AKtion Oktober 2021

Bildung 9

Oktober 2021

Frühe Bildung ist viel mehr als Betreuungszeit AK-KINDERBETREUUNGSATLAS Seit Einführung 2017 mehr als 50.000 Mal aufgerufen

Wir möchten Kinderbetreuung nicht nur auf die Betreuungszeiten und -angebote reduziert sehen. Gerhard Ouschan AK-Bildungsabteilung

KINDESWOHL. Der Kinderbetreu- ungsatlas der AK Vorarlberg hat sich in vier Jahren zu der Informa- tionsquelle schlechthin gemausert. Aktuell weist das Online-Tool 256 Kindergärten, 160 allgemeine Kin- derbetreuungseinrichtungen und 50 Spielgruppen aus. Betreut wer- den in Vorarlberg 95,6 Prozent der drei- bis fünfjährigen Kinder und 29,2 Prozent der Zweijährigen. Bei den „Kleinen“ hat sich der Wert in den vergangenen zehn Jahren fast verdoppelt. Die AK legt seit je her ein beson- ders Augenmerk auf jene Einrich- tungen, deren Betreuungsangebote eine ganztägige Beschäftigung der Eltern ermöglichen. Arbeiterkam- mer und Statistik Austria haben da- für 2008 gemeinsam den Vereinbar- keitsindikator für Familie und Beruf (VIF) entwickelt. Der VIF wird jähr- lich erhoben und hat auch Relevanz bei der Vergabe von Fördermitteln. Strukturschwäche am Land In Vorarlberg besuchten zuletzt 42,1 Prozent der Drei- bis Fünfjährigen Einrichtungen, die diesen Kriterien entsprechen. Dieser Wert liegt zwar über dem Österreichschnitt, „aber der gute Eindruck täuscht, denn die VIF-konformen Einrichtungen konzentrieren sich in Vorarlberg überwiegend auf die Städte und gro- ßen Gemeinden.“ Gerhard Ouschan von der AK-Bildungsabteilung ent- nimmt das einer hauseigenen Aus- wertung, welche die Tagesheim- statistik nicht bietet. „Wir erheben darin auch, wie viele Einrichtungen tatsächlich der Lebenssituation ganztagsbeschäftigter Eltern ent- sprechen.“ Hier zeigt sich, dass in Vorarlberg nur ein Viertel der Kin- dergärten in der Betreuung mit einer Vollzeitbeschäftigung beider

ATLAS Der Kinderbetreu- ungsatlas der AK Vorarlberg bietet online die beste

Orientierung. Wo? Unter https://vbg. arbeiterkammer.at/kba

Nicht zuletzt dank der hervorragenden Zusammenarbeit mit Land und Gemeinden bietet der Kinderbe treuungsatlas der AK aktuelle, umfassende Informationen, an denen sich Eltern orientieren können.

„Städte und große Gemeinden sind gut aufgestellt. Was aber notwendig ist, sind verbindliche Ganztagsan- gebote für alle Familien, die nicht davon abhängig sind, dass nach- mittags mindestens fünf Kinder be- treut werden“, fordert Ouschan. Im- merhin: Im Sommer geschlossene Kindergärten gehören in Österreich und auch Vorarlberg hoffentlich bald der Vergangenheit an. „Traurig genug, dass ein Virus für eine längst verdiente Mehrbeachtung der früh- kindlichen Bildung sorgenmusste.“ Frühe Bildung anerkennen An das gerade entstehende Kinder- bildungs- und -betreuungsgesetz stellt die AK klare Anforderungen: „Was wir brauchen, ist ein Para- digmenwechsel vom Versorgungs- auftrag zum Bildungsauftrag und endlich eine Anerkennung der

Eltern oder einer Alleinerzieherin vereinbar sind. Ouschan sieht gro- ßen Aufholbedarf insbesondere in den ländlichen Gebieten. Und doch hat sich die Lage seit 2016 positiv entwickelt: „Damals waren es gera- de einmal 15 Prozent.“ Woran scheitern Einrichtungen, wenn sie die VIF-Kriterien nicht er- füllen? „Das größte Manko sind die Betriebszeiten. Jeder zweite Kinder- garten bietet an keinem Tag die er- forderliche Betreuungszeit.“ Ouschan weist darauf hin, dass nur 88 Kinder- gärten zumindest vier Tage in der Woche 9,5 Stunden geöffnet haben. Verbindlichkeit tut not Eine weitere Herausforderung be- deuten die Schließtage. Mehr als ein Drittel der Kindergärten schließt an mehr als 25 Tagen, ein Fünftel gar an mehr als 50 Tagen jährlich.

Frühen Bildung als Säule des Bil- dungssystems.“ Ouschan sieht die finanzielle Verantwortung in ers- ter Linie beim Bund und die Um- setzung beim Land. Erst mit einem zusätzlichen Bildungsplan für die Elementarpädagogik werde das Ge- setz tatsächlich „ein großer Wurf“. „Wir brauchen“ laut Ouschan „nicht nur Marketingstrategien; was wir dringend benötigen, sind verbindli- che, zeitlich und inhaltlich definier- te Umsetzungsschritte“. Er blickt auf das Jahr 2035. Bis dahin werden mehr als 60.000 Kin- der in Vorarlberg geboren worden sein. Sie werden als Zeugen belegen, ob Vorarlberg wirklich denWeg zum chancenreichsten Lebensraum be- schritten hat. „Ein heute geborenes Kind wird dann mit 14 Jahren vor einer der wichtigen Bildungs- und Berufsplanentscheidungen stehen.“

VIF-Kriterien „VIF“ steht für „Vereinbarkeits- indikator für Familie und Beruf“. Die Kriterien sind: ● mindestens 45 Stunden wöchentliche Öffnungszeit von Montag bis Freitag ● Vier Tage pro Woche muss die Einrichtung mindestens 9,5 Stunden täglich geöffnet haben. ● Mittagessen muss zumindest von Montag bis Donnerstag an- geboten werden. ● höchstens 25 Betriebstage pro Jahr geschlossen Anmerkung: Ausgewertet wurden für den KB-Atlas der AK Vorarlberg alle Kindergärten und Kinderbetreuungseinrichtungen. Spielgruppen erfüllen aufgrund ihrer Organisationsform die Kriterien des VIF nicht.

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