AKtion September 2021

4 Schaffarei 

September 2021

Mut-/Wut- ausbruch

Das Theaterstück „Ich würde halt lieber nicht“ er- zählt von den Herausforderungen, den richtigen Job zu finden, und von schlechten Arbeitsbedingungen in einer Branche, in der der Schein oft trügt. DIE AUTORIN

BÜHNE. Mit dem Format „Mut/ Wutausbruch“ bringt die Schaffarei brisante arbeitsrelevante Themen auf die Klub-Bühne. Den Anfang im Rahmen der großen Eröffnungsfei- er macht das Stück „Ich würde halt lieber nicht“ von der Vorarlberger Schriftstellerin Verena Rossbacher. Nur etwa 15 Minuten dauert der Monolog der namenlosen Protago- nistin, dargestellt von der Schau- spielerin Anja Dreischmeier. Unter anderem geht es um die Schwie- rigkeit der Berufswahl. Im Gegen- satz zu Verena Rossbacher, die früh wusste, dass sie Schriftstellerin werden möchte, fällt es der Protago- nistin schwer, sich auf einen Beruf festzulegen. Nach Jahren des Aus- probierens strandet sie als Querein- steigerin im Marketing. Und macht den Job doch nur, um ihre Rechnun-

empfehlen, ein Handwerk zu lernen und dann zu studieren. Wann man geistig mal müde ist, hat man etwas, wohinman zurückkehren kann. Bei mir wäre das Bäckerin oder Köchin.” Missstände aufzeigen Inszeniert wird das Theaterstück vom Ensemble für unpopuläre Frei- zeitgestaltung.Mit ihrenProduktio- nen zeigen Regisseur Stephan Kasi- mir und die Ausstatterin Caro Stark Innovationsfreude und keinerlei Scheu vor komplexem Theater. Besondere Relevanz hat das Stück für Stark, da es sich auch mit dem Thema der (Selbst-)Ausbeu- tung in der Arbeitswelt auseinan- dersetzt. Heutzutage sei es ihrer An- sicht nach fast nicht mehr möglich, mit einem normalen Beruf über die Runden zu kommen. „Wir arbeiten nicht mehr, um uns selbst zu er- nähren, sondern um einige wenige Menschen reich zu machen.“ ▸ Aufführung: Samstag, 11. Septem- ber, 19 Uhr, Klub, mit Anmeldung an hey@schaffarei.at Im Jahr 2009 sorgte die gebürtige Bludenzerin und Wahl-Berlinerin Verena Rossbacher mit ihremDebütroman „Ver- langen nach Drachen“ für Aufsehen. Darauf folgten die Einladung zum Bachmann-Preis, zwei weitere Romane und mehrere Theater- stücke. Ihr neuer Roman „Mon Cherie und unsere demolierten Seelen“ er- scheint im Frühjahr.

Ein Arbeitsleben im Rückblick Der Bregenzerwälder Schuhmachermeister Werner Albrecht hat 49 Jahre im selben Beruf gearbeitet. Viel hat sich in dieser Zeit verändert. Bei der offiziellen Eröffnung der Schaffarei in Feldkirch startet mit Skischuh- Pionier Werner Albrecht auch die erste Ausstellung imMuseum des Wandels.

gen bezahlen zu können. Beinah rund um die Uhr

An ihrer Arbeits-Verdrossenheit kann auch die hippe Büroeinrich- tung des schnell gewachsenen Start-ups nichts ändern. „Wenn ich in einemBüro arbeitenwürde, dann so“, lacht Verena Rossbacher. Für sie bringt modernes Arbeiten auch Vorteile mit sich. Etwa, dass Unter- nehmen sich Gedanken darüber machen, wie sie die Kreativität ihrer Mitarbeitenden fördern können. Rossbachers Erzählung macht aber auch deutlich, wie schnell sich in einem solchen Umfeld die Gren- zen zwischen Arbeits- und Freizeit verwischen lassen. Das Resultat: viel Arbeit bei schlechter Entlohnung. Dazu kommt, dass die Hauptfi- gur eben einfach lieber nicht arbei- ten würde. „Sie war in keinem Job glücklich. Sie will nicht arbeiten. Man kann es ihr nicht recht ma- chen“, bringt es Rossbacher auf den Punkt. Da hilft das beste und mo- dernste Arbeits-Setting nichts. Was braucht es also, um in der Arbeit Glück und Erfüllung zu fin- den? Eine Antwort darauf hat die Protagonistin (noch) nicht gefun- den. Verena Rossbacher verfolgt ei- nen eigenen Ansatz. Ihr Tipp an alle, die sich über die Berufswahl Ge- danken machen: „Ich würde jedem

AUSSTELLUNG. Im Erdgeschoss präsentiert das Haus für Arbeits- kultur mit Werner Albrecht einen Schuhmacher aus Au im Bregen- zerwald, der als Pionier des moder- nen Skischuhs gilt. Die Ausstellung läuft noch bis zum 4. Dezember. Werner Albrecht wurde 1936 als siebtes von neun Kindern geboren. Von 1951 bis 1954 absolvierte er eine Schuhmacherlehre bei Peter Moos- brugger in Schoppernau und wech- selte imAnschluss danach zur Firma Strolz in Lech, in der er, abgesehen von einer kleinen Ausnahme, bis zu seiner Pensionierung arbeitete. Im Videointerview blickt der heute 85-Jährige auf ein erfüllendes, au- ßergewöhnliches Arbeitsleben zu- rück. Zeit, in der er die Entwicklung vom handgenähten Lederskischuh zum modernen Kunststoffskischuh maßgeblich beeinflusst hat. So geradlinige Lebensläufe gibt es laut der Ausstellungs-Kurato- rin Dr. Michaela Feurstein-Prasser heutzutage nicht mehr oft. „Es ist selten geworden, dass Menschen in dem Job in Pension gehen, den sie zu Beginn ihres Arbeitslebens aus- geübt haben.“ Umso faszinierender ist es, Wer- ner Albrecht beim Erzählen zuzu- hören. „Ich bin stolz darauf, dass ich Schuhmacher war. Ich bin sehr zufrieden mit dem, was ich gemacht habe“, bringt er die tiefe Verbunden- heit mit seinem Handwerk auf den Punkt. Albrecht berichtet davon,

änderungen auf einzelne Menschen ausgewirkt haben. Zweimal im Jahr porträtiert die Schaffarei anhand zweier Objekte und eines Interviews ein individuelles Arbeitsleben. Mit der Zeit werden diese Geschichten ein digitales Museum des Wandels bilden. ▸ Vernissage: Donnerstag, 9. Sep- tember, 18 Uhr, Eingang Kuche, mit Anmeldung an hey@schaffarei.at

dass er schon immer Schuhmacher werden wollte, wie sein Arbeitsall- tag aussah und wie er den Skischuh gemeinsammit seinem Chef Martin Strolz weiterentwickelte. Authentisch und inspirierend Bewusst greift das Museum des Wandels individuelle Geschichten auf und bietet so Anknüpfungs- möglichkeiten für die Besucherin- nen und Besucher. Die Rückschau dient auch zur Reflexion von Arbeit in einem aktuellen Kontext. Für Michaela Feurstein-Prasser lassen sich am Beispiel von Werner Albrecht einige Faktoren ablesen, die dazu beitragen, Arbeit als er- füllend wahrzunehmen. Faktoren, die auch heute noch gültig sind: ein inspirierendes Miteinander, ein kooperativer, fördernder und von Vertrauen geprägter Führungsstil, konstante Weiterentwicklung und Weiterbildung. Oder in Albrechts Worten: „Mein Chef, der Martin Strolz, und ich, wir waren wie zwei Brüder. Wir haben miteinander die ganzen Schuhe ent- wickelt und uns fortgebildet. Wir haben geschaut, dass immer etwas weitergeht – das war eine wunder- bare Zeit.“ Über das Museum des Wandels In den letzten 150 Jahren hat sich die Arbeitswelt stark verändert. Im Erdgeschoss der Schaffarei zeigt das Museum des Wandels, wie sich Ver-

DIE KURATORIN

Die Vorarlbergerin Michaela Feurstein- Prasser lebt und arbei- tet in Wien. Sie studierte Romanistik und Ge- schichte und promo- vierte über französische Besatzungspolitik in Österreich nach 1945. Seit 2011 ist sie freie Kuratorin und Kultur- vermittlerin.

Stephan Kasimir und Caro Stark bringen „Ich würde halt lieber nicht“ imRahmen der Schaffarei-Eröffnung auf die Bühne.

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