AKtion November 2024

12 Konsumentenschutz

November 2024

Was sogenannte „Finanzsanierer“ anrichten können Bei der Arbeiterkammer gingen bundesweit binnen Jahresfrist über 800 Be- schwerden ein – Statt rascher Hilfe bieten sogenannte Sanierer nichts, aber verlangen unverschämt hohe Spesen – Zahlreiche Klagen sind anhängig

BASISWISSEN RASCH ERKLÄRT von Mag. Matthias Konzett Konsumentenschutz der AK Vorarlberg

Achtung Phishing-Betrug Phishing-Fallen sind als E-Mails, SMS oder Chatnachrichten getarnt. Kri­ minelle geben sich darin beispielsweise als Bank, Paketzusteller, Finanz­ amt oder ÖGK aus und erfinden eine „wichtige Information“. Durch das ähnliche Design, gestohlene Logos und manipulierte Absender wirken die betrügerischen Nachrichten vertrauenswürdig. Ein Link im E-Mail, SMS oder im Chatverlauf ist immer verdächtig! Kli­ cken Sie niemals voreilig auf den Link. Öffnen Sie auch niemals angehäng­ te Dateien. Diese können gefährliche Viren enthalten, die sich dadurch unbemerkt auf Ihrem Gerät installieren und dann Passwörter und andere (Zugangs-)Daten absaugen können. Phishing-Nachrichten fordern Sie entweder dringend auf, etwas zu tun (Daten vervollständigen, App herunterladen oder Kontoinformationen aktualisieren), oder drohen Konsequenzen an, wenn nicht gehandelt wird. Sie werden beispielsweise aufgefordert, sofort bzw. innerhalb einer kurzen Zeitspanne auf den Link zu klicken, sonst wird beispielsweise Ihr Konto gesperrt oder eine Gebühr verrechnet. Kriminelle erzeugen damit Stress, um Sie zu unüberlegten Handlungen zu bringen. Oftmals werden Sie auch im Zuge dieser Betrugsmasche zur Freigabe eines geringen Betrages aufgefordert. Prüfen Sie immer ganz genau, welche Informationen Ihnen Ihre Banking-App vor der Zahlungsfreigabe anzeigt. Spätestens hier ist oft erkennbar, dass das Geld an Fremde geht oder viel zu hohe Beträge abgebucht werden sollen! Misstrauisch sollten Sie immer dann werden, wenn Sie nach der Anmel­ dung etwa bei Ihrer Bank aufgefordert werden, bekannte Daten wie Name, Adresse oder IBAN erneut einzugeben: Mit hoher Wahrscheinlichkeit sind Sie dann ebenfalls auf einer gefälschten Website gelandet. AK konnte einer Wohnungskäuferin 9.500 Euro retten Verkäufer behielt Stornogebühr zu Unrecht ein und musste den gesamten Betrag zurückzahlen

VON WEGEN HILFE. Gerade in der Vorweihnachtszeit schlägt ihre Stunde: Wenn Menschen im Ein- kaufstrubel vollends die Kontrolle über ihre Finanzen verlieren, ver- sprechen „Finanzsanierer“, was je- de:r gerne hört: Alles wird gut! Rasches Geld aus der Schweiz Die Anbieter solcher Problemlösun- gen schießen seit 2006 wie Pilze aus dem Boden. Erinnern Sie sich noch an den Namen Helvetica Finanz AG? Die Firma mit Sitz in St. Gallen fiel als Erstes auf. Sie versprach Konsu- ment:innen in Geldnot rasche Hilfe in Höhe von 10.000 Euro und mehr. Aber anstelle des erwarteten Kredi- tes gab es nur Hinweise auf eine an- dere Sanierungsfirma. Für die „Ver- mittlung“ kassierte die Helvetica Finanz AG mehrere hundert Euro. Die Zahl der Finanzsanierungs- unternehmen wächst seither, und

die versprochene Finanzsanierung bezahlen, meist für nichts. Tatsächli- che Sanierungen bietet die Schulden- beratung des IfS gratis an. Im Schnitt geht es um 800 Euro pro Streitfall. Die AK verlangte be- reits 2006: Der Begriff „Finanzsanie- rung“ muss verboten werden! Über 800 Beschwerden „Diese seit Jahren gehäuft auftreten- den Finanzsanierer sind ein extre- mes Ärgernis und schädigen mit ih- rer äußerst perfiden Vorgangsweise vor allem Menschen, die verzweifelt auf der Suche nach einem Kredit sind und sich aufgrund ihrer finanziellen Notlage an jeden Strohhalm klam- mern“, beklagt Dr. Karin Hinteregger, Leiterin des Konsumentenschutzes der AK Vorarlberg. Österreichweit haben die Arbeiterkammern von September 2023 bis September 2024 mehr als 800 Beschwerden über Fi- nanzsanierer registriert. Kein Wun- der: Sie treten im Internet höchst professionell auf und spielen virtuos auf der Klaviatur von Social Media. Und das verfängt. Leider. Die AK fordert ● Der Begriff „Finanzsanie- rung“ soll verboten werden: Schuldenberatung soll bei staatlich anerkannten Schuld- ner:innen-Beratungsstellen bleiben. ● Gesetzliche Schutzbestim- mungen aufnehmen: Bei der Umsetzung der Verbraucher- kredit-Richtlinie sollen neue gesetzliche Schutzbestimmun- gen aufgenommen werden. gaben den Rotstift ansetzen. Die Einnahmen, wenn möglich, stei- gern. Schulden sind nicht gleich Schulden. Manche sind existenz- bedrohend, etwa Mietrückstände, Stromrechnungen. Behandeln und begleichen Sie diese Rech- nungen vordringlich. Was bedeutet eine Stundung bei einem Kredit? Stundung bedeutet, dass die Fälligkeit einer Kreditrate oder sonstigen Zahlung (wie z. B. Leasingrate, Versicherungsprämie etc.) auf einen späteren Zeitpunkt verschoben wird. Bei Bankkredi- ten sind Stundungen von fälligen Raten erfahrungsgemäß maximal ein Jahr möglich. Aber Achtung: Stundungen sind zwar hilfreich, weil sie einen aktuellen finanziel- len Engpass überbrücken können. Aber die Zinsen laufen im Normal- fall weiter! Das bedeutet, dass

mit ihr wächst die Zahl der Be- schwerden bei der Arbeiterkammer. Eine aktuelle Analyse der AK zeigt: Kredite werden auch heute nicht – wie suggeriert – ausbezahlt: Es fließt kein Geld. Stattdessen müssen die Konsument:innen hohe Spesen für

,

Sie schädigen jene, die sich an jeden Strohhalm klammern. Dr. Karin Hinteregger AK Konsumentenberatung

BESTRAFT. Frau E. stammt nicht aus einem Land der EU. Deshalb scheiterte ihr Versuch, eine Eigen- tumswohnung in Vorarlberg zu kaufen, zuerst am Ausländer- grundverkehr. Nun lebt sie schon lange hier, das Verfahren für die österreichische Staatsangehörig- keit läuft auch schon – deshalb verständigten sich die Käuferin und der Verkäufer auf eine speziel- le Vorgangsweise. Überbrückung von sechs Jahren Den Kaufvertrag schlossen sie zu einem festgelegten Kaufpreis ab. Die Käuferin sollte einen Teil des Kaufpreises in monatlichen Raten überweisen. Der wertgesicherte Restkaufpreis würde nach Ablauf von sechs Jahren fällig. Bis zum vollständigen Erwerb vereinbarten Verkäufer und Käuferin die Absi- cherung durch einen Mietvertrag. Für den Fall des Rücktritts wurde eine Stornogebühr (Vertragsstrafe) in Höhe von sechs Prozent zuzüg- lich Umsatzsteuer vom Gesamt- kaufpreis vereinbart. Der Verkäufer räumte der Käu- ferin zudem die Option ein, nach Ablauf von sechs Jahren die Grund- vereinbarung um weitere sechs Jah- re zu verlängern, also weitere sechs Jahre in Miete zu bleiben und den grundbücherlichen Erwerb sechs Jahre später zu tätigen. Um sich für diese Option zu entscheiden, wurde der Käuferin nach Ablauf der ersten sechs Jahre freilich nur ein knappes Zeitfenster zugestanden, das sie tat- sächlich übersah. Der Verkäufer löste daraufhin die Vereinbarung auf und zahlte ihr den angezahlten Teilkaufpreis zu-

rück, allerdings abzüglich der Ver- tragsstrafe in Höhe von 9.468 Euro. Die Käuferin wandte sich daraufhin an die AK. Kein Rücktritt vom Vertrag Die AK wies den Verkäufer darauf hin, dass die Nichtausübung einer Option nicht mit dem Rücktritt von einem Vertrag gleichgesetzt werden kann. Da für den Fall der Nichtausübung der Option aber keine Konventionalstrafe vorge- sehen war, forderte die AK im Na- men der Käuferin den gesamten angezahlten Betrag zurück. Der Verkäufer versuchte dann noch auf anderem Weg Geld zu erhaschen: Beim ursprünglichen, am Ausländergrundverkehr ge- scheiterten Kaufvertrag hatte er einen Makler beteiligt und wollte der Käuferin nun dessen Provision in Rechnung stellen. Aber die AK machte dem Verkäufer klar, dass ein Anspruch auf die Provision erst mit Rechtswirksamkeit des Geschäftes gegeben ist. Wenn aber der vom/von der Makler:in ver- mittelte Vertrag erst nach einer behördlichen Genehmigung wirk- sam wird, erwirbt der/die Mak- ler:in den Provisionsanspruch erst mit der Erteilung dieser Genehmi- gung, die ja im vorliegenden Fall verweigert wurde. Also schaute der Verkäufer erneut durch die Finger, weil er selbstverschuldet eine noch nicht fällige Provision geleistet hatte. Fazit: Die Käuferin erhielt die gesamten 9.468 Euro zurück und bedankte sich überschwänglich: „Ohne Ihre Hilfe und Ihren Einsatz wäre das nicht möglich gewesen!“

Windige Finanzsanierer:innen geben Menschen mit Geldsorgen den Rest.

AK Tipps für Konsument:innen

Mag. Christian Prantner, der in der Konsumentenpolitik der AK Wien den Bereich Finanzdienstleistun- gen leitet, hat in einer neuen Bro- schüre Tipps zusammengetragen. Hier eine Auswahl: Beim Googeln bin ich auf eine „Finanzsanierung“ gestoßen. Was ist davon zu halten? Wir empfehlen, die Finger von Finanzsanierungsunternehmen zu lassen. Lassen Sie sich nicht von aufgehübschten Websites von Finanzsanierern blenden, sondern überlegen Sie stattdessen, wie Sie vernünftig mit Schulden umgehen sollten – ohne den Einsatz von Finanzsanierungsunternehmen. Ich habe Probleme bei der Rück- zahlung von Raten für meine Kredite. Was kann ich tun? Reden und verhandeln Sie bei ersten Zahlungsproblemen sofort

mit Ihrer Bank, Bausparkasse, Leasinggesellschaft oder einem die Forderung betreibenden Rechtsanwalt oder Inkassobüro. Vereinbaren Sie neue Zahlungs- modalitäten. Je früher, desto besser – damit auch keine hohen Mahnspesen und Verzugszinsen anfallen! Welche Möglichkeiten gibt es, um Zahlungserleichterungen bei bestehenden Krediten zu erreichen? Verhandeln Sie bei sehr hohen Schulden eine Zinssenkung, einen Zinserlass oder ein Aussetzen der Zinsverrechnung bei Ihrer Bank, etwa bei den Verzugszinsen. Machen Sie bei Zahlungsschwie- rigkeiten ein Sparprogramm, um Ihr privates Haushaltsbudget zu entlasten. Stellen Sie Ihre Aus- gaben und Einnahmen einander gegenüber. Generell gilt: Bei Aus-

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