AKtion September 2023

6 Soziales und Schaffarei 

September 2023 Klage gegen Republik: Prozess um Energiekostengutschein begonnen

WEIBERKRAM von Univ.-Prof. Irene Dyk-Ploss

Arbeitskräftemangel Arbeitskräfte fehlen derzeit an al- len Ecken und Enden: Vollzeitjobs bleiben vielfach vakant, Absol- vent:innen technischer Ausbil- dungswege werden händeringend gesucht, sowohl Gesundheits- wie Bildungswesen klagen über Mitarbeiter:innenmangel all- gemein und fehlende Fachkräfte im Besonderen. Dienstleistungs- betriebe schränken ihre Angebote ein oder müssen schließen, weil kaum jemand noch Tagesrand- zeiten und Wochenendarbeit akzeptiert. Und vielfach ist das alles keine Frage des Gehalts oder diverser Benefits, denn auch Führungspositionen können oft nicht besetzt werden. Zum Teil hat das alles strukturelle Ursachen in der Bildungs-, Wirt- schafts-und Arbeitsmarktpolitik, aber manches ist eine Frage des durch die Arbeitskräfteknappheit gestiegenen Selbstbewusstseins der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Und auch Corona hat einen Anteil daran: zwangs- läufig ist Arbeit ein wenig in den Hintergrund gerückt und die Wertigkeit von Familien- und Freizeit umso deutlicher nach vorne. Arbeitgeber:innen werden sich daher vor allem für weib- liche Mitarbeiter einiges einfallen lassen müssen … ▸ E-Mail: Irene.Dyk-Ploss@jku.at

KONSUMENTENRECHT. Frühjahr 2022: Die Teuerung belastet die Men- schen in Österreich. Die Bundes- regierung reagiert und beschließt das Energiekostenausgleichsgesetz 2022. Darin steht, dass jeder Haus- halt in Österreich, der einen auf- rechten Energieliefervertrag besitzt und somit über einen Stromzähler verfügt, einen Gutschein über 150 Euro erhält – ein Ausgleich für die steigenden Energiepreise. Doch das Projekt „Energiekostengutschein“ scheitert fulminant. Tausende gehen leer aus, weil ihre Stromkosten pauschal mit den Betriebskosten abgegolten werden oder weil sie nicht über einen eige- nen Stromzähler, sondern etwa nur über einen Subzähler verfügen. Ge- rade diejenigen, welche die Bonus- zahlung am dringendsten bräuch- ten, schauen durch die Finger. Der Ärger in der Bevölkerung ist riesig. Viele bekamen die Hilfs- zahlung nicht, weil sie keinen eigenen Strom- zähler haben – so wie ein AK Mitglied, das da­ raufhin Klage einreich- te. Die Kammer unter- stützt sie dabei. Nun fand die erste mündli- che Verhandlung statt.

Diesen Gutschein sollte im Sommer 2022 jeder Haushalt erhalten. Doch viele gingen leer aus.

So auch bei einer Vorarlbergerin. Sie wendet sich an die AK. Und entschei- det sich, die Republik zu verklagen. Die AK Expert:innen unterstützen sie dabei. „Die Konsumentin lebt in einem eigenen Haushalt, verbraucht und zahlt ihren eigenen Strom“, stellt AK Experte Paul Rusching klar. „Es steht für uns damit außer Frage, dass ihr der Energiekosten- gutschein zusteht.“ Ungleichbehandlung vermutet Nach Ansicht der AK enthält der Wortlaut im „Bundesgesetz, mit

dem ein Energiekostenausgleich eingeführt wird“ vom 9. April 2022 eine sachlich nicht gerechtfertigte Ungleichbehandlung. „Das ist gleichheitswidrig!“ Das Gesetz unterteile die Bürger:in- nen in jene mit einem Stromzähler und jene ohne einen Stromzähler sowie Stromliefervertrag. „So konn- ten viele Konsument:innen den Gut- schein nicht in Anspruch nehmen. Das ist schlichtweg gleichheitswid- rig“, stellt AK Präsident Bernhard Heinzle klar.

Mitte August ging nun die erste mündliche Verhandlung der bei- spiellosen Klage gegen die Republik über die Bühne des Bezirksgerichts Feldkirch. Fortgeführt wird sie am 18. Oktober. Dann solle auch ein Repräsentant der Republik an der Verhandlung teilnehmen und eine Aussage machen, kündigte deren Rechtsvertreter an.

▸ Kontakt: AK Mit- glieder, die keinen Gut- schein erhalten haben, können sich an die Expert:innen wenden

Zusatzpension hilft gegen die Altersarmut

All-in-Vereinbarungen: Teure „Katz’ im Sack“

ARBEITSRECHT. All-in-Verträge können so verlockend sein. Anna F. (41) etwa war in einem Gastge- werbebetrieb als Restaurantlei- tung angestellt worden und hatte gut verhandelt. Immerhin hatte sie sich mit dem Dienstgeber auf ein Gesamtentgelt von 3000 Euro ge- einigt! Sie durfte stolz auf sich sein. Die näheren Bestimmungen in ihrem All-in-Dienstvertrag hinter- fragte sie nicht. Das war ein Fehler. Überstunden ohne Ende Im Laufe der Zeit stellte sich he­ raus, dass die Überstunden völlig aus dem Ruder liefen. Als sie ihren Dienstgeber fragte, warum diese Überstunden nicht bezahlt wür- den, wies der sie nur achselzuckend auf die All-in-Vereinbarung hin. Das Dienstverhältnis endete. Anna F. wandte sich an die AK. Sollte wirklich außer Frust nichts bleiben? Die Rechtsexpert:innen der AK schauten sich den Fall noch einmal an. Und siehe da: Es stellte sich heraus, dass der Dienstgeber die Deckungsprüfung vergessen hatte. Das holte die AK flugs nach und stellte fest, dass die Überzah- lung im All-in-Vertrag für die De- ckung der tatsächlich geleisteten Überstunden nicht ausreichte. Das musste auch der Dienstgeber ein- sehen und überwies der Arbeitneh- merin nach Einschreiten der Arbei- terkammer 1900 Euro.

Arbeitnehmer:innen dürfen durch eine All-in-Vereinbarung nur besser, aber nicht schlechter gestellt werden. Übersteigt die zwingend zustehende Überstun- denvergütung über einen gewissen Zeitraum hinweg das Ausmaß der Pauschalentlohnung, haben Be- schäftigte einen Nachforderungs- anspruch auf die Entgeltdifferenz. Den Arbeitgeber trifft in die- sem Zusammenhang eine Nach- rechnungspflicht: Er hat zu prüfen, ob durch die Pauschale die tat- sächlich geleisteten Überstunden im Durchschnitt eines bestimm- ten Zeitraumes – in der Regel ein Jahr – abgegolten werden. Praxistipp Sollten Sie einer All-in-Ver- einbarung unterliegen, fordern Sie jährlich eine Deckungsprüfung von Ihrem Dienstgeber an! Auch sollte das im Dienstvertrag verein- barte Grundgehalt für die Normalarbeitszeit höher sein als der kollektivvertragliche Mindestlohn. Denn auf Basis des Grundgehaltes werden die Überstunden berechnet! ▸ Blog: Ausführliche Story mit Beispielrech-

ABSICHERUNG. Armut überschat- tet immer öfter das Leben in der Pension. Dabei haben diese Men- schen ein Leben lang gearbeitet, Frauen oft nur in Teilzeit, sonst wäre sich das alles nie ausgegangen: die Kinder, der Haushalt, die Pflege der Eltern. Im Durchschnitt leisten sie neben ihrem Teilzeitjob jede Woche 32 Stunden Care-Arbeit, unbezahlt und mit fatalen Folgen. Denn die 53 Prozent der Frauen, die in Vorarlberg aktuell Teilzeit arbeiten, strampeln sich zwar ab, aber erwirtschaften nur eine Mini-Pension: In Vorarl- berg erhalten Frauen um 47,25 Pro- zent weniger Pension als Männer, im Durchschnitt sind es 1123 Euro. Viel geleistet, und dann … Aber auch Niedrigverdiener:innen in Vollzeit stehen am Ende ihres Er- werbslebens mit leeren Händen da: „Derzeit erhält eine Vollzeit beschäf- tigte Person mit einem Einkommen „Wer ein Leben lang gearbeitet hat, darf in der Pension nicht der Dumme sein!“ Deshalb fordert AK Präsident Bernhard Heinzle für alle Arbeitnehmer:in- nen eine Zusatzpension.

▸ Rat und Hilfe: Unter ak-vorarl- berg.at/pension finden Interessierte Informationen und Kontakte. zweiten Säule der Altersversorgung erst möglich, wenn das Unterneh- men einer überbetrieblichen Pensi- onskasse beitritt. Wenn der Gesetz- geber allen Arbeitnehmer:innen den Weg zu einer Zusatzpension öffnet, muss er Heinzle zufolge aller- dings klare Vorgaben machen, „da- mit möglichst viele Beiträge in die Veranlagung und nicht in die Ver- waltungsstrukturen der Pensions- kassen fließen“. der Privatwirtschaft ist noch immer die Ausnahme“, beklagt Heinzle. Er verlangt eine gesetzliche Verpflich- tung, wonach für jeden Arbeitneh- mer 0,5 Prozent des Bruttolohns in einer der fünf heimischen überbe- trieblichen Pensionskassen einbe- zahlt werden müssen. Das brächte viel: Die durchschnittliche Zusatz- pension lag in Österreich im Vorjahr bei 432 Euro im Monat. Es braucht klare Strukturen „Dieser Mindestbeitrag von 0,5 Pro- zent des Bruttolohns könnte auch freiwillig höher sein“, fügt Heinzle an. Die Dienstnehmer:innen wiederum sollten zusätzliche Beiträge bis zum Doppelten des Dienstgeberanteils steuerschonend einzahlen können. Noch ist der Zugang zu dieser

von brutto 1800 Euro und 40 Ver- sicherungsjahren eine nur gering- fügig höhere Pension als jemand, der beispielsweise 20 Jahre lang nur Teilzeit mit einem Einkommen von monatlich 600 Euro gearbeitet hat“, rechnet Heinzle vor. „Beide haben viel geleistet und kommen doch in der Pension nur mit Ach und Krach über die Runden.“ Aktuell bezieht in Österreich nur ein Viertel der Arbeitnehmer:innen eine Zusatzpension außerhalb des staatlichen Pensionssystems. Die meisten von ihnen arbeiteten im öffentlichen Dienst. „Die Mitglied- schaft bei einer überbetrieblichen oder betrieblichen Pensionskasse in AK Präsident Heinzle: „So ließe sich Altersarmut effektiv be- kämpfen!“

nungen im Blog unter ak-vorarl- berg.at/blog

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