6 Politik
September 2021
Die Natur ist unser bester Verbündeter Der gebürtige Lustenauer Volker Hollenstein leitet beimWWF Österreich den Bereich Politik und Strategie. Klimafreundliche Maßnahmen müssen in seinen Augen Anreize beinhalten.
FOLGEN. Hat uns der jüngs- te Bericht des Weltklimarats wirklich wachgerüttelt? Vol- ker Hollenstein vom WWF Österreich im Interview. Wie wirkt sich der Klima- wandel auf Arbeitsplätze aus? Hollenstein: Da wird sich viel verändern. Nur ein paar Beispiele: Die Dämmung und Kühlung der Büros muss klimafitter werden. Es braucht mehr Begrünungen auf den Dächern und an den Fassaden. GeradeMenschen, die im Freien arbeiten, müs- sen künftig besser geschützt werden. Was passiert, wenn die Hitze zu groß wird? Da braucht es bessere Regelun- gen im Arbeitsrecht. Städte und Gemeinden müssen mehr Grünräume erhalten, um nicht zu Hitzeinseln zu werden. Wir müssen ver- stärkt entsiegeln statt versie- geln. Ein paar Alibi-Bäume pflanzen, das reicht längst nicht mehr. Wie schätzen Sie die Klima- politik Österreichs in An- betracht des neuesten IPCC- Reports ein? Hollenstein: Aus mei- ner Sicht müssen beide Regierungsparteien Ver- antwortung übernehmen. Klimaschutz ist eine Quer- schnittsmaterie. Sie berührt alle Bereiche, die Landwirt- schaft genauso wie die Ge- wässerpolitik und Finanz- politik. Woran mangelt es dann? Die in internationalen Abkom- men fixierten Ziele verpasst Österreich seit Langem… Hollenstein: Wir brauchen einen grundlegenden Wan- del in der Gesellschaft. Über Jahrzehnte hinweg hatten wir in Österreich eine Mi- schung aus Klientel- und Wohlfühlpolitik, gepaart mit dem Versuch der Regie- rungen, die Verantwortung auf die Bevölkerung abzu-
mehr auf dem letzten Stand der Technik, Wohnbaugelder werden nicht stark genug zur thermischen Sanierung ver- wendet. Könnte/sollte ein Teil davon sein, schützenswerte Gebiete mit mehr Rechten auszustat- ten, oder genügen die recht- lichen Mittel, wie sie derzeit sind? Hollenstein: Es braucht fraglos Verbesserungen. Na- turschutz muss ganzheitlich gesehen werden, nicht zu- letzt, weil eine intakte Natur unser wichtigster Verbünde- ter gegen die Klimakrise ist. Intakte Wälder speichern große Mengen von CO 2 . Sie sind viel widerstandsfähiger als Monokulturen. Die not- wendige Umstellung muss man auch für Waldbesitzer attraktiver machen. Wäre zusätzlich die Klimaschutz- funktion von Naturwäldern verbindlich im Forstgesetz verankert, würde das ihren Stellenwert deutlich heben. Wie lässt sich eine ökosozia- le Steuerreform ausgestal- ten, damit nicht diejenigen zumHandkuss kommen, die es sich nicht leisten können? Hollenstein: Es braucht auf jeden Fall ein Gesamt- paket. Es muss an allen ver- fügbaren Schrauben gedreht werden. Klimafreundliches Verhalten muss belohnt wer- den, deshalb schlagen wir zum Beispiel einen Öko-Bo- nus für alle Haushalte vor. Der Spielraum für budgetäre Umschichtungen wäre defi- nitiv vorhanden. Schließlich verschwenden wir jährlich bis zu fünf Milliarden Euro für umweltschädliche Sub- ventionen, zum Beispiel für das Diesel-Privileg. ▸ AK-Blog: Das ganze Inter- view lesen Sie im Blog
wälzen, so nach dem Motto: Jetzt braucht es die größte Mitmachpolitik aller Zeiten. Aber das ist nur in Ansätzen richtig. Tatsächlich fehlen sehr oft die Voraussetzun- gen, damit sich die Men- schen klimafreundlicher verhalten können. Die Poli- tik hat den größten Hebel, diese Dinge voranzubringen. Sie muss einen klimagerech- ten Rahmen schaffen und für sozialen Ausgleich sor- gen. Dafür ist sie zuständig. Das ist ihr Job. Die Veröffentlichung des UN-Klimaberichts hat Österreichs Aufmerksamkeit erneut auf das Klimaschutz- gesetz gelenkt, das jetzt vor- angetrieben werden soll. Was muss zwingend drinstehen, dass unterm Strich mehr als Kosmetik betrieben wird? Hollenstein: Die bisherigen Regelungen waren ziemlich planlos. Obwohl unsere CO 2 - Bilanz relativ schlecht ist, hatte das über Jahrzehnte hinweg keine Konsequen- zen. Jetzt braucht es einen strikten Reduktionsplan und ein Sofort-Programm, wenn die Ziele verfehlt werden. Die Kompetenzen und Zustän- digkeiten müssen zwischen Bund und Ländern klar gere- gelt werden, allemüssenmit- machen. Wir merken ja rund um die aktuelle Evaluierung kritischer Projekte, wie sehr die Länder im Straßenbau noch immer eine autozen trierte Verkehrspolitik ver- folgen. Auch die Baustan- dards sind vielerorts nicht Hollenstein: „Ein paar Alibi-Bäume pflanzen reicht längst nicht mehr.“
AK-Direktor Rainer Keckeis fordert angesichts der Misere am Wohnungs- und Immobilienmarkt gesetzliche Schranken gegen Spekulation und Veranlagung.
AUSVERKAUF. „Wir dür- fen den wenigen Grund, den wir noch haben, nicht wei- ter als Spekulationsobjekt missbrauchen.“ Für AK-Di- rektor Rainer Keckeis hat die verheerende Entwicklung
aufgebraucht. Was dann? Schon heute können es sich nur noch die wenigen Best- betuchten leisten, ein Eigen- heim zu errichten. Den ande- ren bleibt nur, sich irgendwie mit den hohen Mieten zu ar-
bare Gruppe Betroffener ins Rampenlicht: „Die Menschen nämlich, die sich mit 2000 Euro monatlicher Pension Mieten jenseits der 1000 Euro einfach nicht leisten kön- nen.“ So zahlen einerseits Junge die Zeche, die unter dem horrenden Preisdruck erst gar nicht Fuß fassen kön- nen, und andererseits Ältere, die am Ende eines ganzen Arbeitslebens das Wohnen nicht mehr vermögen. Dabei ist ein Dach über dem Kopf nicht nur ein Grundbedürf- nis. Es ist einMenschenrecht, das immer mehr Menschen in Vorarlberg erschwert oder sogar verwehrt wird. Die Gründe sind sattsam bekannt: steigende Baukos- ten, knappe Ressourcen. An erster Stelle steht für Keckeis freilich, dass Grund und Bo- den als Veranlagung oder Spekulationsobjekt miss-
,, Wir dürfen den wenigen
Grund, den wir noch haben, nicht weiter als Spekula- tionsobjekt missbrauchen. Rainer Keckeis Direktor der AK Vorarlberg
unter https:// vbg.arbeiter- kammer.at/ akblog
am Immobilien- und Woh- nungsmarkt einen Punkt erreicht, an dem der Gesetz- geber korrigierend eingreifen muss: „Der freie Markt kann die Auswüchse längst nicht mehr eindämmen.“ Es ist dies ein Spiel mit einem natürlichen Ende: Eines Tages sind alle Flächen
rangieren. Eigentum kommt für sie nicht in Frage. Weg in die Altersarmut „Das führt in immer mehr Fällen schnurstracks in die Altersarmut“, betont Ke- ckeis. Schon in der großen AK-Wohnumfrage Ende 2018 trat eine bislang unsicht-
AK FÜR SOZIAL GERECHTE CO₂-STEUER Gerade kleine Einkommen werden durch die Bepreisung von fossilen Treib- und Heizstoffen relativ stärker belastet. Deshalb schlägt die AK Vorarlberg vor, dass die Einnahmen aus der CO₂-Steuer zum ei- nen an private Haushalte zurückerstattet werden und zum anderen in Projekte für CO₂-arme Energieversorgung und Mobilität investiert werden, die für Haushalte mit niedrigen Einkommen zugänglich sind.
Johannes Punzenberger von der Arbeitsgemeinschaft Erneuerbare Energie Vorarlberg (AEEV) ist unser Partner. Er hat mit der AK den Reduktionsplan für den CO 2 -neutralen Betrieb erarbeitet. Die AK Vorarlberg verpflichtet sich zu einer CO 2 -Abgabe über die Plattform KlimaCent Austria und startet mit einer Zahlung von 50 Euro pro Tonne, der zu zahlende Betrag steigt jährlich um sieben Prozent.
Die AK Vorarlberg geht über die Bücher und macht sich auf den Weg zur eigenen Klimaneutralität. Warum? Der Blog der AK gibt Antwort: ▸ https://vbg.arbeiterkammer.at/akblog/soziales/ wie-die-AK-zur-green-AK-wird.html
Powered by FlippingBook