Politik 15
Mai 2024
Bald 41 Stunden? Die Industriellenvereinigung möchte Beschäftigte länger arbei- ten lassen, ohne Lohnausgleich – wir fragten die AK Fraktionen. LOHNRAUB. Pünktlich
Dass die Erwerbstätigen mit ihrer Arbeit den wirt- schaftlichen Erfolg und da- mit den Wohlstand Öster- reichs sichern, bedarf keiner gesonderten Erwähnung. Dass die Industriellenvereini- gung freilich die geänderten Rahmenbedingungen völlig außer Acht lässt – die Digi- talisierung hat die Arbeits- welt komplett verändert –,
muss selbst wirtschaftslibe- rale Kreise erstaunen: Heute erbringen die Arbeitneh- mer:innen in viel kürzerer Zeit dieselben Leistungen wie früher. Längst werden in innovativen Unternehmen neue Arbeitszeitmodelle aus- probiert. Wäre nicht Arbeits- zeitverkürzung weit eher das Thema? Wir fragten in der AK Vollversammlung nach.
zum Tag der Arbeit legte die Industriellenvereinigung er- neut ihre Lieblingsidee auf den Tisch: Sie forderte die Einführung einer 41-Stun- den-Woche, und zwar ohne Lohnausgleich. Denn Wohl- stand entstehe nur durch Leistung, argumentiert IV- Generalsekretär Christoph Neumayer.
Liste Manuela Auer – FSG
Liste AK Präsident Bernhard Heinzle – FCG
Was steigen muss, ist der Anteil am Erfolg!
Arbeitszeitverkürzung ist Gebot der Stunde!
Lohn- und Gehaltsausgleich – wollen sie Österreichs Be- schäftigte weit in die Vergan- genheit zurückkatapultieren. Die Produktivität ist in den letzten Jahrzehnten deutlich gestiegen, der Arbeitsdruck hat massiv zugenommen. Der internationale Trend geht klar in Richtung Arbeitszeit- verkürzung. Studien belegen, dass bei kürzeren Arbeits- zeiten Produktivität und Gesundheit steigen. Arbeit könnte fairer verteilt und
Eine 41. Wochenstunde ohne Lohnausgleich ist nichts anderes als Lohnraub. Die Löhne und Gehälter pro Stun- de würden sinken. Gleich- zeitig hätten die Arbeitneh- mer:innen, die mit ihrem Einsatz den wirtschaftlichen Erfolg der Unternehmen erst möglich machen, weniger Zeit – für die Familie, für die Pflege, für Freundschaften, Hobbys und Erholung. Gerade in Vorarlberg gibt es nicht den geringsten
Grund, über längere Arbeits- zeiten nachzudenken. Die Beschäftigten sind bereits die produktivsten Arbeitneh- mer:innen in ganz Österreich, ihr Anteil am erwirtschafte- ten Erfolg ist jedoch der ge- ringste. Darüber müssen wir re- den, wenn Leistung sich loh- nen soll – nicht über eine Fan- tasie aus der ideologischen Mottenkiste. ▸ E-Mail: bernhard.heinzle@ ak-vorarlberg.at
Sorgearbeit besser aufgeteilt werden. Arbeitslosigkeit und Teilzeitquote sinken. Frau- en- und Familieneinkommen steigen. Deshalb hat die FSG einen dringlichen Antrag für die AK Vollversammlung ein- gebracht. Die Bundesregie- rung soll sich klar gegen eine Erhöhung der gesetzlichen Wochenarbeitszeit ausspre- chen und eine Arbeitszeitver- kürzung umsetzen! ▸ E-Mail: manuelaauer@ manuelaauer.at
Manuela Auer
Bernhard Heinzle
LOHNRAUB. Schlechte Ideen werden nicht besser, wenn man sie wiederholt. Die Industriellenvereinigung sollte sich von ihrer Forde- rung nach Arbeitszeitverlän- gerung (!) endlich mal verab- schieden.
FRONTAL. Industriellen- vereinigung und ÖVP haben zum Frontalangriff auf die Beschäftigten angesetzt. Mit der Forderung nach einer Verlängerung der gesetz- lichen Wochenarbeitszeit auf 41 Stunden – sogar ohne
Liste Freiheitliche + Parteifreie Arbeitnehmer – FA
Liste Heimat aller Kulturen – HaK
Nein zu Arbeitszeit- Verlängerung!
Statt Fortschritt: Rückschritt in die Arbeitsversklavung
attraktiver zu gestalten. Das kann durch eine steuerliche Entlastung oder etwa durch einen Vollzeit-Bonus erreicht werden. Denn klar ist: Solan- ge den Arbeitnehmer:innen netto oft nur unwesentlich mehr bleibt, wenn sie Vollzeit statt Teilzeit arbeiten, zahlt es sich für viele nicht aus, mehr zu arbeiten. Zudem setzen wir uns für die Steuerfreiheit für Über- stunden ein. Leistung muss sich lohnen. Wer mehr arbei-
tet, soll dafür belohnt und nicht durch eine unfaire Be- steuerung bestraft werden. Dass sich jetzt plötzlich auch Landeshauptmann Wallner für diese Punkte ausspricht, ist wenig glaubwürdig. Er und seine ÖVP hätten das längst umsetzen können. Im Landtag hat die ÖVP aber so- gar einen FPÖ-Antrag für die Steuerfreiheit von Überstun- den abgelehnt . ▸ E-Mail: michael.koschat@ fpoe-satteins.at
modelle wie die Vier-Tage- Woche zu fördern, die nach- weislich die Produktivität und das Wohlbefinden ver- bessern, droht dieser Ansatz uns in längst überwundene Zeiten der Arbeitsgeschichte zurückzuwerfen. Eine längere Arbeitswo- che und weniger Feiertage sind nicht die Lösung. Wir müssen über flexible, innova- tive Modelle nachdenken, die eine Balance zwischen den Bedürfnissen der Industrie
und dem Wohl der Angestell- ten schaffen. Es geht darum, nicht nur mehr, sondern klüger zu ar- beiten und sicherzustellen, dass Veränderungen nach- haltig und gerecht sind. ▸ E-Mail: info@hak-online.at
Michael Koschat
Beyaz Yoğurtçu- Acar
STEUERFREI. Wir Freiheit- liche Arbeitnehmer lehnen eine Arbeitszeitverlängerung auf 41 Stunden pro Woche ab. Anstatt die Normalarbeits- zeit zu erhöhen, sollten viel- mehr Maßnahmen getroffen werden, um Vollzeitarbeit
RÜCKSCHRITT. Der Vor- schlag der Industriellenver- einigung, die Arbeitszeit auf 41 Stunden zu erhöhen und weniger Feiertage einzufüh- ren, stellt einen besorgniser- regenden Schritt zurück dar. Statt moderne Arbeitszeit-
Liste NBZ – Neue Bewegung für die Zukunft
Liste Gemeinsam – Grüne und Unabhängige
Wahlkampfluftballon oder gefährliche Drohung?
Flexible Arbeit: Erfolgsfaktor für Work-Life-Balance
dass derlei Vorstöße „nur“ verzweifelte Versuche sind, die ÖVP im Wahlkampf zu unterstützen, und dass sie im Herbst gleich wieder in der Schublade landen. Ansons- ten wird ein gewerkschaft- licher Abwehrkampf unaus- weichlich. Die Produktivität ist so hoch wie noch nie. Ge- recht und notwendig wäre – 50 Jahre nach der Einführung der 40-Stunden-Woche – eine massive Arbeitszeitverkür- zung bei vollem Lohnaus-
gleich und nicht zusätzliche Gratisarbeit für die Gewinne der Konzerne. Dem Arbeitskräfteman- gel kann mittel- und lang- fristig nur begegnet werden, wenn mit den Gewerkschaf- ten sozialpartnerschaftlich intelligente Lösungen ge- sucht werden und wenn frei von Ressentiments eine ra- tionale, moderne Migrations- politik entwickelt wird. ▸ E-Mail: sadettin.demir@ gemeinsam-ug.at
derbetreuungsschwierig- keiten sowie potenzielle Einbußen bei Produktivität und Motivation. Flexible Ar- beitszeitmodelle wie Teilzeit, Homeoffice und Jobsharing können Arbeitsbedingungen verbessern und Familienbe- dürfnisse berücksichtigen. Eine ausgewogene Work-Life- Balance ist entscheidend für Mitarbeiterzufriedenheit und -bindung. Verkürzte Arbeits- zeiten könnten die Motivation und Produktivität steigern
und das Image des Unter- nehmens verbessern, was die Anziehungskraft auf qualifi- zierte Fachkräfte erhöht und die Wettbewerbsfähigkeit stärkt. Dies wiederum könnte zu langfristigem Erfolg füh- ren, indem es das Engagement und die Loyalität der Mitarbei- ter:innen fördert, die Unter- nehmenskultur stärkt sowie die Innovationskraft nachhal- tig vorantreibt. ▸ E-Mail: info@nbz-online.at
Adnan Dincer
Sadettin Demir
VÖLLIG ABSURD. So re- agierte der ÖGB zu Recht auf die Forderung nach einer Arbeitszeitverlängerung. Was kommt als Nächstes? Er- höhung des Pensionsantritts- alters auf 70? Kinderarbeit ab zehn? Es ist zu hoffen,
FLEXIBEL. Gegen die For- derung der Industriellenver- einigung nach einer 41-Stun- den-Woche und weniger Feiertagen sprechen Belastun- gen für Arbeitnehmer:innen, Work-Life-Balance-Probleme, mangelnde Flexibilität, Kin-
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