeit und Arbeitskräfte in Vorarlberg. 9000 Arbeitslose stehen 5000 offenen Stellen gegenüber. Viele Men- schen würden gerne mehr oder überhaupt arbeiten, können es aber aktuell nicht. 69 Prozent der Frauen mit Kindern arbeiten in Teilzeit. Viele wären bereit, ihre Stunden zu erhöhen – wenn sie ausreichend leistbare Kinderbetreuung hätten. Eine weitere Gruppe sind die Personen, die aufgrund ihrer niedrigen Aus- bildung Probleme haben, einen Job zu finden. Qualifizierungs- maßnahmen würden helfen, sie in Arbeit zu bringen. Direktorin der AK Vorarlberg , In Vorarlberg gibt es noch ein großes Arbeitskräfte-Poten- zial. Wir sollten uns darauf konzentrieren, es zu nutzen, statt diejenigen, die bereits arbeiten, noch länger arbeiten zu lassen. Denn man muss es klar sagen: Eine Verlängerung der Arbeitszeit auf 41 Stunden bei gleichem Lohn würde nicht nur effektiven Lohnraub bedeuten, sondern auch den Druck auf die Arbeitnehmer:innen erhöhen. Zudem liegt die durchschnitt- liche effektive Arbeitsleistung bereits bei 42 Stunden. Es ist unvernünftig, von den Arbeitnehmenden noch mehr zu verlan- gen, ohne entsprechende Kompensation oder Verbesserung der Arbeitsbedingungen anzubieten. ▸ E-Mail: direktion@ak-vorarlberg.at ▸ Dr. Gabriele Schmid leitet die Abteilung für Bildungspolitik der AK Wien und ist dort in der Stabstelle Fachkräftebedarf tätig. Mehr unter: www.wien.arbeiterkammer.at. Foto: M. Zahradnik In Vorarlberg gibt es ein großes Arbeitskräfte-Potenzial. Wir soll- ten uns darauf konzentrieren, es zu nutzen, statt die bereits Arbeiten- den länger arbeiten zu lassen. Eva King
Vorarlberg
Österreich
65 €
60 €
55 €
50 €
45 €
2000 ´01 ´02 ´03 ´04 ´05 ´06 ´07 ´08 ´09 ´10 ´11 ´12 ´13 ´14 ´15 ´16 ´17 ´18 ´19 ´20 2021
Stundenproduktivität als reales Bruttoregionalprodukt pro Stunde im Bundesvergleich, 2000–2021
Quelle: Statistik Austria: VGR, eigene Berechnungen
Höchste Preise + höchstes Wachstum = unleistbar
Vorarlberg Wohnungspreise pro m 2 Vorarlberg Häuserpreise pro m 2 Vorarlberg Bruttomiete inkl. BK pro m 2
Österreich Wohnungspreise pro m 2 Österreich Häuserpreise pro m 2 Österreich Bruttomiete inkl. BK pro m 2
200
+ 91 %
+ 81 % + 73 %
180
160
+ 60 %
140
+ 26 % + 22 %
120
100
2015
2016
2017
2018
2019
2020
2021
2022
Entwicklung der Preise für Eigentum und Miete im Bundesvergleich, 2015–2022
Quelle: Statistik Austria Anmerkung: Indexierung (2015 = 100)
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