Einleitung
Es kann wieder richtig gut werden Resilienz des Standorts Vorarlberg
Meldungen aus dem Ländle sind zur Zeit nur schwer mit dem Bild von Vorarlberg als dem Musterschüler Österreichs zu vereinbaren. Vorarlberg ist nicht so robust, wie wir gemeint haben. Das einstige Vorzeigebundesland scheint ins Straucheln gekommen zu sein und hat ernst- hafte Leistungsschwächen vorzuweisen: Lebenshaltungs- kosten und Produktionsbedingungen, Flächenverfügbar- keit, Gesundheitssystem, Bildung – alles mangelhaft. Zuerst Corona, dann die Inflation, gefolgt von Lieferengpässen – sie alle waren ein Stresstest für den Standort Vorarlberg und haben die Sollbruchstellen und politischen Versäumnisse der letzten Jahre deutlich gemacht: → Corona hat das Gesundheitssystem unter Druck ge- bracht und wir wissen nun, es reicht nicht! Die Krise hat deutlich gezeigt, systemrelevante Berufe sind zu schlecht bezahlt, und es gibt zu wenig Pflegekräfte und Ärzt:innen, um alle mit Gesundheitsleistungen zu ver- sorgen. → Die Inflation hat gezeigt, wie die Grundversorgung mit Energie, Lebensmitteln und Wohnraum schnell zum Problem wird, wenn die Rahmenbedingungen nicht passen. Die Preisexplosion in allen Lebensbereichen hat deutlich gemacht, wie bedeutsam es für einen starken Standort ist, rasche Eingriffe in die Preise für die Gesamtwirtschaft und die Bevölkerung durchzu- setzen. → Lieferschwierigkeiten haben große heimische Betriebe, die der Grundstein des Vorarlberger Wirt- schaftsstandorts sind, als Ganzes unter Druck ge- bracht. Resilient waren vor allem eigentümergeführte Unternehmen, die auf die Flexibilität der Belegschaft und flexible Arbeitszeitmodelle setzen konnten auf- grund von jahrzehntelang gelebtem Zusammenhalt in guten und schlechten Zeiten. → Der Fachkräftemangel hat die großen Schwächen im Ausbildungssystem und bei der Kinderbetreuung zu Tage gebracht sowie auf den immer noch eklatanten Gender-Pay-Gap hingewiesen. Das offenbart Ver- säumnisse in der Bildungspolitik und beim Ausbau der Kinderbetreuung und in der Umsetzung von gu- ten Rahmenbedingungen für eine Teilhabe aller am Arbeitsmarkt.
→ Die jüngst ins Spiel gebrachte Kindergrundsicherung ist nun ein Versuch, ein Heftpflaster auf eine alte Wunde zu kleben. Denn Kinderarmut und Erwerbs armut in Vorarlberg sind – wie auch die obigen Probleme – politische Versäumnisse der letzten Jahr- zehnte. Die Wirtschaft ist ebenso wenig wie die Regie- rung in der Lage, die Probleme zu lösen. Damit in Vorarl- berg alles rund läuft, gehört eine Menge dazu, vor allem Rahmenbedingungen, die die Politik schaffen kann. Wenn sie das nicht tut, dann merkt das die Bevölkerung in guten Zeiten kaum, aber in schlechten kommen die Bruchstellen zu Tage und das Land schlittert von einer Krise in die nächste. Nun wären wir nicht die Arbeiterkammer, wenn wir es bei der Diagnose der schwierigen Standortbedingungen beließen. Wir haben selbstverständlich nach Lösungen gesucht – und diese mit Forderungen im Innenteil dieser Ausgabe des Standort-Ratings 2024 untermauert. Ich würde mir wünschen, dass die Regierungs parteien mehr auf die Forderungen der Arbeitnehmer:in- nen und Sozialpartner hören. Denn die Erfolge von gestern sind durch den großen Einsatz der Arbeitnehmer:innen im Lande entstanden und werden auch im Zukunfts konzept eine Rolle spielen. Wer Vorarlberg und Österreich wieder bei den Ersten sehen will und im Superwahljahr 2024 um Stimmen der Bevölkerung rittert, für den lohnt es sich, die Arbeitnehmerinteressen wieder verstärkt ins Visier zu nehmen.
Eva King AK Direktorin
VORWORT/EINLEITUNG
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